getriebenen Keil, mit erstaunlicher Kraft, und werden meist eher durchbrochen, als dasz sie nachgäben. Werden sie nicht gebrochen, so schlieszen sie sich, wie mir Dr. Canby in einem Briefe mittheilt, "mit einem förmlichen lauten Schlage." Wenn aber das Ende eines Blattes fest zwischen Daumen und Zeigefinger oder von einem Klemmer gehalten wird, so dasz die Lappen nicht anfangen können sich zu schlieszen, so äuszern sie, während sie sich in dieser Lage befinden, sehr wenig Kraft.
Ich glaubte zuerst, dasz das allmähliche Gegeneinanderdrücken der Lappen ausschlieszlich durch gefangene Insecten verursacht würde, welche über die empfindlichen Filamente wegkröchen und sie wieder- holt reizten; diese Ansicht schien mir um so wahrscheinlicher zu sein, als ich von Dr. Burdon Sanderson hörte, dasz, sobald die Fila- mente eines geschlossenen Blattes gereizt würden, der normale elek- trische Strom gestört würde. Es ist aber trotzdem eine solche Rei- zung durchaus nicht nothwendig, denn ein todtes Insect, oder ein Stückchen Fleisch oder Eiweisz, alles wirkt gleichmäszig gut; es wird dadurch bewiesen, dasz es in diesen Fällen die Absorption von ani- maler Substanz ist, welche die Lappen reizt, sich langsam gegen ein- ander zu drücken. Wir haben gesehen, dasz die Absorption einer äuszerst geringen Quantität solcher Substanz es auch bewirkt, dasz sich ein vollständig ausgebreitetes Blatt langsam schlieszt; und diese Bewegung ist dem langsamen Gegeneinanderdrücken der concaven Lappen offenbar analog. Diese letztere Thätigkeit ist für die Pflanze von hoher functioneller Bedeutung, denn es werden dadurch die Drü- sen auf beiden Seiten mit einem gefangenen Insect in Berührung gebracht, und in Folge dessen sondern sie ab. Das Secret, welches nun animale Substanz gelöst enthält, wird dann durch Capillar- attraction über die ganze Fläche des Blattes gezogen, veranlaszt alle Drüsen abzusondern und läszt sie die diffundirte animale Substanz aufsaugen. Die durch die Absorption derartiger Substanz angeregte Bewegung ist zwar langsam, aber doch für ihren endlichen Zweck ausreichend, während die durch die Berührung eines der empfind- lichen Filamente angeregte Bewegung rapid ist; und dies ist zum Fangen von Insecten ganz unentbehrlich. Diese beiden, durch zwei weit von einander verschiedene Mittel angeregten Bewegungen sind daher, wie alle übrigen Functionen der Pflanze, jede in ihrer Art den Zwecken, welchen sie dienen, gut angepaszt.
Cap. 13. Art Insecten zu fangen.
getriebenen Keil, mit erstaunlicher Kraft, und werden meist eher durchbrochen, als dasz sie nachgäben. Werden sie nicht gebrochen, so schlieszen sie sich, wie mir Dr. Canby in einem Briefe mittheilt, „mit einem förmlichen lauten Schlage.‟ Wenn aber das Ende eines Blattes fest zwischen Daumen und Zeigefinger oder von einem Klemmer gehalten wird, so dasz die Lappen nicht anfangen können sich zu schlieszen, so äuszern sie, während sie sich in dieser Lage befinden, sehr wenig Kraft.
Ich glaubte zuerst, dasz das allmähliche Gegeneinanderdrücken der Lappen ausschlieszlich durch gefangene Insecten verursacht würde, welche über die empfindlichen Filamente wegkröchen und sie wieder- holt reizten; diese Ansicht schien mir um so wahrscheinlicher zu sein, als ich von Dr. Burdon Sanderson hörte, dasz, sobald die Fila- mente eines geschlossenen Blattes gereizt würden, der normale elek- trische Strom gestört würde. Es ist aber trotzdem eine solche Rei- zung durchaus nicht nothwendig, denn ein todtes Insect, oder ein Stückchen Fleisch oder Eiweisz, alles wirkt gleichmäszig gut; es wird dadurch bewiesen, dasz es in diesen Fällen die Absorption von ani- maler Substanz ist, welche die Lappen reizt, sich langsam gegen ein- ander zu drücken. Wir haben gesehen, dasz die Absorption einer äuszerst geringen Quantität solcher Substanz es auch bewirkt, dasz sich ein vollständig ausgebreitetes Blatt langsam schlieszt; und diese Bewegung ist dem langsamen Gegeneinanderdrücken der concaven Lappen offenbar analog. Diese letztere Thätigkeit ist für die Pflanze von hoher functioneller Bedeutung, denn es werden dadurch die Drü- sen auf beiden Seiten mit einem gefangenen Insect in Berührung gebracht, und in Folge dessen sondern sie ab. Das Secret, welches nun animale Substanz gelöst enthält, wird dann durch Capillar- attraction über die ganze Fläche des Blattes gezogen, veranlaszt alle Drüsen abzusondern und läszt sie die diffundirte animale Substanz aufsaugen. Die durch die Absorption derartiger Substanz angeregte Bewegung ist zwar langsam, aber doch für ihren endlichen Zweck ausreichend, während die durch die Berührung eines der empfind- lichen Filamente angeregte Bewegung rapid ist; und dies ist zum Fangen von Insecten ganz unentbehrlich. Diese beiden, durch zwei weit von einander verschiedene Mittel angeregten Bewegungen sind daher, wie alle übrigen Functionen der Pflanze, jede in ihrer Art den Zwecken, welchen sie dienen, gut angepaszt.
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Cap. 13. Art Insecten zu fangen.
getriebenen Keil, mit erstaunlicher Kraft, und werden meist eher
durchbrochen, als dasz sie nachgäben. Werden sie nicht gebrochen,
so schlieszen sie sich, wie mir Dr. Canby in einem Briefe mittheilt,
„mit einem förmlichen lauten Schlage.‟ Wenn aber das Ende eines
Blattes fest zwischen Daumen und Zeigefinger oder von einem Klemmer
gehalten wird, so dasz die Lappen nicht anfangen können sich zu
schlieszen, so äuszern sie, während sie sich in dieser Lage befinden,
sehr wenig Kraft.
Ich glaubte zuerst, dasz das allmähliche Gegeneinanderdrücken
der Lappen ausschlieszlich durch gefangene Insecten verursacht würde,
welche über die empfindlichen Filamente wegkröchen und sie wieder-
holt reizten; diese Ansicht schien mir um so wahrscheinlicher zu
sein, als ich von Dr. Burdon Sanderson hörte, dasz, sobald die Fila-
mente eines geschlossenen Blattes gereizt würden, der normale elek-
trische Strom gestört würde. Es ist aber trotzdem eine solche Rei-
zung durchaus nicht nothwendig, denn ein todtes Insect, oder ein
Stückchen Fleisch oder Eiweisz, alles wirkt gleichmäszig gut; es wird
dadurch bewiesen, dasz es in diesen Fällen die Absorption von ani-
maler Substanz ist, welche die Lappen reizt, sich langsam gegen ein-
ander zu drücken. Wir haben gesehen, dasz die Absorption einer
äuszerst geringen Quantität solcher Substanz es auch bewirkt, dasz
sich ein vollständig ausgebreitetes Blatt langsam schlieszt; und diese
Bewegung ist dem langsamen Gegeneinanderdrücken der concaven
Lappen offenbar analog. Diese letztere Thätigkeit ist für die Pflanze
von hoher functioneller Bedeutung, denn es werden dadurch die Drü-
sen auf beiden Seiten mit einem gefangenen Insect in Berührung
gebracht, und in Folge dessen sondern sie ab. Das Secret, welches
nun animale Substanz gelöst enthält, wird dann durch Capillar-
attraction über die ganze Fläche des Blattes gezogen, veranlaszt alle
Drüsen abzusondern und läszt sie die diffundirte animale Substanz
aufsaugen. Die durch die Absorption derartiger Substanz angeregte
Bewegung ist zwar langsam, aber doch für ihren endlichen Zweck
ausreichend, während die durch die Berührung eines der empfind-
lichen Filamente angeregte Bewegung rapid ist; und dies ist zum
Fangen von Insecten ganz unentbehrlich. Diese beiden, durch zwei
weit von einander verschiedene Mittel angeregten Bewegungen sind
daher, wie alle übrigen Functionen der Pflanze, jede in ihrer Art
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/293>, abgerufen am 23.07.2024.
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