Kohlensaures Ammoniak. -- Von allen den Ursachen, welche Zusammenballung hervorbringen ist die, welche, so weit ich gesehen habe, am schnellsten wirkt und die kräftigste ist, eine Auflösung von kohlen- saurem Ammoniak. Was auch ihre Stärke sein mag, die Drüsen werden immer zuerst gereizt, und werden bald ganz undurchsichtig, so dasz sie schwarz erscheinen. Ich that z. B. ein Blatt in wenige Tropfen einer starken Auflösung, nämlich von einem Theil auf 146 Theile Wasser (oder 3 Gran auf 1 Unze) und beobachtete es unter starker Vergröszerung. Alle Drüsen fiengen in 10 Secunden an dunkel zu werden, und in 13 Secunden waren sie merklich dunkler. In einer Minute konnte man auszer- ordentlich kleine kuglige Massen von Protoplasma in den Zellen der Stiele dicht unter den Drüsen entstehen sehen, ebenso wie in den Kissen, auf welchen die langköpfigen randständigen Drüsen ruhen. In mehreren Fällen verbreitete sich in ungefähr 10 Minuten der Procesz die Stiele hinunter eine Strecke weit, die zwei- oder drei mal so lang war wie die Drüsen. Es war sehr interessant zu beobachten, wie der Procesz momentan bei jeder queren Scheidewand zwischen zwei Zellen aufgehalten wurde, und dann zu sehen, wie der durchsichtige Inhalt der nächst darunter liegen- den Zelle in eine wolkige Masse gewissermaszen aufflammte. In den un- teren Theilen der Stiele gieng die Erscheinung langsamer vorwärts, so dasz es ungefähr 20 Minuten dauerte, ehe die Zellen halbwegs die langen randständigen und dem Rande nahe stehenden Tentakeln hinab zusammen- geballt wurden.
Wir können annehmen, dasz das kohlensaure Ammoniak von den Drüsen aufgesaugt wird, nicht nur weil seine Wirkung so geschwind ist, sondern weil sie etwas verschieden ist von der andrer Salze. Da die Drü- sen, wenn sie gereizt werden, eine Säure, welche zu der Essigreihe gehört, absondern, so wird das kohlensaure Salz wahrscheinlich sofort in ein Salz dieser Reihe verwandelt, und wir werden sogleich sehen, dasz das essig- saure Ammoniak Zusammenballung beinahe oder ganz so energisch ver- ursacht wie das kohlensaure Salz. Wenn ein paar Tropfen einer Auf- lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 437 Theile Wasser (oder 1 Gran auf 1 Unze) zu der purpurnen Flüssigkeit, welche aus zer- drückten Tentakeln ausflieszt, oder auf Papier gebracht wird, welches da- durch, dasz es mit Tentakeln gerieben wurde, gefärbt worden ist, so wird die Flüssigkeit ebenso wie das Papier blosz schmutzig grün. Demohnge- achtet konnte nach 1 Stunde 30 Minuten etwas purpurne Farbe in den Drüsen eines Blattes, welches in einer Auflösung von der doppelten Stärke der oben erwähnten (nämlich 2 Gran auf 1 Unze) liegen gelassen wor- den war, entdeckt werden; und nach 24 Stunden enthielten die Zellen der Stiele dicht unter den Drüsen noch Kugeln von Protoplasma von einer schönen purpurnen Färbung. Diese Thatsachen beweisen, dasz das Ammoniak nicht als. kohlensaures eingetreten war, denn sonst würde die Farbe wohl verdrängt worden sein. Ich habe jedoch manchmal, beson- ders bei den in eine Lösung eingetauchten langköpfigen Tentakeln auf den Rändern sehr blasser Blätter beobachtet, dasz die Drüsen sowohl als die oberen Zellen der Stiele sich entfärbten; und in diesen Fällen ver- muthe ich, dasz das unveränderte kohlensaure Salz aufgesaugt worden war. Die oben beschriebene Erscheinung, dasz der Procesz der Zusammen-
Drosera rotundifolia. Cap. 3.
