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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Utricularia neglecta. Cap. 17.
und dasz diese keine solche Erscheinung darboten, so können wir ge-
trost annehmen, dasz in den oben erwähnten Fällen das Protoplasma
durch die Aufsaugung stickstoffhaltiger Substanz aus den sich zer-
setzenden Thieren sich erzeugt hatte. In zwei oder drei Blasen, welche
anfangs völlig rein erschienen, fanden sich nach sorgfältigem Suchen
einige wenige Fortsätze, deren Auszenseite mit etwas brauner Sub-
stanz bedeckt war, woraus hervorgieng, dasz irgend ein kleines Thier
gefangen war und sich zersetzt hatte: hier schlossen die Arme sehr
wenige mehr oder weniger sphärische und zusammengeballte Massen
ein; die Fortsätze an anderen Stellen der Blasen waren leer und
durchscheinend. Andererseits musz noch angegeben werden, dasz in
drei, todte Krustenthiere enthaltenden Blasen die Fortsätze gleich-
falls leer waren. Diese Thatsache kann dadurch erklärt werden, dasz
die Thiere nicht hinreichend weit zersetzt waren oder dasz für die
Bildung von Protoplasma nicht genug Zeit gelassen worden war, oder
dasz es später absorbirt und anderen Theilen der Pflanze zugeführt
worden war. Wir werden nachher sehen, dasz in drei oder vier an-
dern Species von Utricularia die viertheiligen Fortsätze in Berührung
mit zerfallenden Thieren gleichfalls zusammengeballte Massen von
Protoplasma enthielten.

Über die Absorption gewisser Flüssigkeiten durch die
viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze.
-- Diese
Versuche wurden angestellt, um zu ermitteln, ob gewisse Flüssig-
keiten, welche zu diesem Zwecke passend zu sein schienen, dieselben
Wirkungen auf die Fortsätze hervorbringen würden, wie die Absorp-
tion zerfallner thierischer Substanz. Derartige Experimente sind in-
dessen mühsam; denn es ist nicht hinreichend, einen Zweig einfach in
die Flüssigkeit einzulegen, da die Klappe so dicht schliest, dasz die
Flüssigkeit dem Anscheine nach sobald nicht, wenn überhaupt, ein-
dringt. Selbst als Borsten in die Mündungen gesteckt wurden, wurde
sie in mehreren Fällen so dicht ringsum von dem dünnen biegsamen
Rande der Klappe umgeben, dasz die Flüssigkeit allem Anscheine
nach ausgeschlossen wurde. Die beste Methode würde gewesen sein,
die Blasen anzustechen; hieran dachte ich aber nicht eher, ausge-
nommen in einigen wenigen Fällen, als bis es zu spät war. In allen
derartigen Versuchen kann es indessen nicht positiv ermittelt werden,
ob die Blase, obschon sie durchscheinend ist, nicht irgend ein minu-
tiöses Thier auf dem letzten Stadium des Zerfalls enthalte. Es wur-

Utricularia neglecta. Cap. 17.
und dasz diese keine solche Erscheinung darboten, so können wir ge-
trost annehmen, dasz in den oben erwähnten Fällen das Protoplasma
durch die Aufsaugung stickstoffhaltiger Substanz aus den sich zer-
setzenden Thieren sich erzeugt hatte. In zwei oder drei Blasen, welche
anfangs völlig rein erschienen, fanden sich nach sorgfältigem Suchen
einige wenige Fortsätze, deren Auszenseite mit etwas brauner Sub-
stanz bedeckt war, woraus hervorgieng, dasz irgend ein kleines Thier
gefangen war und sich zersetzt hatte: hier schlossen die Arme sehr
wenige mehr oder weniger sphärische und zusammengeballte Massen
ein; die Fortsätze an anderen Stellen der Blasen waren leer und
durchscheinend. Andererseits musz noch angegeben werden, dasz in
drei, todte Krustenthiere enthaltenden Blasen die Fortsätze gleich-
falls leer waren. Diese Thatsache kann dadurch erklärt werden, dasz
die Thiere nicht hinreichend weit zersetzt waren oder dasz für die
Bildung von Protoplasma nicht genug Zeit gelassen worden war, oder
dasz es später absorbirt und anderen Theilen der Pflanze zugeführt
worden war. Wir werden nachher sehen, dasz in drei oder vier an-
dern Species von Utricularia die viertheiligen Fortsätze in Berührung
mit zerfallenden Thieren gleichfalls zusammengeballte Massen von
Protoplasma enthielten.

