Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.
sind die Drüsen in dieser Weise gereizt, dann schicken sie irgend
einen andern Einflusz zurück, (der weder von vermehrter Absonderung
noch von der Einbiegung der Tentakeln abhängt), welcher die Zu-
sammenballung des Protoplasma in Zelle unter Zelle verursacht. Dies
mag eine Reflexthätigkeit genannt werden, obschon sie wahrscheinlich
von der von einem Nervenganglion eines Thieres ausgehenden sehr
verschieden ist; es ist auch der einzige bekannte Fall einer Reflex-
thätigkeit im Pflanzenreich.

Über den Mechanismus der Bewegungen und die Natur des mo-
torischen Impulses wissen wir sehr wenig. Während des Actes der
Einbiegung läuft sicherlich Flüssigkeit von einem Theile der Ten-
takeln zu anderen. Aber die Hypothese, welche am besten mit den
beobachteten Thatsachen übereinstimmt ist die, dasz der motorische
Impuls seiner Natur nach mit dem Procesz der Zusammenballung
verwandt ist, und dasz hiernach die Molekule der Zellwandungen sich
einander zu nähern veranlaszt werden, in derselben Weise wie es die
Molekule des Protoplasma innerhalb der Zellen thun, so dasz sich die
Zellwände zusammenziehn. Aber einige starke Einwendungen können
gegen diese Ansicht erhoben werden. Das Wiederausstrecken der
Tentakeln ist zum groszen Theile Folge der Elasticität ihrer äuszeren
Zellen, welche in Thätigkeit tritt, sobald die Zellen auf der inneren
Seite aufhören, sich mit überwiegender Kraft zusammenzuziehn; wir
haben aber Grund zu vermuthen, dasz während des Actes der Wieder-
ausstreckung die äuszeren Zellen beständig und langsam Flüssigkeit
anziehn und dadurch ihre Spannung vermehren.

Ich habe nun eine kurze Recapitulation der hauptsächlichsten
von mir in Bezug auf die Structur, die Bewegungen, Constitution und
Gewohnheiten der Drosera rotundifolia beobachteten Punkte gegeben;
wir sehen daraus, wie wenig ermittelt ist in Vergleich zu dem, was
noch unerklärt und unbekannt bleibt.



Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.
sind die Drüsen in dieser Weise gereizt, dann schicken sie irgend
einen andern Einflusz zurück, (der weder von vermehrter Absonderung
noch von der Einbiegung der Tentakeln abhängt), welcher die Zu-
sammenballung des Protoplasma in Zelle unter Zelle verursacht. Dies
mag eine Reflexthätigkeit genannt werden, obschon sie wahrscheinlich
von der von einem Nervenganglion eines Thieres ausgehenden sehr
verschieden ist; es ist auch der einzige bekannte Fall einer Reflex-
thätigkeit im Pflanzenreich.

Über den Mechanismus der Bewegungen und die Natur des mo-
torischen Impulses wissen wir sehr wenig. Während des Actes der
Einbiegung läuft sicherlich Flüssigkeit von einem Theile der Ten-
takeln zu anderen. Aber die Hypothese, welche am besten mit den
beobachteten Thatsachen übereinstimmt ist die, dasz der motorische
Impuls seiner Natur nach mit dem Procesz der Zusammenballung
verwandt ist, und dasz hiernach die Molekule der Zellwandungen sich
einander zu nähern veranlaszt werden, in derselben Weise wie es die
Molekule des Protoplasma innerhalb der Zellen thun, so dasz sich die
Zellwände zusammenziehn. Aber einige starke Einwendungen können
gegen diese Ansicht erhoben werden. Das Wiederausstrecken der
Tentakeln ist zum groszen Theile Folge der Elasticität ihrer äuszeren
Zellen, welche in Thätigkeit tritt, sobald die Zellen auf der inneren
Seite aufhören, sich mit überwiegender Kraft zusammenzuziehn; wir
haben aber Grund zu vermuthen, dasz während des Actes der Wieder-
ausstreckung die äuszeren Zellen beständig und langsam Flüssigkeit
anziehn und dadurch ihre Spannung vermehren.

