Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.Cap. 16. Absonderung, Absorption und Verdauung. Stunden war ein beträchtlicher Zuflusz da, welcher in 24 Stunden so be-deutend zunahm, dasz er bis in eine Entfernung von 3/4 Zoll das Blatt hinablief. Dies Secret war, trotzdem es in solcher Menge erschien, nicht im mindesten sauer. Da es so reichlich erregt wurde, und da Samen nicht selten an Blättern von natürlich wachsenden Pflanzen anhängend gefunden werden, so kam mir der Gedanke, dasz die Drüsen vielleicht das Vermögen haben könnten, ein Ferment, ähnlich dem Ptyalin, abzusondern, welches im Stande ist, Stärke aufzulösen; ich beobachtete demgemäsz sorgfältig die oben erwähnten sechs Stärkestückchen während mehrerer Tage; sie schienen aber im Umfang nicht im mindesten reducirt zu wer- den. Es wurde auch ein Stückchen zwei Tage lang in einem kleinen Tümpel von Secret gelassen, welches von einem Stück Spinatblatt abge- flossen war; obgleich aber das Stückchen so minutiös klein war, konnte doch keine Verminderung der Grösze wahrgenommen werden. Wir können daher schlieszen, dasz das Secret Stärke nicht auflösen kann. Die Zu- nahme der Absonderung unter der Einwirkung dieser Substanz kann, wie ich vermuthe, der Exosmose zugeschrieben werden. Ich bin aber über- rascht, dasz Stärke so schnell und so kräftig einwirkt, wennschon in einem geringeren Grade als Zucker. Es ist bekannt, dasz Colloide ein unbedeutendes Vermögen der Dialyse besitzen; als die Blätter einer Primula in Wasser, andere in Zuckerlösung und diffundirte Stärke gelegt wurden, wurden diejenigen in der Stärke welk, aber in einem geringeren Grade und in einem viel langsameren Tempo welk als die Blätter in der Zuckerlösung; die im Wasser blieben die ganze Zeit über frisch. Aus den vorstehenden Versuchen und Beobachtungen ersehen wir. Cap. 16. Absonderung, Absorption und Verdauung. Stunden war ein beträchtlicher Zuflusz da, welcher in 24 Stunden so be-deutend zunahm, dasz er bis in eine Entfernung von ¾ Zoll das Blatt hinablief. Dies Secret war, trotzdem es in solcher Menge erschien, nicht im mindesten sauer. Da es so reichlich erregt wurde, und da Samen nicht selten an Blättern von natürlich wachsenden Pflanzen anhängend gefunden werden, so kam mir der Gedanke, dasz die Drüsen vielleicht das Vermögen haben könnten, ein Ferment, ähnlich dem Ptyalin, abzusondern, welches im Stande ist, Stärke aufzulösen; ich beobachtete demgemäsz sorgfältig die oben erwähnten sechs Stärkestückchen während mehrerer Tage; sie schienen aber im Umfang nicht im mindesten reducirt zu wer- den. Es wurde auch ein Stückchen zwei Tage lang in einem kleinen Tümpel von Secret gelassen, welches von einem Stück Spinatblatt abge- flossen war; obgleich aber das Stückchen so minutiös klein war, konnte doch keine Verminderung der Grösze wahrgenommen werden. Wir können daher schlieszen, dasz das Secret Stärke nicht auflösen kann. Die Zu- nahme der Absonderung unter der Einwirkung dieser Substanz kann, wie ich vermuthe, der Exosmose zugeschrieben werden. Ich bin aber über- rascht, dasz Stärke so schnell und so kräftig einwirkt, wennschon in einem geringeren Grade als Zucker. Es ist bekannt, dasz Colloide ein unbedeutendes Vermögen der Dialyse besitzen; als die Blätter einer Primula in Wasser, andere in Zuckerlösung und diffundirte Stärke gelegt wurden, wurden diejenigen in der Stärke welk, aber in einem geringeren Grade und in einem viel langsameren Tempo welk als die Blätter in der Zuckerlösung; die im Wasser blieben die ganze Zeit über frisch. Aus den vorstehenden Versuchen und Beobachtungen ersehen wir. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0365" n="351"/><fw place="top" type="header">Cap. 16. Absonderung, Absorption und Verdauung.</fw><lb/> Stunden war ein beträchtlicher Zuflusz da, welcher in 24 Stunden so be-<lb/> deutend zunahm, dasz er bis in eine Entfernung von ¾ Zoll das Blatt<lb/> hinablief. Dies Secret war, trotzdem es in solcher Menge erschien, nicht<lb/> im mindesten sauer. Da es so reichlich erregt wurde, und da Samen<lb/> nicht selten an Blättern von natürlich wachsenden Pflanzen anhängend<lb/> gefunden werden, so kam mir der Gedanke, dasz die Drüsen vielleicht das<lb/> Vermögen haben könnten, ein Ferment, ähnlich dem Ptyalin, abzusondern,<lb/> welches im Stande ist, Stärke aufzulösen; ich beobachtete demgemäsz<lb/> sorgfältig die oben erwähnten sechs Stärkestückchen während mehrerer<lb/> Tage; sie schienen aber im Umfang nicht im mindesten reducirt zu wer-<lb/> den. Es wurde auch ein Stückchen zwei Tage lang in einem kleinen<lb/> Tümpel von Secret gelassen, welches von einem Stück Spinatblatt abge-<lb/> flossen war; obgleich aber das Stückchen so minutiös klein war, konnte<lb/> doch keine Verminderung der Grösze wahrgenommen werden. Wir können<lb/> daher schlieszen, dasz das Secret Stärke nicht auflösen kann. Die Zu-<lb/> nahme der Absonderung unter der Einwirkung dieser Substanz kann, wie<lb/> ich vermuthe, der Exosmose zugeschrieben werden. Ich bin aber über-<lb/> rascht, dasz Stärke so schnell und so kräftig einwirkt, wennschon in<lb/> einem geringeren Grade als Zucker. Es ist bekannt, dasz Colloide ein<lb/> unbedeutendes Vermögen der Dialyse besitzen; als die Blätter einer<lb/><hi rendition="#i">Primula</hi> in Wasser, andere in Zuckerlösung und diffundirte Stärke gelegt<lb/> wurden, wurden diejenigen in der Stärke welk, aber in einem geringeren<lb/> Grade und in einem viel langsameren Tempo welk als die Blätter in der<lb/> Zuckerlösung; die im Wasser blieben die ganze Zeit über frisch.</p><lb/> <p>Aus den vorstehenden Versuchen und Beobachtungen ersehen wir.<lb/> dasz Gegenstände, welche keine lösliche animale Substanz enthalten,<lb/> wenig oder gar keine Kraft haben, die Drüsen zur Absonderung an-<lb/> zuregen. Nichtstickstoffhaltige Flüssigkeiten bewirken, wenn sie dicht<lb/> sind, dasz die Drüsen eine grosze Menge klebriger Flüssigkeit ergieszen,<lb/> dieselbe ist aber nicht im mindesten sauer. Andererseits ist das von<lb/> Drüsen, welche durch die Berührung mit stickstoffhaltigen festen<lb/> Körpern oder Flüssigkeiten gereizt sind, ausgehende Secret ausnahms-<lb/> los sauer und so reichlich, dasz es häufig die Blätter hinabläuft und<lb/> sich innerhalb der naturgemäsz eingerollten Ränder ansammelt. Das<lb/> Secret in diesem Zustande hat die Fähigkeit, die Muskeln von Insec-<lb/> ten, Fleisch, Knorpel, Eiweisz, Faserstoff, Gelatine und Casëin, wie es<lb/> in den geronnenen Theilen der Milch existirt, schnell aufzulösen, d. h.<lb/> zu verdauen. Die Drüsen werden durch chemisch präparirtes Casëin<lb/> und durch Leim stark gereizt; es werden aber diese Substanzen (und<lb/> zwar die letztere, wenn sie nicht in schwacher Salzsäure eingeweicht<lb/> ist) nur theilweise aufgelöst, was gleichfalls bei der <hi rendition="#i">Drosera</hi> der Fall<lb/> ist. Wenn das Secret animale Substanz in Lösung enthält, mag die-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [351/0365]
Cap. 16. Absonderung, Absorption und Verdauung.
