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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 5. Stickstoffhaltige Substanzen.
keine Wirkung hervorgebracht hatten, mit Tropfen Milch, Harn oder
Eiweisz geprüft. Von den in dieser Weise behandelten drei und zwan-
zig Blättern hatten siebzehn die Tentakeln und in einigen Fällen auch
die Scheiben ordentlich eingebogen; aber ihre Lebenskräfte waren in
etwas beeinträchtigt, denn die Schnelligkeit der Bewegung war ent-
schieden langsamer, als wenn frische Blätter mit diesen selben stick-
stoffhaltigen Flüssigkeiten behandelt wurden. Diese Beeinträchtigung
dürfte ebenso wie die Unempfindlichkeit von sechs jener Blätter einer
Beschädigung durch Exosmose zuzuschreiben sein, welche durch die
Dichte der auf ihre Scheiben gebrachten Flüssigkeiten verursacht
wurde.

Die Resultate einiger weniger anderer Experimente mit stickstoffhal-
tigen Flüssigkeiten werden zweckmäszig hier noch mitgetheilt werden.
Abkochungen einiger Gemüsearten, von denen bekannt ist, dasz sie reich
an Stickstoff sind, wurden gemacht; dieselben wirkten wie thierische
Flüssigkeiten. So wurden einige wenige grüne Erbsen eine Zeit lang
in destillirtem Wasser gekocht; dann liesz man die mäszig dicke, in die-
ser Weise bereitete Abkochung sich setzen. Tropfen der darüber stehen-
den Flüssigkeit wurden auf vier Blätter gebracht; und als diese nach 16
Stunden wieder nachgesehen wurden, fand sich, dasz die Tentakeln und
Scheiben von allen stark eingebogen waren. Aus einer Bemerkung Ger-
hardt's
3 schliesze ich, dasz in den Erbsen sich Legumin findet "in Com-
"bination mit einem Alkali, eine nicht gerinnbare Lösung bildend" und
diese wird sich mit kochendem Wasser vermischen. In Bezug auf die
oben verzeichneten und die folgenden Experimente will ich noch erwäh-
nen, dasz nach der Angabe von Schiff4 gewisse Formen von Eiweisz
existiren, welche durch kochendes Wasser nicht coagulirt, sondern in lös-
liche Peptone verwandelt werden.

Bei drei Gelegenheiten wurden klein geschnittene Kohlblätter5 in
destillirtem Wasser eine Stunde oder fünf viertel Stunden lang gekocht;
durch Abgieszen der Abkochung, nachdem man dieselbe sich hatte setzen
lassen, wurde eine blasse schmutzig grüne Flüssigkeit erhalten. Tropfen
von der gewöhnlichen Grösze wurden auf dreizehn Blätter gebracht. Ihre
Tentakeln und Scheiben wurden nach 4 Stunden in einem völlig auszer-
ordentlichen Grade eingebogen. Am nächsten Tage fand sich, dasz das
Protoplasma innerhalb der Zellen der Tentakeln in der auf das Schärfste
ausgesprochenen Art und Weise zusammengeballt war. Ich berührte auch
das klebrige Secret rund um die Drüsen mehrerer Tentakeln mit minutiös

3 Watt's Dictionary of Chemistry, Vol. III. p. 568.
4 Lecons sur la Physiologie de la Digestion, Tom. I. p. 379; Tom. II. p. 154,
166, über das Legumin.
5 Die Blätter junger Pflanzen, ehe sich das Herz bildet, so wie sie von mir
benutzt wurden, enthalten 2,1 Procent albuminöser Substanz, die äuszeren Blätter
reifer Pflanzen 1,6 Procent. Watt's Diction. of Chemistry, Vol. I. p. 653.

Cap. 5. Stickstoffhaltige Substanzen.
keine Wirkung hervorgebracht hatten, mit Tropfen Milch, Harn oder
Eiweisz geprüft. Von den in dieser Weise behandelten drei und zwan-
zig Blättern hatten siebzehn die Tentakeln und in einigen Fällen auch
die Scheiben ordentlich eingebogen; aber ihre Lebenskräfte waren in
etwas beeinträchtigt, denn die Schnelligkeit der Bewegung war ent-
schieden langsamer, als wenn frische Blätter mit diesen selben stick-
stoffhaltigen Flüssigkeiten behandelt wurden. Diese Beeinträchtigung
dürfte ebenso wie die Unempfindlichkeit von sechs jener Blätter einer
Beschädigung durch Exosmose zuzuschreiben sein, welche durch die
Dichte der auf ihre Scheiben gebrachten Flüssigkeiten verursacht
wurde.

Die Resultate einiger weniger anderer Experimente mit stickstoffhal-
tigen Flüssigkeiten werden zweckmäszig hier noch mitgetheilt werden.
Abkochungen einiger Gemüsearten, von denen bekannt ist, dasz sie reich
an Stickstoff sind, wurden gemacht; dieselben wirkten wie thierische
Flüssigkeiten. So wurden einige wenige grüne Erbsen eine Zeit lang
in destillirtem Wasser gekocht; dann liesz man die mäszig dicke, in die-
ser Weise bereitete Abkochung sich setzen. Tropfen der darüber stehen-
den Flüssigkeit wurden auf vier Blätter gebracht; und als diese nach 16
Stunden wieder nachgesehen wurden, fand sich, dasz die Tentakeln und
Scheiben von allen stark eingebogen waren. Aus einer Bemerkung Ger-
hardt’s
3 schliesze ich, dasz in den Erbsen sich Legumin findet »in Com-
„bination mit einem Alkali, eine nicht gerinnbare Lösung bildend« und
diese wird sich mit kochendem Wasser vermischen. In Bezug auf die
oben verzeichneten und die folgenden Experimente will ich noch erwäh-
nen, dasz nach der Angabe von Schiff4 gewisse Formen von Eiweisz
existiren, welche durch kochendes Wasser nicht coagulirt, sondern in lös-
liche Peptone verwandelt werden.