Ich habe nun eine kurze Recapitulation der hauptsächlichsten
von mir in Bezug auf die Structur, die Bewegungen, Constitution und
Gewohnheiten der Drosera rotundifolia beobachteten Punkte gegeben;
wir sehen daraus, wie wenig ermittelt ist in Vergleich zu dem, was
noch unerklärt und unbekannt bleibt.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0265" n="251"/><fw place="top" type="header">Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung.</fw><lb/>
sind die Drüsen in dieser Weise gereizt, dann schicken sie irgend<lb/>
einen andern Einflusz zurück, (der weder von vermehrter Absonderung<lb/>
noch von der Einbiegung der Tentakeln abhängt), welcher die Zu-<lb/>
sammenballung des Protoplasma in Zelle unter Zelle verursacht. Dies<lb/>
mag eine Reflexthätigkeit genannt werden, obschon sie wahrscheinlich<lb/>
von der von einem Nervenganglion eines Thieres ausgehenden sehr<lb/>
verschieden ist; es ist auch der einzige bekannte Fall einer Reflex-<lb/>
thätigkeit im Pflanzenreich.</p><lb/>
        <p>Über den Mechanismus der Bewegungen und die Natur des mo-<lb/>
torischen Impulses wissen wir sehr wenig. Während des Actes der<lb/>
Einbiegung läuft sicherlich Flüssigkeit von einem Theile der Ten-<lb/>
takeln zu anderen. Aber die Hypothese, welche am besten mit den<lb/>
beobachteten Thatsachen übereinstimmt ist die, dasz der motorische<lb/>
Impuls seiner Natur nach mit dem Procesz der Zusammenballung<lb/>
verwandt ist, und dasz hiernach die Molekule der Zellwandungen sich<lb/>
einander zu nähern veranlaszt werden, in derselben Weise wie es die<lb/>
Molekule des Protoplasma innerhalb der Zellen thun, so dasz sich die<lb/>
Zellwände zusammenziehn. Aber einige starke Einwendungen können<lb/>
gegen diese Ansicht erhoben werden. Das Wiederausstrecken der<lb/>
Tentakeln ist zum groszen Theile Folge der Elasticität ihrer äuszeren<lb/>
Zellen, welche in Thätigkeit tritt, sobald die Zellen auf der inneren<lb/>
Seite aufhören, sich mit überwiegender Kraft zusammenzuziehn; wir<lb/>
haben aber Grund zu vermuthen, dasz während des Actes der Wieder-<lb/>
ausstreckung die äuszeren Zellen beständig und langsam Flüssigkeit<lb/>
anziehn und dadurch ihre Spannung vermehren.</p><lb/>
        <p>Ich habe nun eine kurze Recapitulation der hauptsächlichsten<lb/>
von mir in Bezug auf die Structur, die Bewegungen, Constitution und<lb/>
Gewohnheiten der <hi rendition="#i">Drosera rotundifolia</hi> beobachteten Punkte gegeben;<lb/>
wir sehen daraus, wie wenig ermittelt ist in Vergleich zu dem, was<lb/>
noch unerklärt und unbekannt bleibt.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0265] Cap. 11. Allgemeine Zusammenfassung. sind die Drüsen in dieser Weise gereizt, dann schicken sie irgend einen andern Einflusz zurück, (der weder von vermehrter Absonderung noch von der Einbiegung der Tentakeln abhängt), welcher die Zu- sammenballung des Protoplasma in Zelle unter Zelle verursacht. Dies mag eine Reflexthätigkeit genannt werden, obschon sie wahrscheinlich von der von einem Nervenganglion eines Thieres ausgehenden sehr verschieden ist; es ist auch der einzige bekannte Fall einer Reflex- thätigkeit im Pflanzenreich. Über den Mechanismus der Bewegungen und die Natur des mo- torischen Impulses wissen wir sehr wenig. Während des Actes der Einbiegung läuft sicherlich Flüssigkeit von einem Theile der Ten- takeln zu anderen. Aber die Hypothese, welche am besten mit den beobachteten Thatsachen übereinstimmt ist die, dasz der motorische Impuls seiner Natur nach mit dem Procesz der Zusammenballung verwandt ist, und dasz hiernach die Molekule der Zellwandungen sich einander zu nähern veranlaszt werden, in derselben Weise wie es die Molekule des Protoplasma innerhalb der Zellen thun, so dasz sich die Zellwände zusammenziehn. Aber einige starke Einwendungen können gegen diese Ansicht erhoben werden. Das Wiederausstrecken der Tentakeln ist zum groszen Theile Folge der Elasticität ihrer äuszeren Zellen, welche in Thätigkeit tritt, sobald die Zellen auf der inneren Seite aufhören, sich mit überwiegender Kraft zusammenzuziehn; wir haben aber Grund zu vermuthen, dasz während des Actes der Wieder- ausstreckung die äuszeren Zellen beständig und langsam Flüssigkeit anziehn und dadurch ihre Spannung vermehren. Ich habe nun eine kurze Recapitulation der hauptsächlichsten von mir in Bezug auf die Structur, die Bewegungen, Constitution und Gewohnheiten der Drosera rotundifolia beobachteten Punkte gegeben; wir sehen daraus, wie wenig ermittelt ist in Vergleich zu dem, was noch unerklärt und unbekannt bleibt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/265
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/265>, abgerufen am 27.11.2024.