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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 3.
Tropfen einer Lösung von einem Theil auf 292 Theile Wasser gegeben
wurde; in 13 Minuten waren ein paar kleine Kugeln von Protoplasma
gebildet; eine derselben war nach 2 Stunden 30 Minuten ungefähr zwei
Drittel des Durchmessers der Zelle. Nach 4 Stunden 25 Minuten war
sie im Durchmesser der Zelle beinahe gleich; und eine zweite Kugel, un-
gefähr halb so grosz wie die erste, hatte sich gebildet nebst einigen an-
dern sehr kleinen. Nach 6 Stunden war die Flüssigkeit, in welcher diese
Kugeln schwammen, beinahe farblos. Nach 8 Stunden 35 Minuten (immer
von der Zeit an, wo die Lösung zuerst zugesetzt worden war, gerechnet)
waren vier neue kleine Kugeln erschienen. Am nächsten Morgen, nach
22 Stunden, waren auszer den zwei groszen Kugeln sieben kleinere da,
welche in einer vollständig farblosen Flüssigkeit schwammen, in der et-
was flockige, grünliche Substanz suspendirt war.

Beim Beginn des Processes der Zusammenballung, ganz besonders in
dunkel rothen Blättern, bietet oft der Inhalt der Zellen ein verschiedenes
Ansehen dar, als ob die Schicht von Protoplasma (der Primordialschlauch),
welche die Zellen auskleidet, sich losgelöst hätte, und von den Wänden
abgeschrumpft wäre; es hatte sich dabei ein unregelmäszig geformter
Sack gebildet. Andere Flüssigkeiten, auszer einer Auflösung des kohlen-
sauren Salzes, z. B. ein Aufgusz von rohem Fleisch, bringen dieselbe
Wirkung hervor. Aber die Erscheinung der Einschrumpfung des Primor-
dialschlauchs von den Wänden ist jedenfalls falsch2; denn ich sah, ehe
ich die Auflösung zugesetzt hatte, bei mehreren Gelegenheiten, dass die
Wände mit farblosem, flieszendem Protoplasma ausgekleidet waren, und
nachdem die sackförmigen Massen sich gebildet hatten, flosz das Proto-
plasma noch immer in deutlich sichtbarer Weise den Wänden entlang,
selbst noch mehr als vorher. Es schien in der That, als ob der Strom
des Protoplasma durch die Einwirkung des kohlensauren Salzes verstärkt
sei, aber es war unmöglich zu ermitteln, ob dies wirklich der Fall war.
Die sackartigen Massen fangen, wenn sie einmal gebildet sind, bald an
langsam in den Zellen rundum zu gleiten; manchmal Fortsätze aussendend,
welche sich in kleine Kugeln auflösen; andere Kugeln erscheinen in der
die Säckchen umgebenden Flüssigkeit und diese bewegen sich viel schneller.
Dasz die kleinen Kugeln getrennt sind, wird häufig dadurch bewiesen,
dasz zuweilen eine und dann eine andere sich voraus bewegen, und
manchmal drehen sie sich um einander, Ich habe gelegentlich gesehen,
wie Kugeln dieser Art sich an derselben Seite der Zelle hinauf und hinab
bewegten, anstatt rings herum. Die sackartigen Massen theilen sich ge-
wöhnlich nach einiger Zeit in zwei runde oder ovale Massen und diese
machen die Veränderungen durch, welche in Fig. 7 und 8 dargestellt
sind. Andere Male erscheinen Kugeln in den Säcken, und diese ver-
schmelzen und theilen sich in einem endlosen Kreislauf von Verän-
derungen.

Wenn Blätter mehrere Stunden lang in einer Auflösung des kohlen-
sauren Salzes liegen gelassen worden sind, und vollständige Zusammen-

2 Bei andern Pflanzen habe ich häufig das, was mir eine echte Zusammen-
schrumpfung des Primordialschlauchs von den Zellenwänden erschien, durch eine
Auflösung in kohlensaurem Ammoniak verursacht gesehen, wie es gleichfalls als
Folge mechanischer Verletzungen auftritt.

