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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 10. Die leitenden Gewebe.
klären, dasz man annimmt, die Übermittelung werde durch die zwei
Zusammenmündungen oder durch die am Blattumfang hinziehende
Zickzacklinie der Gefäszverbindungen bewirkt; denn wäre dies der
Fall gewesen, so würden die äuszeren Tentakeln auf der gegenüber-
liegenden Seite der Scheibe eher als die centraleren afficirt worden
sein, was niemals vorkam. Wir haben auch gesehen, dasz die äuszer-
sten randständigen Tentakeln die Fähigkeit nicht zu besitzen scheinen,
einen Impuls den benachbarten Tentakeln zu übermitteln; und doch
gibt das kleine Bündel von Gefäszen, welches in jeden randständigen
Tentakel eintritt, einen äuszerst kleinen Zweig an die zu beiden
Seiten ab, und dies habe ich bei keinen andern Tentakeln beob-
achtet. Es sind daher die randständigen Tentakeln inniger durch
Spiralgefäsze mit einander in Zusammenhang als die übrigen, und
doch haben sie viel weniger Fähigkeit, einen motorischen Impuls
einander mitzutheilen.

Aber auszer diesen verschiedenen Thatsachen und Argumenten
haben wir noch bündige Beweise, dasz der motorische Impuls wenig-
stens nicht ausschlieszlich durch die Spiralgefäsze oder durch das
dieselbe unmittelbar umgebende Gewebe fortgeleitet wird. Wir wissen,
dasz, wenn ein Stückchen Fleisch auf eine Drüse (nach Entfernung
der unmittelbar benachbarten) auf irgend einem Theile der Scheibe
gebracht wird, sich alle die kurzen umgebenden Tentakeln beinahe
gleichzeitig mit groszer Präcision nach ihm hin biegen. Nun gibt
es Tentakeln auf der Scheibe, z. B. in der Nähe der Enden der sub-
lateralen Gefäszbündel (Fig. 11), welche mit Gefäszen versehen wer-
den, die nicht mit den in die umgebenden Tentakeln eintretenden
Zweigen, ausgenommen durch einen sehr langen und äuszerst um-
schweifigen Verlauf, in Berührung kommen. Wenn ein Stückchen
Fleisch auf die Drüse eines Tentakels dieser Art gelegt wird, so wer-
den sämmtliche umgebende nichtsdestoweniger mit groszer Präcision
nach ihm hin eingebogen. Es ist natürlich möglich, dasz ein Impuls
auf einem langen und weiten Umwege fortgeleitet werden kann, es
ist aber offenbar unmöglich, dasz hierdurch die Richtung der Be-
wegung mitgetheilt werden könnte, so dasz alle umgebenden Tentakeln
genau nach dem Punkte der Reizung sich biegen müszten. Der Im-
puls wird ohne Zweifel in geraden strahlenförmig ausgehenden Linien
von der gereizten Drüse nach den umgebenden Tentakeln übermittelt;
er kann daher nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet werden. Die

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Cap. 10. Die leitenden Gewebe.
klären, dasz man annimmt, die Übermittelung werde durch die zwei
Zusammenmündungen oder durch die am Blattumfang hinziehende
Zickzacklinie der Gefäszverbindungen bewirkt; denn wäre dies der
Fall gewesen, so würden die äuszeren Tentakeln auf der gegenüber-
liegenden Seite der Scheibe eher als die centraleren afficirt worden
sein, was niemals vorkam. Wir haben auch gesehen, dasz die äuszer-
sten randständigen Tentakeln die Fähigkeit nicht zu besitzen scheinen,
einen Impuls den benachbarten Tentakeln zu übermitteln; und doch
gibt das kleine Bündel von Gefäszen, welches in jeden randständigen
Tentakel eintritt, einen äuszerst kleinen Zweig an die zu beiden
Seiten ab, und dies habe ich bei keinen andern Tentakeln beob-
achtet. Es sind daher die randständigen Tentakeln inniger durch
Spiralgefäsze mit einander in Zusammenhang als die übrigen, und
doch haben sie viel weniger Fähigkeit, einen motorischen Impuls
einander mitzutheilen.