Bei drei Gelegenheiten wurden klein geschnittene Kohlblätter5 in
destillirtem Wasser eine Stunde oder fünf viertel Stunden lang gekocht;
durch Abgieszen der Abkochung, nachdem man dieselbe sich hatte setzen
lassen, wurde eine blasse schmutzig grüne Flüssigkeit erhalten. Tropfen
von der gewöhnlichen Grösze wurden auf dreizehn Blätter gebracht. Ihre
Tentakeln und Scheiben wurden nach 4 Stunden in einem völlig auszer-
ordentlichen Grade eingebogen. Am nächsten Tage fand sich, dasz das
Protoplasma innerhalb der Zellen der Tentakeln in der auf das Schärfste
ausgesprochenen Art und Weise zusammengeballt war. Ich berührte auch
das klebrige Secret rund um die Drüsen mehrerer Tentakeln mit minutiös

3 Watt’s Dictionary of Chemistry, Vol. III. p. 568.
4 Leçons sur la Physiologie de la Digestion, Tom. I. p. 379; Tom. II. p. 154,
166, über das Legumin.
5 Die Blätter junger Pflanzen, ehe sich das Herz bildet, so wie sie von mir
benutzt wurden, enthalten 2,1 Procent albuminöser Substanz, die äuszeren Blätter
reifer Pflanzen 1,6 Procent. Watt’s Diction. of Chemistry, Vol. I. p. 653.
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[73/0087] Cap. 5. Stickstoffhaltige Substanzen. keine Wirkung hervorgebracht hatten, mit Tropfen Milch, Harn oder Eiweisz geprüft. Von den in dieser Weise behandelten drei und zwan- zig Blättern hatten siebzehn die Tentakeln und in einigen Fällen auch die Scheiben ordentlich eingebogen; aber ihre Lebenskräfte waren in etwas beeinträchtigt, denn die Schnelligkeit der Bewegung war ent- schieden langsamer, als wenn frische Blätter mit diesen selben stick- stoffhaltigen Flüssigkeiten behandelt wurden. Diese Beeinträchtigung dürfte ebenso wie die Unempfindlichkeit von sechs jener Blätter einer Beschädigung durch Exosmose zuzuschreiben sein, welche durch die Dichte der auf ihre Scheiben gebrachten Flüssigkeiten verursacht wurde. Die Resultate einiger weniger anderer Experimente mit stickstoffhal- tigen Flüssigkeiten werden zweckmäszig hier noch mitgetheilt werden. Abkochungen einiger Gemüsearten, von denen bekannt ist, dasz sie reich an Stickstoff sind, wurden gemacht; dieselben wirkten wie thierische Flüssigkeiten. So wurden einige wenige grüne Erbsen eine Zeit lang in destillirtem Wasser gekocht; dann liesz man die mäszig dicke, in die- ser Weise bereitete Abkochung sich setzen. Tropfen der darüber stehen- den Flüssigkeit wurden auf vier Blätter gebracht; und als diese nach 16 Stunden wieder nachgesehen wurden, fand sich, dasz die Tentakeln und Scheiben von allen stark eingebogen waren. Aus einer Bemerkung Ger- hardt’s 3 schliesze ich, dasz in den Erbsen sich Legumin findet »in Com- „bination mit einem Alkali, eine nicht gerinnbare Lösung bildend« und diese wird sich mit kochendem Wasser vermischen. In Bezug auf die oben verzeichneten und die folgenden Experimente will ich noch erwäh- nen, dasz nach der Angabe von Schiff 4 gewisse Formen von Eiweisz existiren, welche durch kochendes Wasser nicht coagulirt, sondern in lös- liche Peptone verwandelt werden. Bei drei Gelegenheiten wurden klein geschnittene Kohlblätter 5 in destillirtem Wasser eine Stunde oder fünf viertel Stunden lang gekocht; durch Abgieszen der Abkochung, nachdem man dieselbe sich hatte setzen lassen, wurde eine blasse schmutzig grüne Flüssigkeit erhalten. Tropfen von der gewöhnlichen Grösze wurden auf dreizehn Blätter gebracht. Ihre Tentakeln und Scheiben wurden nach 4 Stunden in einem völlig auszer- ordentlichen Grade eingebogen. Am nächsten Tage fand sich, dasz das Protoplasma innerhalb der Zellen der Tentakeln in der auf das Schärfste ausgesprochenen Art und Weise zusammengeballt war. Ich berührte auch das klebrige Secret rund um die Drüsen mehrerer Tentakeln mit minutiös 3 Watt’s Dictionary of Chemistry, Vol. III. p. 568. 4 Leçons sur la Physiologie de la Digestion, Tom. I. p. 379; Tom. II. p. 154, 166, über das Legumin. 5 Die Blätter junger Pflanzen, ehe sich das Herz bildet, so wie sie von mir benutzt wurden, enthalten 2,1 Procent albuminöser Substanz, die äuszeren Blätter reifer Pflanzen 1,6 Procent. Watt’s Diction. of Chemistry, Vol. I. p. 653.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/87>, abgerufen am 27.11.2024.