rissen, die dann über das ganze Blatt verstreut liegen bleiben. Nach vollständigem Wiederausstrecken fangen die Drüsen schnell wieder an abzusondern, und sobald Tropfen von gehöriger Grösze gebildet sind, sind die Tentakeln fähig, einen neuen Gegenstand zu umfassen.
Wenn ein Insect sich auf der mittleren Scheibe niederläszt, so wird es augenblicklich von der klebrigen Absonderung verwickelt und die umgebenden Tentakeln fangen nach einiger Zeit an, sich zu biegen und umschlingen es endlich von allen Seiten. Gewöhnlich werden In- secten, wie Dr. Nitschke angibt, in einer Viertelstunde getödtet und zwar in Folge davon, dasz ihre Tracheen durch die Absonderung ver- schlossen werden. Wenn ein Insect nur einigen Drüsen der äuszeren Tentakeln anklebt, so werden diese bald eingebogen und bringen ihre Beute zu den Tentakeln, die ihnen am Nächsten nach innen folgen; diese biegen sich dann einwärts und so geht es fort, bis das Insect endlich durch eine sonderbare Art von rollender Bewegung in die Mitte des Blattes geschafft worden ist. Dann werden nach Verlauf einiger Zeit die Tentakeln von allen Seiten eingebogen und tauchen die Beute in ihre Absonderung ein, in derselben Art, als ob das Insect sich gleich zuerst auf der mittleren Scheibe niedergelassen hätte. Es ist über- raschend, ein wie kleines Insect schon genügend ist, diese Handlung zu verursachen; z. B. habe ich eine der kleinsten Arten Mücken (Culex) gesehen, die sich gerade mit ihren auszerordentlich zarten Füszchen auf die Drüsen der äuszersten Tentakeln gesetzt hatte; diese fiengen schon an, sich nach innen zu biegen, obgleich noch keine ein- zige Drüse bis jetzt den Körper des Insects berührt hatte. Wäre ich nicht dazwischen gekommen, so würde diese kleine Mücke ganz gewisz in die Mitte des Blattes gebracht und von allen Seiten sicher um- schlungen worden sein. Wir werden späterhin sehen, was für auszer- ordentlich kleine Dosen von gewissen organischen Flüssigkeiten und salzigen Lösungen eine stark ausgesprochene Einbiegung verursachen.
Ob die Insecten sich nun durch bloszen Zufall auf den Blättern niederlassen, als auf einem Ruheplatz, oder ob sie durch den Geruch der Absonderung angezogen werden, weisz ich nicht. Ich vermuthe wegen der groszen Anzahl Insecten, die von den englischen Species der Drosera gefangen werden, und nachdem, was ich an tropischen Species, die in meinem Gewächshaus gehalten wurden, beobachtet habe, dasz der Geruch anziehend ist. In diesem letzten Fall können die Blätter mit einer Köder enthaltenden Falle verglichen werden, in dem
Drosera rotundifolia. Cap. 1.
rissen, die dann über das ganze Blatt verstreut liegen bleiben. Nach vollständigem Wiederausstrecken fangen die Drüsen schnell wieder an abzusondern, und sobald Tropfen von gehöriger Grösze gebildet sind, sind die Tentakeln fähig, einen neuen Gegenstand zu umfassen.
Wenn ein Insect sich auf der mittleren Scheibe niederläszt, so wird es augenblicklich von der klebrigen Absonderung verwickelt und die umgebenden Tentakeln fangen nach einiger Zeit an, sich zu biegen und umschlingen es endlich von allen Seiten. Gewöhnlich werden In- secten, wie Dr. Nitschke angibt, in einer Viertelstunde getödtet und zwar in Folge davon, dasz ihre Tracheen durch die Absonderung ver- schlossen werden. Wenn ein Insect nur einigen Drüsen der äuszeren Tentakeln anklebt, so werden diese bald eingebogen und bringen ihre Beute zu den Tentakeln, die ihnen am Nächsten nach innen folgen; diese biegen sich dann einwärts und so geht es fort, bis das Insect endlich durch eine sonderbare Art von rollender Bewegung in die Mitte des Blattes geschafft worden ist. Dann werden nach Verlauf einiger Zeit die Tentakeln von allen Seiten eingebogen und tauchen die Beute in ihre Absonderung ein, in derselben Art, als ob das Insect sich gleich zuerst auf der mittleren Scheibe niedergelassen hätte. Es ist über- raschend, ein wie kleines Insect schon genügend ist, diese Handlung zu verursachen; z. B. habe ich eine der kleinsten Arten Mücken (Culex) gesehen, die sich gerade mit ihren auszerordentlich zarten Füszchen auf die Drüsen der äuszersten Tentakeln gesetzt hatte; diese fiengen schon an, sich nach innen zu biegen, obgleich noch keine ein- zige Drüse bis jetzt den Körper des Insects berührt hatte. Wäre ich nicht dazwischen gekommen, so würde diese kleine Mücke ganz gewisz in die Mitte des Blattes gebracht und von allen Seiten sicher um- schlungen worden sein. Wir werden späterhin sehen, was für auszer- ordentlich kleine Dosen von gewissen organischen Flüssigkeiten und salzigen Lösungen eine stark ausgesprochene Einbiegung verursachen.
Ob die Insecten sich nun durch bloszen Zufall auf den Blättern niederlassen, als auf einem Ruheplatz, oder ob sie durch den Geruch der Absonderung angezogen werden, weisz ich nicht. Ich vermuthe wegen der groszen Anzahl Insecten, die von den englischen Species der Drosera gefangen werden, und nachdem, was ich an tropischen Species, die in meinem Gewächshaus gehalten wurden, beobachtet habe, dasz der Geruch anziehend ist. In diesem letzten Fall können die Blätter mit einer Köder enthaltenden Falle verglichen werden, in dem
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[14/0028]
Drosera rotundifolia. Cap. 1.
rissen, die dann über das ganze Blatt verstreut liegen bleiben. Nach
vollständigem Wiederausstrecken fangen die Drüsen schnell wieder an
abzusondern, und sobald Tropfen von gehöriger Grösze gebildet sind,
sind die Tentakeln fähig, einen neuen Gegenstand zu umfassen.
Wenn ein Insect sich auf der mittleren Scheibe niederläszt, so
wird es augenblicklich von der klebrigen Absonderung verwickelt und
die umgebenden Tentakeln fangen nach einiger Zeit an, sich zu biegen
und umschlingen es endlich von allen Seiten. Gewöhnlich werden In-
secten, wie Dr. Nitschke angibt, in einer Viertelstunde getödtet und
zwar in Folge davon, dasz ihre Tracheen durch die Absonderung ver-
schlossen werden. Wenn ein Insect nur einigen Drüsen der äuszeren
Tentakeln anklebt, so werden diese bald eingebogen und bringen ihre
Beute zu den Tentakeln, die ihnen am Nächsten nach innen folgen;
diese biegen sich dann einwärts und so geht es fort, bis das Insect
endlich durch eine sonderbare Art von rollender Bewegung in die Mitte
des Blattes geschafft worden ist. Dann werden nach Verlauf einiger
Zeit die Tentakeln von allen Seiten eingebogen und tauchen die Beute
in ihre Absonderung ein, in derselben Art, als ob das Insect sich gleich
zuerst auf der mittleren Scheibe niedergelassen hätte. Es ist über-
raschend, ein wie kleines Insect schon genügend ist, diese Handlung
zu verursachen; z. B. habe ich eine der kleinsten Arten Mücken
(Culex) gesehen, die sich gerade mit ihren auszerordentlich zarten
Füszchen auf die Drüsen der äuszersten Tentakeln gesetzt hatte; diese
fiengen schon an, sich nach innen zu biegen, obgleich noch keine ein-
zige Drüse bis jetzt den Körper des Insects berührt hatte. Wäre ich
nicht dazwischen gekommen, so würde diese kleine Mücke ganz gewisz
in die Mitte des Blattes gebracht und von allen Seiten sicher um-
schlungen worden sein. Wir werden späterhin sehen, was für auszer-
ordentlich kleine Dosen von gewissen organischen Flüssigkeiten und
salzigen Lösungen eine stark ausgesprochene Einbiegung verursachen.
Ob die Insecten sich nun durch bloszen Zufall auf den Blättern
niederlassen, als auf einem Ruheplatz, oder ob sie durch den Geruch
der Absonderung angezogen werden, weisz ich nicht. Ich vermuthe
wegen der groszen Anzahl Insecten, die von den englischen Species
der Drosera gefangen werden, und nachdem, was ich an tropischen
Species, die in meinem Gewächshaus gehalten wurden, beobachtet habe,
dasz der Geruch anziehend ist. In diesem letzten Fall können die
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/28>, abgerufen am 31.01.2025.
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