Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.diesem müßte das spirituelle Princip, der Geist, zu erken- göttlichen Incarnationen kennen gelernt, ohne darin wenigstens eine
entfernte Sehnsucht nach einer göttlichen Befreiung vom Falle anzu- erkennen! Eine Sehnsucht, die sich im ganzen Alterthume findet." dieſem müßte das ſpirituelle Princip, der Geiſt, zu erken- göttlichen Incarnationen kennen gelernt, ohne darin wenigſtens eine
entfernte Sehnſucht nach einer göttlichen Befreiung vom Falle anzu- erkennen! Eine Sehnſucht, die ſich im ganzen Alterthume findet.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0116" n="94"/> dieſem müßte das ſpirituelle Princip, der Geiſt, zu erken-<lb/> nen ſein. Seine Farbe auf Bildwerken iſt ſchneeweiß;<lb/> das zeigt die Reinheit ſeines Weſens, wie auch Apollon<lb/> der Reine, Heilige iſt, und einen ſilbernen Bogen führt,<lb/> welches ein Reſt derſelben Farbenſymbolik zu ſein ſcheint.<lb/> Uebrigens iſt der hervortretende Charakter dieſer Gottheit<lb/> ein ſehr abſtoßender; er iſt der Gott der Zerſtörung, Ver-<lb/> nichtung, daher als Feuer bezeichnet; er wird <hi rendition="#g">Rudras,<lb/> Ugras,</hi> der Fürchterliche, genannt; ſeine Attribute ſind<lb/> Schlingen, Keule, Bogen, Pfeil und Dolch; auch wird<lb/> er mit einer Halskette von Schädeln gebildet. Auf dieſe<lb/> Weiſe wird ein grauenhafter Götze daraus, und es wider-<lb/> ſtrebt unſerem Gefühle, dergleichen mit der eigenen Reli-<lb/> gion und Bildungsſtufe in Beziehung zu ſetzen. Ganz<lb/> anders ſpricht uns die herrliche Geſtalt Apollon’s an; auch<lb/> iſt derſelbe als jene mächtig und tief eingreifende Quelle<lb/> prophetiſcher Begeiſterungen und Begabungen, als jene ſo<lb/> beſtimmt ausgeprägte, vom menſchlichen Selbſt unterſchie-<lb/> dene und doch in ihm und durch daſſelbe wirkende höhere<lb/> Geiſtigkeit der bibliſchen und chriſtlichen Idee des h. Gei-<lb/> ſtes entſchieden näher gerückt. Es iſt die verneinende, mit<lb/> der unmittelbaren, natürlichen Beſtimmtheit der Welt und<lb/> des Menſchen im Streite liegende Eigenſchaft dieſer gött-<lb/> lichen Macht, was in dem indiſchen Sivas ſo einſeitig her-<lb/> ausgefaßt und ſo barbariſch dargeſtellt iſt. Es iſt jedoch<lb/> zu bemerken, daß auch noch der griechiſche Gott zunächſt<lb/> ganz vorzüglich dieſe Seite zeigt. Seinem Namen nach,<lb/> der von απολλω, απολλυω kommt und auch vom grie-<lb/> chiſchen Alterthume ſelbſt ſo verſtanden und abgeleitet<lb/><note xml:id="note-0116" prev="#note-0115" place="foot" n="*)">göttlichen Incarnationen kennen gelernt, ohne darin wenigſtens eine<lb/> entfernte Sehnſucht nach einer göttlichen Befreiung vom Falle anzu-<lb/> erkennen! Eine Sehnſucht, die ſich im ganzen Alterthume findet.“</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0116]
dieſem müßte das ſpirituelle Princip, der Geiſt, zu erken-
nen ſein. Seine Farbe auf Bildwerken iſt ſchneeweiß;
das zeigt die Reinheit ſeines Weſens, wie auch Apollon
der Reine, Heilige iſt, und einen ſilbernen Bogen führt,
welches ein Reſt derſelben Farbenſymbolik zu ſein ſcheint.
Uebrigens iſt der hervortretende Charakter dieſer Gottheit
ein ſehr abſtoßender; er iſt der Gott der Zerſtörung, Ver-
nichtung, daher als Feuer bezeichnet; er wird Rudras,
Ugras, der Fürchterliche, genannt; ſeine Attribute ſind
Schlingen, Keule, Bogen, Pfeil und Dolch; auch wird
er mit einer Halskette von Schädeln gebildet. Auf dieſe
Weiſe wird ein grauenhafter Götze daraus, und es wider-
ſtrebt unſerem Gefühle, dergleichen mit der eigenen Reli-
gion und Bildungsſtufe in Beziehung zu ſetzen. Ganz
anders ſpricht uns die herrliche Geſtalt Apollon’s an; auch
iſt derſelbe als jene mächtig und tief eingreifende Quelle
prophetiſcher Begeiſterungen und Begabungen, als jene ſo
beſtimmt ausgeprägte, vom menſchlichen Selbſt unterſchie-
dene und doch in ihm und durch daſſelbe wirkende höhere
Geiſtigkeit der bibliſchen und chriſtlichen Idee des h. Gei-
ſtes entſchieden näher gerückt. Es iſt die verneinende, mit
der unmittelbaren, natürlichen Beſtimmtheit der Welt und
des Menſchen im Streite liegende Eigenſchaft dieſer gött-
lichen Macht, was in dem indiſchen Sivas ſo einſeitig her-
ausgefaßt und ſo barbariſch dargeſtellt iſt. Es iſt jedoch
zu bemerken, daß auch noch der griechiſche Gott zunächſt
ganz vorzüglich dieſe Seite zeigt. Seinem Namen nach,
der von απολλω, απολλυω kommt und auch vom grie-
chiſchen Alterthume ſelbſt ſo verſtanden und abgeleitet
*)
*) göttlichen Incarnationen kennen gelernt, ohne darin wenigſtens eine
entfernte Sehnſucht nach einer göttlichen Befreiung vom Falle anzu-
erkennen! Eine Sehnſucht, die ſich im ganzen Alterthume findet.“
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Zitationshilfe: | Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/116>, abgerufen am 16.02.2025. |