Kohlensaures Ammoniak. — Von allen den Ursachen, welche Zusammenballung hervorbringen ist die, welche, so weit ich gesehen habe, am schnellsten wirkt und die kräftigste ist, eine Auflösung von kohlen- saurem Ammoniak. Was auch ihre Stärke sein mag, die Drüsen werden immer zuerst gereizt, und werden bald ganz undurchsichtig, so dasz sie schwarz erscheinen. Ich that z. B. ein Blatt in wenige Tropfen einer starken Auflösung, nämlich von einem Theil auf 146 Theile Wasser (oder 3 Gran auf 1 Unze) und beobachtete es unter starker Vergröszerung. Alle Drüsen fiengen in 10 Secunden an dunkel zu werden, und in 13 Secunden waren sie merklich dunkler. In einer Minute konnte man auszer- ordentlich kleine kuglige Massen von Protoplasma in den Zellen der Stiele dicht unter den Drüsen entstehen sehen, ebenso wie in den Kissen, auf welchen die langköpfigen randständigen Drüsen ruhen. In mehreren Fällen verbreitete sich in ungefähr 10 Minuten der Procesz die Stiele hinunter eine Strecke weit, die zwei- oder drei mal so lang war wie die Drüsen. Es war sehr interessant zu beobachten, wie der Procesz momentan bei jeder queren Scheidewand zwischen zwei Zellen aufgehalten wurde, und dann zu sehen, wie der durchsichtige Inhalt der nächst darunter liegen- den Zelle in eine wolkige Masse gewissermaszen aufflammte. In den un- teren Theilen der Stiele gieng die Erscheinung langsamer vorwärts, so dasz es ungefähr 20 Minuten dauerte, ehe die Zellen halbwegs die langen randständigen und dem Rande nahe stehenden Tentakeln hinab zusammen- geballt wurden.
Wir können annehmen, dasz das kohlensaure Ammoniak von den Drüsen aufgesaugt wird, nicht nur weil seine Wirkung so geschwind ist, sondern weil sie etwas verschieden ist von der andrer Salze. Da die Drü- sen, wenn sie gereizt werden, eine Säure, welche zu der Essigreihe gehört, absondern, so wird das kohlensaure Salz wahrscheinlich sofort in ein Salz dieser Reihe verwandelt, und wir werden sogleich sehen, dasz das essig- saure Ammoniak Zusammenballung beinahe oder ganz so energisch ver- ursacht wie das kohlensaure Salz. Wenn ein paar Tropfen einer Auf- lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 437 Theile Wasser (oder 1 Gran auf 1 Unze) zu der purpurnen Flüssigkeit, welche aus zer- drückten Tentakeln ausflieszt, oder auf Papier gebracht wird, welches da- durch, dasz es mit Tentakeln gerieben wurde, gefärbt worden ist, so wird die Flüssigkeit ebenso wie das Papier blosz schmutzig grün. Demohnge- achtet konnte nach 1 Stunde 30 Minuten etwas purpurne Farbe in den Drüsen eines Blattes, welches in einer Auflösung von der doppelten Stärke der oben erwähnten (nämlich 2 Gran auf 1 Unze) liegen gelassen wor- den war, entdeckt werden; und nach 24 Stunden enthielten die Zellen der Stiele dicht unter den Drüsen noch Kugeln von Protoplasma von einer schönen purpurnen Färbung. Diese Thatsachen beweisen, dasz das Ammoniak nicht als. kohlensaures eingetreten war, denn sonst würde die Farbe wohl verdrängt worden sein. Ich habe jedoch manchmal, beson- ders bei den in eine Lösung eingetauchten langköpfigen Tentakeln auf den Rändern sehr blasser Blätter beobachtet, dasz die Drüsen sowohl als die oberen Zellen der Stiele sich entfärbten; und in diesen Fällen ver- muthe ich, dasz das unveränderte kohlensaure Salz aufgesaugt worden war. Die oben beschriebene Erscheinung, dasz der Procesz der Zusammen-
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Drosera rotundifolia. Cap. 3.