Über die Absorption gewisser Flüssigkeiten durch die
viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze.
— Diese
Versuche wurden angestellt, um zu ermitteln, ob gewisse Flüssig-
keiten, welche zu diesem Zwecke passend zu sein schienen, dieselben
Wirkungen auf die Fortsätze hervorbringen würden, wie die Absorp-
tion zerfallner thierischer Substanz. Derartige Experimente sind in-
dessen mühsam; denn es ist nicht hinreichend, einen Zweig einfach in
die Flüssigkeit einzulegen, da die Klappe so dicht schliest, dasz die
Flüssigkeit dem Anscheine nach sobald nicht, wenn überhaupt, ein-
dringt. Selbst als Borsten in die Mündungen gesteckt wurden, wurde
sie in mehreren Fällen so dicht ringsum von dem dünnen biegsamen
Rande der Klappe umgeben, dasz die Flüssigkeit allem Anscheine
nach ausgeschlossen wurde. Die beste Methode würde gewesen sein,
die Blasen anzustechen; hieran dachte ich aber nicht eher, ausge-
nommen in einigen wenigen Fällen, als bis es zu spät war. In allen
derartigen Versuchen kann es indessen nicht positiv ermittelt werden,
ob die Blase, obschon sie durchscheinend ist, nicht irgend ein minu-
tiöses Thier auf dem letzten Stadium des Zerfalls enthalte. Es wur-

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[372/0386] Utricularia neglecta. Cap. 17. und dasz diese keine solche Erscheinung darboten, so können wir ge- trost annehmen, dasz in den oben erwähnten Fällen das Protoplasma durch die Aufsaugung stickstoffhaltiger Substanz aus den sich zer- setzenden Thieren sich erzeugt hatte. In zwei oder drei Blasen, welche anfangs völlig rein erschienen, fanden sich nach sorgfältigem Suchen einige wenige Fortsätze, deren Auszenseite mit etwas brauner Sub- stanz bedeckt war, woraus hervorgieng, dasz irgend ein kleines Thier gefangen war und sich zersetzt hatte: hier schlossen die Arme sehr wenige mehr oder weniger sphärische und zusammengeballte Massen ein; die Fortsätze an anderen Stellen der Blasen waren leer und durchscheinend. Andererseits musz noch angegeben werden, dasz in drei, todte Krustenthiere enthaltenden Blasen die Fortsätze gleich- falls leer waren. Diese Thatsache kann dadurch erklärt werden, dasz die Thiere nicht hinreichend weit zersetzt waren oder dasz für die Bildung von Protoplasma nicht genug Zeit gelassen worden war, oder dasz es später absorbirt und anderen Theilen der Pflanze zugeführt worden war. Wir werden nachher sehen, dasz in drei oder vier an- dern Species von Utricularia die viertheiligen Fortsätze in Berührung mit zerfallenden Thieren gleichfalls zusammengeballte Massen von Protoplasma enthielten. Über die Absorption gewisser Flüssigkeiten durch die viertheiligen und zweigespaltenen Fortsätze. — Diese Versuche wurden angestellt, um zu ermitteln, ob gewisse Flüssig- keiten, welche zu diesem Zwecke passend zu sein schienen, dieselben Wirkungen auf die Fortsätze hervorbringen würden, wie die Absorp- tion zerfallner thierischer Substanz. Derartige Experimente sind in- dessen mühsam; denn es ist nicht hinreichend, einen Zweig einfach in die Flüssigkeit einzulegen, da die Klappe so dicht schliest, dasz die Flüssigkeit dem Anscheine nach sobald nicht, wenn überhaupt, ein- dringt. Selbst als Borsten in die Mündungen gesteckt wurden, wurde sie in mehreren Fällen so dicht ringsum von dem dünnen biegsamen Rande der Klappe umgeben, dasz die Flüssigkeit allem Anscheine nach ausgeschlossen wurde. Die beste Methode würde gewesen sein, die Blasen anzustechen; hieran dachte ich aber nicht eher, ausge- nommen in einigen wenigen Fällen, als bis es zu spät war. In allen derartigen Versuchen kann es indessen nicht positiv ermittelt werden, ob die Blase, obschon sie durchscheinend ist, nicht irgend ein minu- tiöses Thier auf dem letzten Stadium des Zerfalls enthalte. Es wur-

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/386>, abgerufen am 27.11.2024.