von den äuszeren Drüsen klebendes Insect durch die Bewegung ihrer Tentakeln nach der Blattmitte geschafft; bei Drosophyllum wird dies durch das Weiterkriechen des Insects bewirkt, da es wegen der Be- lastung seiner Flügel mit Secret nicht fortfliegen kann.
Es besteht noch eine andere Verschiedenheit in der Function zwischen den Drüsen dieser beiden Pflanzen; wir wissen, dasz die Drüsen der Drosera reichlicher absondern, wenn sie gehörig gereizt werden. Als aber minutiöse Theilchen von kohlensaurem Ammoniak Tropfen einer Lösung dieses Salzes oder des salpetersauren Ammoniaks, Speichel, kleine Insecten, Stückchen rohen oder gerösteten Fleisches, Eiweisz, Fibrin oder Knorpel, ebenso wie anorganische Körperchen, auf die Drüsen von Drosophyllum gelegt wurden, schien die Menge des Secrets niemals auch nur im mindesten vermehrt zu werden. Da Insecten gewöhnlich nicht an den längeren Drüsen hängen bleiben, sondern deren Secret abziehn, so können wir einsehn, dasz es für sie von geringem Nutzen wäre, wenn sie die Gewohnheit erlangt hätten, nach einer Reizung reichlich abzusondern, während dies bei Drosera von Nutzen ist, diese Gewohnheit auch erlangt worden ist. Nichts- destoweniger fahren doch die Drüsen von Drosophyllum, ohne gereizt zu werden, beständig fort zu secerniren, so dasz sie den durch Ver- dunstung eintretenden Verlust ersetzen. Als daher eine Pflanze unter eine kleine Glasglocke gestellt wurde, deren innere Flüche ebenso wie der Träger ordentlich befeuchtet wurde, trat kein Verlust durch Ver- dunstung ein und es sammelte sich im Laufe eines Tages so viel Secret an, dasz es die Tentakeln hinablief und grosze Stellen auf den Blättern bedeckte.
Die Drüsen, denen die obengenannten stickstoffhaltigen Substanzen gegeben wurden, sonderten, wie eben angeführt wurde, nicht reich- licher ab; im Gegentheil absorbirten sie die Tropfen ihres eigenen Secrets mit überraschender Schnelligkeit. Stückchen von feuchtem Faserstoff wurden auf fünf Drüsen gelegt, und als nach einer Zwi- schenzeit von 1 Stunde 12 Minuten wieder nach ihnen gesehen wurde, war das Fibrin beinahe trocken, da das Secret ganz absorbirt worden war. Dasselbe war mit drei Eiweiszwürfeln nach 1 Stunde 19 Minu- ten und mit vier andern Würfeln der Fall, doch wurde nach diesen letztern nicht eher nachgesehn als bis 2 Stunden 15 Minuten ver- flossen waren. Dasselbe Resultat erfolgte in 1 Stunde 15 Minuten bis 1 Stunde 30 Minuten, als Stückchen sowohl von Knorpel als auch
Cap. 15. Absonderung.
von den äuszeren Drüsen klebendes Insect durch die Bewegung ihrer Tentakeln nach der Blattmitte geschafft; bei Drosophyllum wird dies durch das Weiterkriechen des Insects bewirkt, da es wegen der Be- lastung seiner Flügel mit Secret nicht fortfliegen kann.
Es besteht noch eine andere Verschiedenheit in der Function zwischen den Drüsen dieser beiden Pflanzen; wir wissen, dasz die Drüsen der Drosera reichlicher absondern, wenn sie gehörig gereizt werden. Als aber minutiöse Theilchen von kohlensaurem Ammoniak Tropfen einer Lösung dieses Salzes oder des salpetersauren Ammoniaks, Speichel, kleine Insecten, Stückchen rohen oder gerösteten Fleisches, Eiweisz, Fibrin oder Knorpel, ebenso wie anorganische Körperchen, auf die Drüsen von Drosophyllum gelegt wurden, schien die Menge des Secrets niemals auch nur im mindesten vermehrt zu werden. Da Insecten gewöhnlich nicht an den längeren Drüsen hängen bleiben, sondern deren Secret abziehn, so können wir einsehn, dasz es für sie von geringem Nutzen wäre, wenn sie die Gewohnheit erlangt hätten, nach einer Reizung reichlich abzusondern, während dies bei Drosera von Nutzen ist, diese Gewohnheit auch erlangt worden ist. Nichts- destoweniger fahren doch die Drüsen von Drosophyllum, ohne gereizt zu werden, beständig fort zu secerniren, so dasz sie den durch Ver- dunstung eintretenden Verlust ersetzen. Als daher eine Pflanze unter eine kleine Glasglocke gestellt wurde, deren innere Flüche ebenso wie der Träger ordentlich befeuchtet wurde, trat kein Verlust durch Ver- dunstung ein und es sammelte sich im Laufe eines Tages so viel Secret an, dasz es die Tentakeln hinablief und grosze Stellen auf den Blättern bedeckte.