Kohlensaures Ammoniak. — Von allen den Ursachen, welche
Zusammenballung hervorbringen ist die, welche, so weit ich gesehen habe,
am schnellsten wirkt und die kräftigste ist, eine Auflösung von kohlen-
saurem Ammoniak. Was auch ihre Stärke sein mag, die Drüsen werden
immer zuerst gereizt, und werden bald ganz undurchsichtig, so dasz sie
schwarz erscheinen. Ich that z. B. ein Blatt in wenige Tropfen einer
starken Auflösung, nämlich von einem Theil auf 146 Theile Wasser (oder
3 Gran auf 1 Unze) und beobachtete es unter starker Vergröszerung.
Alle Drüsen fiengen in 10 Secunden an dunkel zu werden, und in 13
Secunden waren sie merklich dunkler. In einer Minute konnte man auszer-
ordentlich kleine kuglige Massen von Protoplasma in den Zellen der Stiele
dicht unter den Drüsen entstehen sehen, ebenso wie in den Kissen, auf
welchen die langköpfigen randständigen Drüsen ruhen. In mehreren Fällen
verbreitete sich in ungefähr 10 Minuten der Procesz die Stiele hinunter
eine Strecke weit, die zwei- oder drei mal so lang war wie die Drüsen.
Es war sehr interessant zu beobachten, wie der Procesz momentan bei
jeder queren Scheidewand zwischen zwei Zellen aufgehalten wurde, und
dann zu sehen, wie der durchsichtige Inhalt der nächst darunter liegen-
den Zelle in eine wolkige Masse gewissermaszen aufflammte. In den un-
teren Theilen der Stiele gieng die Erscheinung langsamer vorwärts, so
dasz es ungefähr 20 Minuten dauerte, ehe die Zellen halbwegs die langen
randständigen und dem Rande nahe stehenden Tentakeln hinab zusammen-
geballt wurden.
Wir können annehmen, dasz das kohlensaure Ammoniak von den
Drüsen aufgesaugt wird, nicht nur weil seine Wirkung so geschwind ist,
sondern weil sie etwas verschieden ist von der andrer Salze. Da die Drü-
sen, wenn sie gereizt werden, eine Säure, welche zu der Essigreihe gehört,
absondern, so wird das kohlensaure Salz wahrscheinlich sofort in ein Salz
dieser Reihe verwandelt, und wir werden sogleich sehen, dasz das essig-
saure Ammoniak Zusammenballung beinahe oder ganz so energisch ver-
ursacht wie das kohlensaure Salz. Wenn ein paar Tropfen einer Auf-
lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 437 Theile Wasser
(oder 1 Gran auf 1 Unze) zu der purpurnen Flüssigkeit, welche aus zer-
drückten Tentakeln ausflieszt, oder auf Papier gebracht wird, welches da-
durch, dasz es mit Tentakeln gerieben wurde, gefärbt worden ist, so wird
die Flüssigkeit ebenso wie das Papier blosz schmutzig grün. Demohnge-
achtet konnte nach 1 Stunde 30 Minuten etwas purpurne Farbe in den
Drüsen eines Blattes, welches in einer Auflösung von der doppelten Stärke
der oben erwähnten (nämlich 2 Gran auf 1 Unze) liegen gelassen wor-
den war, entdeckt werden; und nach 24 Stunden enthielten die Zellen
der Stiele dicht unter den Drüsen noch Kugeln von Protoplasma von
einer schönen purpurnen Färbung. Diese Thatsachen beweisen, dasz das
Ammoniak nicht als. kohlensaures eingetreten war, denn sonst würde die
Farbe wohl verdrängt worden sein. Ich habe jedoch manchmal, beson-
ders bei den in eine Lösung eingetauchten langköpfigen Tentakeln auf
den Rändern sehr blasser Blätter beobachtet, dasz die Drüsen sowohl als
die oberen Zellen der Stiele sich entfärbten; und in diesen Fällen ver-
muthe ich, dasz das unveränderte kohlensaure Salz aufgesaugt worden
war. Die oben beschriebene Erscheinung, dasz der Procesz der Zusammen-
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/52>, abgerufen am 23.11.2024.
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