Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.Cnp. 14. Aldrovanda vesiculosa. platteten, durchsichtigen Spitzen mit breiten Basen, gleich den Sta-cheln am Stamme eines Brombeerstrauches oder Rubus. Da der Rand eingebogen ist, so sind diese Spitzen nach der Mittelrippe zugerichtet und es scheint zuerst, als seien sie dazu angepaszt, das Entkommen der Beute zu verhindern; aber dies kann kaum ihre hauptsächliche Thätigkeit sein, denn sie bestehen aus sehr zarter und stark biegsamer Membran, welche leicht gebogen oder ganz zurückgefaltet werden kann, ohne zerbrochen zu werden. Demungeachtet müssen die ein- gebognen Ränder mit den Spitzen zusammen die rückgängige Be- wegung irgend eines kleinen Geschöpfes verhindern, so bald die Lap- pen sich zu schlieszen anfangen. Der peripherische Theil des Blattes der Aldrovanda weicht hiernach sehr von dem der Dionaea ab; auch können die Spitzen auf dem Rande nicht mit den Speichen oder Spitzen rings um die Blätter der Dionaea für homolog gehalten werden, da diese letzteren Verlängerungen der Blattscheibe und nicht blosze Producte der Epidermis sind. Sie scheinen also einem ganz verschie- denen Zwecke zu dienen. Auf dem concaven drüsentragenden Theil des Lappens und be- Die Pflanzen, welche ich in der ersten Hälfte des Oktober aus Ein Blatt wurde entlang der Mittelrippe aufgeschnitten und die Cnp. 14. Aldrovanda vesiculosa. platteten, durchsichtigen Spitzen mit breiten Basen, gleich den Sta-cheln am Stamme eines Brombeerstrauches oder Rubus. Da der Rand eingebogen ist, so sind diese Spitzen nach der Mittelrippe zugerichtet und es scheint zuerst, als seien sie dazu angepaszt, das Entkommen der Beute zu verhindern; aber dies kann kaum ihre hauptsächliche Thätigkeit sein, denn sie bestehen aus sehr zarter und stark biegsamer Membran, welche leicht gebogen oder ganz zurückgefaltet werden kann, ohne zerbrochen zu werden. Demungeachtet müssen die ein- gebognen Ränder mit den Spitzen zusammen die rückgängige Be- wegung irgend eines kleinen Geschöpfes verhindern, so bald die Lap- pen sich zu schlieszen anfangen. Der peripherische Theil des Blattes der Aldrovanda weicht hiernach sehr von dem der Dionaea ab; auch können die Spitzen auf dem Rande nicht mit den Speichen oder Spitzen rings um die Blätter der Dionaea für homolog gehalten werden, da diese letzteren Verlängerungen der Blattscheibe und nicht blosze Producte der Epidermis sind. Sie scheinen also einem ganz verschie- denen Zwecke zu dienen. Auf dem concaven drüsentragenden Theil des Lappens und be- Die Pflanzen, welche ich in der ersten Hälfte des Oktober aus Ein Blatt wurde entlang der Mittelrippe aufgeschnitten und die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0307" n="293"/><fw place="top" type="header">Cnp. 14. Aldrovanda vesiculosa.</fw><lb/> platteten, durchsichtigen Spitzen mit breiten Basen, gleich den Sta-<lb/> cheln am Stamme eines Brombeerstrauches oder <hi rendition="#i">Rubus.</hi> Da der Rand<lb/> eingebogen ist, so sind diese Spitzen nach der Mittelrippe zugerichtet<lb/> und es scheint zuerst, als seien sie dazu angepaszt, das Entkommen<lb/> der Beute zu verhindern; aber dies kann kaum ihre hauptsächliche<lb/> Thätigkeit sein, denn sie bestehen aus sehr zarter und stark biegsamer<lb/> Membran, welche leicht gebogen oder ganz zurückgefaltet werden<lb/> kann, ohne zerbrochen zu werden. 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Cnp. 14. Aldrovanda vesiculosa.
platteten, durchsichtigen Spitzen mit breiten Basen, gleich den Sta-
cheln am Stamme eines Brombeerstrauches oder Rubus. Da der Rand
eingebogen ist, so sind diese Spitzen nach der Mittelrippe zugerichtet
und es scheint zuerst, als seien sie dazu angepaszt, das Entkommen
der Beute zu verhindern; aber dies kann kaum ihre hauptsächliche
Thätigkeit sein, denn sie bestehen aus sehr zarter und stark biegsamer
Membran, welche leicht gebogen oder ganz zurückgefaltet werden
kann, ohne zerbrochen zu werden. Demungeachtet müssen die ein-
gebognen Ränder mit den Spitzen zusammen die rückgängige Be-
wegung irgend eines kleinen Geschöpfes verhindern, so bald die Lap-
pen sich zu schlieszen anfangen. Der peripherische Theil des Blattes
der Aldrovanda weicht hiernach sehr von dem der Dionaea ab; auch
können die Spitzen auf dem Rande nicht mit den Speichen oder Spitzen
rings um die Blätter der Dionaea für homolog gehalten werden, da
diese letzteren Verlängerungen der Blattscheibe und nicht blosze
Producte der Epidermis sind. Sie scheinen also einem ganz verschie-
denen Zwecke zu dienen.
Auf dem concaven drüsentragenden Theil des Lappens und be-
sonders auf der Mittelrippe sind zahlreiche lange, fein zugespitzte
Haare, welche, wie Prof. Cohn bemerkt, ohne Zweifel gegen Berüh-
rung empfindlich sind, und, wenn berührt, es verursachen, dasz das
Blatt sich schlieszt. Sie werden von zwei Reihen Zellen gebildet,
oder, wie Cohn sagt, manchmal von vier, und enthalten kein Gefäsz-
gewebe. Sie weichen auch von den sechs empfindlichen Filamenten
der Dionaea dadurch ab, dasz sie farblos sind, und ebenso wohl eine
mittlere als eine basale Articulation haben. Ohne Zweifel verdanken
sie es diesen zwei Gelenken, dasz sie trotz ihrer Länge dem Zer-
brechen beim Schlieszen der Lappen entgehen.
Die Pflanzen, welche ich in der ersten Hälfte des Oktober aus
Kew erhielt, öffneten niemals ihre Blätter, obgleich sie einer hohen
Temperatur ausgesetzt wurden. Nachdem ich die Structur von eini-
gen derselben untersucht hatte, experimentirte ich nur an zweien, da
ich hoffte, die Pflanzen würden wachsen; und ich bedaure nun, dasz
ich nicht eine gröszere Anzahl geopfert habe.
Ein Blatt wurde entlang der Mittelrippe aufgeschnitten und die
Drüsen unter starker Vergröszerung untersucht. Es wurde darauf
in einige wenige Tropfen eines Aufgusses von rohem Fleisch gethan.
Nach 3 Stunden 20 Minuten hatte noch keine Veränderung stattge-
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