Drosera rotundifolia. Cap. 3.
Tropfen einer Lösung von einem Theil auf 292 Theile Wasser gegeben
wurde; in 13 Minuten waren ein paar kleine Kugeln von Protoplasma
gebildet; eine derselben war nach 2 Stunden 30 Minuten ungefähr zwei
Drittel des Durchmessers der Zelle. Nach 4 Stunden 25 Minuten war
sie im Durchmesser der Zelle beinahe gleich; und eine zweite Kugel, un-
gefähr halb so grosz wie die erste, hatte sich gebildet nebst einigen an-
dern sehr kleinen. Nach 6 Stunden war die Flüssigkeit, in welcher diese
Kugeln schwammen, beinahe farblos. Nach 8 Stunden 35 Minuten (immer
von der Zeit an, wo die Lösung zuerst zugesetzt worden war, gerechnet)
waren vier neue kleine Kugeln erschienen. Am nächsten Morgen, nach
22 Stunden, waren auszer den zwei groszen Kugeln sieben kleinere da,
welche in einer vollständig farblosen Flüssigkeit schwammen, in der et-
was flockige, grünliche Substanz suspendirt war.

Beim Beginn des Processes der Zusammenballung, ganz besonders in
dunkel rothen Blättern, bietet oft der Inhalt der Zellen ein verschiedenes
Ansehen dar, als ob die Schicht von Protoplasma (der Primordialschlauch),
welche die Zellen auskleidet, sich losgelöst hätte, und von den Wänden
abgeschrumpft wäre; es hatte sich dabei ein unregelmäszig geformter
Sack gebildet. Andere Flüssigkeiten, auszer einer Auflösung des kohlen-
sauren Salzes, z. B. ein Aufgusz von rohem Fleisch, bringen dieselbe
Wirkung hervor. Aber die Erscheinung der Einschrumpfung des Primor-
dialschlauchs von den Wänden ist jedenfalls falsch2; denn ich sah, ehe
ich die Auflösung zugesetzt hatte, bei mehreren Gelegenheiten, dass die
Wände mit farblosem, flieszendem Protoplasma ausgekleidet waren, und
nachdem die sackförmigen Massen sich gebildet hatten, flosz das Proto-
plasma noch immer in deutlich sichtbarer Weise den Wänden entlang,
selbst noch mehr als vorher. Es schien in der That, als ob der Strom
des Protoplasma durch die Einwirkung des kohlensauren Salzes verstärkt
sei, aber es war unmöglich zu ermitteln, ob dies wirklich der Fall war.
Die sackartigen Massen fangen, wenn sie einmal gebildet sind, bald an
langsam in den Zellen rundum zu gleiten; manchmal Fortsätze aussendend,
welche sich in kleine Kugeln auflösen; andere Kugeln erscheinen in der
die Säckchen umgebenden Flüssigkeit und diese bewegen sich viel schneller.
Dasz die kleinen Kugeln getrennt sind, wird häufig dadurch bewiesen,
dasz zuweilen eine und dann eine andere sich voraus bewegen, und
manchmal drehen sie sich um einander, Ich habe gelegentlich gesehen,
wie Kugeln dieser Art sich an derselben Seite der Zelle hinauf und hinab
bewegten, anstatt rings herum. Die sackartigen Massen theilen sich ge-
wöhnlich nach einiger Zeit in zwei runde oder ovale Massen und diese
machen die Veränderungen durch, welche in Fig. 7 und 8 dargestellt
sind. Andere Male erscheinen Kugeln in den Säcken, und diese ver-
schmelzen und theilen sich in einem endlosen Kreislauf von Verän-
derungen.

