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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 15. über die Droseraceen.
um nun noch zu verstehen, wie in dieser letzteren Gattung nicht
blosz die randständigen, sondern auch alle inneren Tentakeln der Be-
wegung fähig geworden sind, müssen wir noch weiter annehmen, ent-
weder dasz dies Vermögen nach dem Principe der correlativen Ent-
wickelung auf die basalen Theile der Haare übertragen wurde, oder
dasz die Oberfläche des Blattes an zahlreichen Punkten in Verlänger-
ungen ausgezogen worden ist, so dasz sie sich mit den Haaren ver-
band und damit die Basen der inneren Tentakeln bildete.

Die oben genannten drei Gattungen, nämlich Drosophyllum,
Roridula
und Byblis, welche einen ursprünglichen Zustand beibehal-
ten zu haben scheinen, tragen noch immer drüsige Haare auf beiden
Oberflächen ihrer Blätter; aber die an der untern Fläche sind seitdem
in den höher entwickelten Gattungen verschwunden, mit theilweiser
Ausnahme einer Species, Drosera binata. Die kleinen sessilen Drüsen
sind gleichfalls in einigen der Gattungen verschwunden; bei Roridula
sind sie durch Haare und in den meisten Species von Drosera durch
absorbirende Papillen ersetzt. Drosera binata findet sich mit ihren
linearen und sich gablig theilenden Blättern auf einem intermediären
Zustande. Sie trägt noch einige sitzende Drüsen auf beiden Flächen
der Blätter und auf der untern Fläche einige wenige unregelmäszig
gestellte Tentakeln, welche nicht fähig sind, sich zu bewegen. Eine
weitere unbedeutende Veränderung würde die linearen Blätter dieser
letztern Art in die oblongen Blätter der Drosera anglica verwandeln,
und diese dürften dann leicht in kreisförmige mit Stielen übergehen,
wie die der Drosera rotundifolia. Die Blattstiele dieser letztern
Species tragen vielzellige Haare, von denen wir guten Grund haben
anzunehmen, dasz sie fehlgeschlagene Tentakeln repräsentiren.

Die Stammform der Dionaea und Aldrovanda scheint mit Dro-
sera
nahe verwandt gewesen zu sein, und runde, auf deutlichen Stielen
getragene, und rings um ihren ganzen Umfang mit Tentakeln ver-
sehene Blätter besessen zu haben, welche letztere auch auf der oberen
Fläche noch andere Tentakeln und sessile Drüsen gehabt haben. Ich
glaube dies deshalb, weil die randständigen Spitzen der Dionaea dem
Anscheine nach die äuszersten randständigen Tentakeln, die sechs (zu-
weilen acht) empfindlichen Filamente auf der oberen Blattfläche, ebenso
wie die zahlreicheren bei Aldrovanda, die centralen Tentakeln der
Drosera repräsentiren, deren Drüsen zwar fehlgeschlagen sind, deren
Empfindlichkeit aber erhalten worden ist. Von diesem Gesichtspunkte

Cap. 15. über die Droseraceen.
um nun noch zu verstehen, wie in dieser letzteren Gattung nicht
blosz die randständigen, sondern auch alle inneren Tentakeln der Be-
wegung fähig geworden sind, müssen wir noch weiter annehmen, ent-
weder dasz dies Vermögen nach dem Principe der correlativen Ent-
wickelung auf die basalen Theile der Haare übertragen wurde, oder
dasz die Oberfläche des Blattes an zahlreichen Punkten in Verlänger-
ungen ausgezogen worden ist, so dasz sie sich mit den Haaren ver-
band und damit die Basen der inneren Tentakeln bildete.

Die oben genannten drei Gattungen, nämlich Drosophyllum,
Roridula
und Byblis, welche einen ursprünglichen Zustand beibehal-
ten zu haben scheinen, tragen noch immer drüsige Haare auf beiden
Oberflächen ihrer Blätter; aber die an der untern Fläche sind seitdem
in den höher entwickelten Gattungen verschwunden, mit theilweiser
Ausnahme einer Species, Drosera binata. Die kleinen sessilen Drüsen
sind gleichfalls in einigen der Gattungen verschwunden; bei Roridula
sind sie durch Haare und in den meisten Species von Drosera durch
absorbirende Papillen ersetzt. Drosera binata findet sich mit ihren
linearen und sich gablig theilenden Blättern auf einem intermediären
Zustande. Sie trägt noch einige sitzende Drüsen auf beiden Flächen
der Blätter und auf der untern Fläche einige wenige unregelmäszig
gestellte Tentakeln, welche nicht fähig sind, sich zu bewegen. Eine
weitere unbedeutende Veränderung würde die linearen Blätter dieser
letztern Art in die oblongen Blätter der Drosera anglica verwandeln,
und diese dürften dann leicht in kreisförmige mit Stielen übergehen,
wie die der Drosera rotundifolia. Die Blattstiele dieser letztern
Species tragen vielzellige Haare, von denen wir guten Grund haben
anzunehmen, dasz sie fehlgeschlagene Tentakeln repräsentiren.