Die Drüsen, denen die obengenannten stickstoffhaltigen Substanzen gegeben wurden, sonderten, wie eben angeführt wurde, nicht reich- licher ab; im Gegentheil absorbirten sie die Tropfen ihres eigenen Secrets mit überraschender Schnelligkeit. Stückchen von feuchtem Faserstoff wurden auf fünf Drüsen gelegt, und als nach einer Zwi- schenzeit von 1 Stunde 12 Minuten wieder nach ihnen gesehen wurde, war das Fibrin beinahe trocken, da das Secret ganz absorbirt worden war. Dasselbe war mit drei Eiweiszwürfeln nach 1 Stunde 19 Minu- ten und mit vier andern Würfeln der Fall, doch wurde nach diesen letztern nicht eher nachgesehn als bis 2 Stunden 15 Minuten ver- flossen waren. Dasselbe Resultat erfolgte in 1 Stunde 15 Minuten bis 1 Stunde 30 Minuten, als Stückchen sowohl von Knorpel als auch
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Cap. 15. Absonderung.
von den äuszeren Drüsen klebendes Insect durch die Bewegung ihrer
Tentakeln nach der Blattmitte geschafft; bei Drosophyllum wird dies
durch das Weiterkriechen des Insects bewirkt, da es wegen der Be-
lastung seiner Flügel mit Secret nicht fortfliegen kann.
Es besteht noch eine andere Verschiedenheit in der Function
zwischen den Drüsen dieser beiden Pflanzen; wir wissen, dasz die
Drüsen der Drosera reichlicher absondern, wenn sie gehörig gereizt
werden. Als aber minutiöse Theilchen von kohlensaurem Ammoniak
Tropfen einer Lösung dieses Salzes oder des salpetersauren Ammoniaks,
Speichel, kleine Insecten, Stückchen rohen oder gerösteten Fleisches,
Eiweisz, Fibrin oder Knorpel, ebenso wie anorganische Körperchen,
auf die Drüsen von Drosophyllum gelegt wurden, schien die Menge
des Secrets niemals auch nur im mindesten vermehrt zu werden. Da
Insecten gewöhnlich nicht an den längeren Drüsen hängen bleiben,
sondern deren Secret abziehn, so können wir einsehn, dasz es für sie
von geringem Nutzen wäre, wenn sie die Gewohnheit erlangt hätten,
nach einer Reizung reichlich abzusondern, während dies bei Drosera
von Nutzen ist, diese Gewohnheit auch erlangt worden ist. Nichts-
destoweniger fahren doch die Drüsen von Drosophyllum, ohne gereizt
zu werden, beständig fort zu secerniren, so dasz sie den durch Ver-
dunstung eintretenden Verlust ersetzen. Als daher eine Pflanze unter
eine kleine Glasglocke gestellt wurde, deren innere Flüche ebenso wie
der Träger ordentlich befeuchtet wurde, trat kein Verlust durch Ver-
dunstung ein und es sammelte sich im Laufe eines Tages so viel
Secret an, dasz es die Tentakeln hinablief und grosze Stellen auf den
Blättern bedeckte.
Die Drüsen, denen die obengenannten stickstoffhaltigen Substanzen
gegeben wurden, sonderten, wie eben angeführt wurde, nicht reich-
licher ab; im Gegentheil absorbirten sie die Tropfen ihres eigenen
Secrets mit überraschender Schnelligkeit. Stückchen von feuchtem
Faserstoff wurden auf fünf Drüsen gelegt, und als nach einer Zwi-
schenzeit von 1 Stunde 12 Minuten wieder nach ihnen gesehen wurde,
war das Fibrin beinahe trocken, da das Secret ganz absorbirt worden
war. Dasselbe war mit drei Eiweiszwürfeln nach 1 Stunde 19 Minu-
ten und mit vier andern Würfeln der Fall, doch wurde nach diesen
letztern nicht eher nachgesehn als bis 2 Stunden 15 Minuten ver-
flossen waren. Dasselbe Resultat erfolgte in 1 Stunde 15 Minuten
bis 1 Stunde 30 Minuten, als Stückchen sowohl von Knorpel als auch
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/317>, abgerufen am 27.11.2024.
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