Wenn Blätter mehrere Stunden lang in einer Auflösung des kohlen-
sauren Salzes liegen gelassen worden sind, und vollständige Zusammen-

2 Bei andern Pflanzen habe ich häufig das, was mir eine echte Zusammen-
schrumpfung des Primordialschlauchs von den Zellenwänden erschien, durch eine
Auflösung in kohlensaurem Ammoniak verursacht gesehen, wie es gleichfalls als
Folge mechanischer Verletzungen auftritt.
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[40/0054] Drosera rotundifolia. Cap. 3. Tropfen einer Lösung von einem Theil auf 292 Theile Wasser gegeben wurde; in 13 Minuten waren ein paar kleine Kugeln von Protoplasma gebildet; eine derselben war nach 2 Stunden 30 Minuten ungefähr zwei Drittel des Durchmessers der Zelle. Nach 4 Stunden 25 Minuten war sie im Durchmesser der Zelle beinahe gleich; und eine zweite Kugel, un- gefähr halb so grosz wie die erste, hatte sich gebildet nebst einigen an- dern sehr kleinen. Nach 6 Stunden war die Flüssigkeit, in welcher diese Kugeln schwammen, beinahe farblos. Nach 8 Stunden 35 Minuten (immer von der Zeit an, wo die Lösung zuerst zugesetzt worden war, gerechnet) waren vier neue kleine Kugeln erschienen. Am nächsten Morgen, nach 22 Stunden, waren auszer den zwei groszen Kugeln sieben kleinere da, welche in einer vollständig farblosen Flüssigkeit schwammen, in der et- was flockige, grünliche Substanz suspendirt war. Beim Beginn des Processes der Zusammenballung, ganz besonders in dunkel rothen Blättern, bietet oft der Inhalt der Zellen ein verschiedenes Ansehen dar, als ob die Schicht von Protoplasma (der Primordialschlauch), welche die Zellen auskleidet, sich losgelöst hätte, und von den Wänden abgeschrumpft wäre; es hatte sich dabei ein unregelmäszig geformter Sack gebildet. Andere Flüssigkeiten, auszer einer Auflösung des kohlen- sauren Salzes, z. B. ein Aufgusz von rohem Fleisch, bringen dieselbe Wirkung hervor. Aber die Erscheinung der Einschrumpfung des Primor- dialschlauchs von den Wänden ist jedenfalls falsch 2; denn ich sah, ehe ich die Auflösung zugesetzt hatte, bei mehreren Gelegenheiten, dass die Wände mit farblosem, flieszendem Protoplasma ausgekleidet waren, und nachdem die sackförmigen Massen sich gebildet hatten, flosz das Proto- plasma noch immer in deutlich sichtbarer Weise den Wänden entlang, selbst noch mehr als vorher. Es schien in der That, als ob der Strom des Protoplasma durch die Einwirkung des kohlensauren Salzes verstärkt sei, aber es war unmöglich zu ermitteln, ob dies wirklich der Fall war. Die sackartigen Massen fangen, wenn sie einmal gebildet sind, bald an langsam in den Zellen rundum zu gleiten; manchmal Fortsätze aussendend, welche sich in kleine Kugeln auflösen; andere Kugeln erscheinen in der die Säckchen umgebenden Flüssigkeit und diese bewegen sich viel schneller. Dasz die kleinen Kugeln getrennt sind, wird häufig dadurch bewiesen, dasz zuweilen eine und dann eine andere sich voraus bewegen, und manchmal drehen sie sich um einander, Ich habe gelegentlich gesehen, wie Kugeln dieser Art sich an derselben Seite der Zelle hinauf und hinab bewegten, anstatt rings herum. Die sackartigen Massen theilen sich ge- wöhnlich nach einiger Zeit in zwei runde oder ovale Massen und diese machen die Veränderungen durch, welche in Fig. 7 und 8 dargestellt sind. Andere Male erscheinen Kugeln in den Säcken, und diese ver- schmelzen und theilen sich in einem endlosen Kreislauf von Verän- derungen. Wenn Blätter mehrere Stunden lang in einer Auflösung des kohlen- sauren Salzes liegen gelassen worden sind, und vollständige Zusammen- 2 Bei andern Pflanzen habe ich häufig das, was mir eine echte Zusammen- schrumpfung des Primordialschlauchs von den Zellenwänden erschien, durch eine Auflösung in kohlensaurem Ammoniak verursacht gesehen, wie es gleichfalls als Folge mechanischer Verletzungen auftritt.

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/54>, abgerufen am 23.11.2024.