Stunden war ein beträchtlicher Zuflusz da, welcher in 24 Stunden so be-
deutend zunahm, dasz er bis in eine Entfernung von ¾ Zoll das Blatt
hinablief. Dies Secret war, trotzdem es in solcher Menge erschien, nicht
im mindesten sauer. Da es so reichlich erregt wurde, und da Samen
nicht selten an Blättern von natürlich wachsenden Pflanzen anhängend
gefunden werden, so kam mir der Gedanke, dasz die Drüsen vielleicht das
Vermögen haben könnten, ein Ferment, ähnlich dem Ptyalin, abzusondern,
welches im Stande ist, Stärke aufzulösen; ich beobachtete demgemäsz
sorgfältig die oben erwähnten sechs Stärkestückchen während mehrerer
Tage; sie schienen aber im Umfang nicht im mindesten reducirt zu wer-
den. Es wurde auch ein Stückchen zwei Tage lang in einem kleinen
Tümpel von Secret gelassen, welches von einem Stück Spinatblatt abge-
flossen war; obgleich aber das Stückchen so minutiös klein war, konnte
doch keine Verminderung der Grösze wahrgenommen werden. Wir können
daher schlieszen, dasz das Secret Stärke nicht auflösen kann. Die Zu-
nahme der Absonderung unter der Einwirkung dieser Substanz kann, wie
ich vermuthe, der Exosmose zugeschrieben werden. Ich bin aber über-
rascht, dasz Stärke so schnell und so kräftig einwirkt, wennschon in
einem geringeren Grade als Zucker. Es ist bekannt, dasz Colloide ein
unbedeutendes Vermögen der Dialyse besitzen; als die Blätter einer
Primula in Wasser, andere in Zuckerlösung und diffundirte Stärke gelegt
wurden, wurden diejenigen in der Stärke welk, aber in einem geringeren
Grade und in einem viel langsameren Tempo welk als die Blätter in der
Zuckerlösung; die im Wasser blieben die ganze Zeit über frisch.
Aus den vorstehenden Versuchen und Beobachtungen ersehen wir.
dasz Gegenstände, welche keine lösliche animale Substanz enthalten,
wenig oder gar keine Kraft haben, die Drüsen zur Absonderung an-
zuregen. Nichtstickstoffhaltige Flüssigkeiten bewirken, wenn sie dicht
sind, dasz die Drüsen eine grosze Menge klebriger Flüssigkeit ergieszen,
dieselbe ist aber nicht im mindesten sauer. Andererseits ist das von
Drüsen, welche durch die Berührung mit stickstoffhaltigen festen
Körpern oder Flüssigkeiten gereizt sind, ausgehende Secret ausnahms-
los sauer und so reichlich, dasz es häufig die Blätter hinabläuft und
sich innerhalb der naturgemäsz eingerollten Ränder ansammelt. Das
Secret in diesem Zustande hat die Fähigkeit, die Muskeln von Insec-
ten, Fleisch, Knorpel, Eiweisz, Faserstoff, Gelatine und Casëin, wie es
in den geronnenen Theilen der Milch existirt, schnell aufzulösen, d. h.
zu verdauen. Die Drüsen werden durch chemisch präparirtes Casëin
und durch Leim stark gereizt; es werden aber diese Substanzen (und
zwar die letztere, wenn sie nicht in schwacher Salzsäure eingeweicht
ist) nur theilweise aufgelöst, was gleichfalls bei der Drosera der Fall
ist. Wenn das Secret animale Substanz in Lösung enthält, mag die-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |