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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 13. Empfindlichkeit der Filamente.
blicklich zu purpurartigen oder farblosen, unregelmäszig geformten
Massen von Substanz zusammengeballt. Der Procesz der Zusammen-
ballung gieng allmählich von Zelle zu Zelle die Filamente hinauf bis
zu ihren Spitzen; das ist also ein umgekehrter Lauf, verglichen mit
dem, der in den Tentakeln der Drosera vorkommt, wenn sie gereizt
worden sind. Mehrere andere Filamente wurden dicht an ihrer Basis
abgeschnitten und 1 Stunde 30 Minuten lang in eine schwächere
Lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 218 Theile
Wasser gelegt; und dies verursachte Zusammenballung in allen Zellen,
wieder wie vorher an den Basen der Filamente beginnend.

Langes Eintauchen der Filamente in destillirtes Wasser verursacht
gleichfalls Zusammenballung. Es ist auch nicht selten, den Inhalt
einiger wenigen endständigen Zellen in einem von selbst eingetretenen
Zustand der Zusammenballung zu finden. Die zusammengeballten
Massen erleiden unablässig langsame Formveränderungen, vereinigen
sich und trennen sich wieder; und einige von ihnen drehen sich allem
Anscheine nach rund um ihre eigene Achse. Es ist auch das Flieszen
eines Stroms farblosen körnigen Protoplasmas rund um die Zellen den
Wänden entlang zu sehen. Dieser Strom hört auf, sichtbar zu sein,
sobald der Inhalt gut zusammengeballt ist; er dauert aber wahr-
scheinlich noch fort, obschon nicht länger mehr sichtbar, weil alle
Körnchen in der strömenden Schicht sich mit den centralen Massen
vereinigt haben. In allen diesen Beziehungen verhalten sich die
Filamente der Dionaea genau so wie die Tentakeln der Drosera.

Trotz dieser Ähnlichkeit besteht doch eine merkwürdige Ver-
schiedenheit. Wenn die Drüsen der Tentakeln der Drosera wiederholt
berührt worden sind oder wenn ein Körperchen irgend welcher Art auf
sie gelegt worden ist, so werden sie eingebogen und ihr Zelleninhalt
wird stark zusammengeballt. Keine solche Wirkung wird durch die
Berührung der Filamente der Dionaea hervorgebracht; ich verglich
nach einer oder zwei Stunden einige Filamente, welche berührt wor-
den waren, mit andern, welche es nicht waren, und noch andere nach
25 Stunden, und es fand sich in dem Inhalte der Zellen keine Ver-
schiedenheit. Die Blätter wurden während der ganzen Zeit durch
Klemmer offen gehalten, so dasz die Filamente nicht gegen den Lappen
der anderen Seite angepreszt wurden.

Wassertropfen oder ein dünner, unterbrochener, aus einer gewissen
Höhe auf die Filamente herabfallender Strom verursachte keinen

Cap. 13. Empfindlichkeit der Filamente.
blicklich zu purpurartigen oder farblosen, unregelmäszig geformten
Massen von Substanz zusammengeballt. Der Procesz der Zusammen-
ballung gieng allmählich von Zelle zu Zelle die Filamente hinauf bis
zu ihren Spitzen; das ist also ein umgekehrter Lauf, verglichen mit
dem, der in den Tentakeln der Drosera vorkommt, wenn sie gereizt
worden sind. Mehrere andere Filamente wurden dicht an ihrer Basis
abgeschnitten und 1 Stunde 30 Minuten lang in eine schwächere
Lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 218 Theile
Wasser gelegt; und dies verursachte Zusammenballung in allen Zellen,
wieder wie vorher an den Basen der Filamente beginnend.

Langes Eintauchen der Filamente in destillirtes Wasser verursacht
gleichfalls Zusammenballung. Es ist auch nicht selten, den Inhalt
einiger wenigen endständigen Zellen in einem von selbst eingetretenen
Zustand der Zusammenballung zu finden. Die zusammengeballten
Massen erleiden unablässig langsame Formveränderungen, vereinigen
sich und trennen sich wieder; und einige von ihnen drehen sich allem
Anscheine nach rund um ihre eigene Achse. Es ist auch das Flieszen
eines Stroms farblosen körnigen Protoplasmas rund um die Zellen den
Wänden entlang zu sehen. Dieser Strom hört auf, sichtbar zu sein,
sobald der Inhalt gut zusammengeballt ist; er dauert aber wahr-
scheinlich noch fort, obschon nicht länger mehr sichtbar, weil alle
Körnchen in der strömenden Schicht sich mit den centralen Massen
vereinigt haben. In allen diesen Beziehungen verhalten sich die
Filamente der Dionaea genau so wie die Tentakeln der Drosera.

Trotz dieser Ähnlichkeit besteht doch eine merkwürdige Ver-
schiedenheit. Wenn die Drüsen der Tentakeln der Drosera wiederholt
berührt worden sind oder wenn ein Körperchen irgend welcher Art auf
sie gelegt worden ist, so werden sie eingebogen und ihr Zelleninhalt
wird stark zusammengeballt. Keine solche Wirkung wird durch die
Berührung der Filamente der Dionaea hervorgebracht; ich verglich
nach einer oder zwei Stunden einige Filamente, welche berührt wor-
den waren, mit andern, welche es nicht waren, und noch andere nach
25 Stunden, und es fand sich in dem Inhalte der Zellen keine Ver-
schiedenheit. Die Blätter wurden während der ganzen Zeit durch
Klemmer offen gehalten, so dasz die Filamente nicht gegen den Lappen
der anderen Seite angepreszt wurden.

Wassertropfen oder ein dünner, unterbrochener, aus einer gewissen
Höhe auf die Filamente herabfallender Strom verursachte keinen

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[263/0277] Cap. 13. Empfindlichkeit der Filamente. blicklich zu purpurartigen oder farblosen, unregelmäszig geformten Massen von Substanz zusammengeballt. Der Procesz der Zusammen- ballung gieng allmählich von Zelle zu Zelle die Filamente hinauf bis zu ihren Spitzen; das ist also ein umgekehrter Lauf, verglichen mit dem, der in den Tentakeln der Drosera vorkommt, wenn sie gereizt worden sind. Mehrere andere Filamente wurden dicht an ihrer Basis abgeschnitten und 1 Stunde 30 Minuten lang in eine schwächere Lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 218 Theile Wasser gelegt; und dies verursachte Zusammenballung in allen Zellen, wieder wie vorher an den Basen der Filamente beginnend. Langes Eintauchen der Filamente in destillirtes Wasser verursacht gleichfalls Zusammenballung. Es ist auch nicht selten, den Inhalt einiger wenigen endständigen Zellen in einem von selbst eingetretenen Zustand der Zusammenballung zu finden. Die zusammengeballten Massen erleiden unablässig langsame Formveränderungen, vereinigen sich und trennen sich wieder; und einige von ihnen drehen sich allem Anscheine nach rund um ihre eigene Achse. Es ist auch das Flieszen eines Stroms farblosen körnigen Protoplasmas rund um die Zellen den Wänden entlang zu sehen. Dieser Strom hört auf, sichtbar zu sein, sobald der Inhalt gut zusammengeballt ist; er dauert aber wahr- scheinlich noch fort, obschon nicht länger mehr sichtbar, weil alle Körnchen in der strömenden Schicht sich mit den centralen Massen vereinigt haben. In allen diesen Beziehungen verhalten sich die Filamente der Dionaea genau so wie die Tentakeln der Drosera. Trotz dieser Ähnlichkeit besteht doch eine merkwürdige Ver- schiedenheit. Wenn die Drüsen der Tentakeln der Drosera wiederholt berührt worden sind oder wenn ein Körperchen irgend welcher Art auf sie gelegt worden ist, so werden sie eingebogen und ihr Zelleninhalt wird stark zusammengeballt. Keine solche Wirkung wird durch die Berührung der Filamente der Dionaea hervorgebracht; ich verglich nach einer oder zwei Stunden einige Filamente, welche berührt wor- den waren, mit andern, welche es nicht waren, und noch andere nach 25 Stunden, und es fand sich in dem Inhalte der Zellen keine Ver- schiedenheit. Die Blätter wurden während der ganzen Zeit durch Klemmer offen gehalten, so dasz die Filamente nicht gegen den Lappen der anderen Seite angepreszt wurden. Wassertropfen oder ein dünner, unterbrochener, aus einer gewissen Höhe auf die Filamente herabfallender Strom verursachte keinen

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/277>, abgerufen am 27.11.2024.