Aber auszer diesen verschiedenen Thatsachen und Argumenten
haben wir noch bündige Beweise, dasz der motorische Impuls wenig-
stens nicht ausschlieszlich durch die Spiralgefäsze oder durch das
dieselbe unmittelbar umgebende Gewebe fortgeleitet wird. Wir wissen,
dasz, wenn ein Stückchen Fleisch auf eine Drüse (nach Entfernung
der unmittelbar benachbarten) auf irgend einem Theile der Scheibe
gebracht wird, sich alle die kurzen umgebenden Tentakeln beinahe
gleichzeitig mit groszer Präcision nach ihm hin biegen. Nun gibt
es Tentakeln auf der Scheibe, z. B. in der Nähe der Enden der sub-
lateralen Gefäszbündel (Fig. 11), welche mit Gefäszen versehen wer-
den, die nicht mit den in die umgebenden Tentakeln eintretenden
Zweigen, ausgenommen durch einen sehr langen und äuszerst um-
schweifigen Verlauf, in Berührung kommen. Wenn ein Stückchen
Fleisch auf die Drüse eines Tentakels dieser Art gelegt wird, so wer-
den sämmtliche umgebende nichtsdestoweniger mit groszer Präcision
nach ihm hin eingebogen. Es ist natürlich möglich, dasz ein Impuls
auf einem langen und weiten Umwege fortgeleitet werden kann, es
ist aber offenbar unmöglich, dasz hierdurch die Richtung der Be-
wegung mitgetheilt werden könnte, so dasz alle umgebenden Tentakeln
genau nach dem Punkte der Reizung sich biegen müszten. Der Im-
puls wird ohne Zweifel in geraden strahlenförmig ausgehenden Linien
von der gereizten Drüse nach den umgebenden Tentakeln übermittelt;
er kann daher nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet werden. Die

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[227/0241] Cap. 10. Die leitenden Gewebe. klären, dasz man annimmt, die Übermittelung werde durch die zwei Zusammenmündungen oder durch die am Blattumfang hinziehende Zickzacklinie der Gefäszverbindungen bewirkt; denn wäre dies der Fall gewesen, so würden die äuszeren Tentakeln auf der gegenüber- liegenden Seite der Scheibe eher als die centraleren afficirt worden sein, was niemals vorkam. Wir haben auch gesehen, dasz die äuszer- sten randständigen Tentakeln die Fähigkeit nicht zu besitzen scheinen, einen Impuls den benachbarten Tentakeln zu übermitteln; und doch gibt das kleine Bündel von Gefäszen, welches in jeden randständigen Tentakel eintritt, einen äuszerst kleinen Zweig an die zu beiden Seiten ab, und dies habe ich bei keinen andern Tentakeln beob- achtet. Es sind daher die randständigen Tentakeln inniger durch Spiralgefäsze mit einander in Zusammenhang als die übrigen, und doch haben sie viel weniger Fähigkeit, einen motorischen Impuls einander mitzutheilen. Aber auszer diesen verschiedenen Thatsachen und Argumenten haben wir noch bündige Beweise, dasz der motorische Impuls wenig- stens nicht ausschlieszlich durch die Spiralgefäsze oder durch das dieselbe unmittelbar umgebende Gewebe fortgeleitet wird. Wir wissen, dasz, wenn ein Stückchen Fleisch auf eine Drüse (nach Entfernung der unmittelbar benachbarten) auf irgend einem Theile der Scheibe gebracht wird, sich alle die kurzen umgebenden Tentakeln beinahe gleichzeitig mit groszer Präcision nach ihm hin biegen. Nun gibt es Tentakeln auf der Scheibe, z. B. in der Nähe der Enden der sub- lateralen Gefäszbündel (Fig. 11), welche mit Gefäszen versehen wer- den, die nicht mit den in die umgebenden Tentakeln eintretenden Zweigen, ausgenommen durch einen sehr langen und äuszerst um- schweifigen Verlauf, in Berührung kommen. Wenn ein Stückchen Fleisch auf die Drüse eines Tentakels dieser Art gelegt wird, so wer- den sämmtliche umgebende nichtsdestoweniger mit groszer Präcision nach ihm hin eingebogen. Es ist natürlich möglich, dasz ein Impuls auf einem langen und weiten Umwege fortgeleitet werden kann, es ist aber offenbar unmöglich, dasz hierdurch die Richtung der Be- wegung mitgetheilt werden könnte, so dasz alle umgebenden Tentakeln genau nach dem Punkte der Reizung sich biegen müszten. Der Im- puls wird ohne Zweifel in geraden strahlenförmig ausgehenden Linien von der gereizten Drüse nach den umgebenden Tentakeln übermittelt; er kann daher nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet werden. Die 15*

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/241>, abgerufen am 28.11.2024.