Die Stammform der Dionaea und Aldrovanda scheint mit Dro-
sera
nahe verwandt gewesen zu sein, und runde, auf deutlichen Stielen
getragene, und rings um ihren ganzen Umfang mit Tentakeln ver-
sehene Blätter besessen zu haben, welche letztere auch auf der oberen
Fläche noch andere Tentakeln und sessile Drüsen gehabt haben. Ich
glaube dies deshalb, weil die randständigen Spitzen der Dionaea dem
Anscheine nach die äuszersten randständigen Tentakeln, die sechs (zu-
weilen acht) empfindlichen Filamente auf der oberen Blattfläche, ebenso
wie die zahlreicheren bei Aldrovanda, die centralen Tentakeln der
Drosera repräsentiren, deren Drüsen zwar fehlgeschlagen sind, deren
Empfindlichkeit aber erhalten worden ist. Von diesem Gesichtspunkte

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[325/0339] Cap. 15. über die Droseraceen. um nun noch zu verstehen, wie in dieser letzteren Gattung nicht blosz die randständigen, sondern auch alle inneren Tentakeln der Be- wegung fähig geworden sind, müssen wir noch weiter annehmen, ent- weder dasz dies Vermögen nach dem Principe der correlativen Ent- wickelung auf die basalen Theile der Haare übertragen wurde, oder dasz die Oberfläche des Blattes an zahlreichen Punkten in Verlänger- ungen ausgezogen worden ist, so dasz sie sich mit den Haaren ver- band und damit die Basen der inneren Tentakeln bildete. Die oben genannten drei Gattungen, nämlich Drosophyllum, Roridula und Byblis, welche einen ursprünglichen Zustand beibehal- ten zu haben scheinen, tragen noch immer drüsige Haare auf beiden Oberflächen ihrer Blätter; aber die an der untern Fläche sind seitdem in den höher entwickelten Gattungen verschwunden, mit theilweiser Ausnahme einer Species, Drosera binata. Die kleinen sessilen Drüsen sind gleichfalls in einigen der Gattungen verschwunden; bei Roridula sind sie durch Haare und in den meisten Species von Drosera durch absorbirende Papillen ersetzt. Drosera binata findet sich mit ihren linearen und sich gablig theilenden Blättern auf einem intermediären Zustande. Sie trägt noch einige sitzende Drüsen auf beiden Flächen der Blätter und auf der untern Fläche einige wenige unregelmäszig gestellte Tentakeln, welche nicht fähig sind, sich zu bewegen. Eine weitere unbedeutende Veränderung würde die linearen Blätter dieser letztern Art in die oblongen Blätter der Drosera anglica verwandeln, und diese dürften dann leicht in kreisförmige mit Stielen übergehen, wie die der Drosera rotundifolia. Die Blattstiele dieser letztern Species tragen vielzellige Haare, von denen wir guten Grund haben anzunehmen, dasz sie fehlgeschlagene Tentakeln repräsentiren. Die Stammform der Dionaea und Aldrovanda scheint mit Dro- sera nahe verwandt gewesen zu sein, und runde, auf deutlichen Stielen getragene, und rings um ihren ganzen Umfang mit Tentakeln ver- sehene Blätter besessen zu haben, welche letztere auch auf der oberen Fläche noch andere Tentakeln und sessile Drüsen gehabt haben. Ich glaube dies deshalb, weil die randständigen Spitzen der Dionaea dem Anscheine nach die äuszersten randständigen Tentakeln, die sechs (zu- weilen acht) empfindlichen Filamente auf der oberen Blattfläche, ebenso wie die zahlreicheren bei Aldrovanda, die centralen Tentakeln der Drosera repräsentiren, deren Drüsen zwar fehlgeschlagen sind, deren Empfindlichkeit aber erhalten worden ist. Von diesem Gesichtspunkte

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/339>, abgerufen am 23.11.2024.