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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 10
dem Punkte der Reizung hin biegen, wie es die centraleren thun.
Die gehörig gerichtete Bewegung der Tentakeln ist kein einzeln da-
stehender Fall im Pflanzenreich, denn die Ranken vieler Pflanzen
krümmen sich nach der Seite hin, welche berührt wird; der Fall mit
der Drosera ist aber bei weitem interessanter, da hier die Tentakeln
nicht direct gereizt werden, sondern einen Impuls von einem entfern-
ten Punkte her erhalten; nichtsdestoweniger biegen sie sich genau
nach diesem Punkte hin.

Über die Natur der Gewebe, durch welche der moto-
rische Impuls übermittelt wird.
-- Es wird nothwendig
sein, zuerst kurz den Verlauf der hauptsächlichen Gefäszbündel (Fibro-
vasalstränge) zu beschreiben. Diese sind
in der beistehenden Skizze eines kleinen
Blattes dargestellt (Fig. 11). Kleine Ge-
fäsze treten von den benachbarten Bündeln
aus in alle die vielen Tentakeln ein, mit
denen die Oberfläche bedeckt ist; diese
sind aber hier nicht wiedergegeben. Der
mittlere Stamm, welcher den Stiel hinauf-
läuft, theilt sich in der Nähe der Mitte
des Blattes gabelförmig, und jeder Zweig
gabelt sich wieder und wieder entsprechend
der Grösze des Blattes. Tief unten gibt
dieser centrale Stamm an jeder Seite einen
zarten Zweig ab, welche der sublaterale
Zweig genannt werden kann. Es findet
[Abbildung] Fig. 11. (Drosera rotundifolia.)
Schematische Darstellung der Ver-
breitung der Gefäszbündel in einem
kleinen Blatte.
sich auf jeder Seite ein Hauptseitenzweig
oder -bündel, welcher sich in derselben Weise wie die andern gabel-
förmig theilt. Die Gabelung bringt nicht mit sich, dasz irgend ein
einzelnes Gefäsz sich theilt, sondern nur, dasz sich ein Bündel in
zwei spaltet. Blickt man auf jede Seite des Blattes, so sieht man,
dasz ein Zweig von der groszen centralen Gabeltheilung aus mit einem
Zweige des seitlichen Bündels zusammenmündet und dasz sich noch
eine kleinere Verbindung zwischen den beiden hauptsächlichsten Zwei-
gen des Seitenbündels findet. Der Verlauf der Gefäsze ist bei der
gröszeren Zusammenmündung sehr complicirt; und hier bilden sich
häufig den nämlichen Durchmesser beibehaltende Gefäsze durch die
Vereinigung der stumpf zugespitzten Enden zweier Gefäsze, ob aber

Drosera rotundifolia. Cap. 10
dem Punkte der Reizung hin biegen, wie es die centraleren thun.
Die gehörig gerichtete Bewegung der Tentakeln ist kein einzeln da-
stehender Fall im Pflanzenreich, denn die Ranken vieler Pflanzen
krümmen sich nach der Seite hin, welche berührt wird; der Fall mit
der Drosera ist aber bei weitem interessanter, da hier die Tentakeln
nicht direct gereizt werden, sondern einen Impuls von einem entfern-
ten Punkte her erhalten; nichtsdestoweniger biegen sie sich genau
nach diesem Punkte hin.

Über die Natur der Gewebe, durch welche der moto-
rische Impuls übermittelt wird.
— Es wird nothwendig
sein, zuerst kurz den Verlauf der hauptsächlichen Gefäszbündel (Fibro-
vasalstränge) zu beschreiben. Diese sind
in der beistehenden Skizze eines kleinen
Blattes dargestellt (Fig. 11). Kleine Ge-
fäsze treten von den benachbarten Bündeln
aus in alle die vielen Tentakeln ein, mit
denen die Oberfläche bedeckt ist; diese
sind aber hier nicht wiedergegeben. Der
mittlere Stamm, welcher den Stiel hinauf-
läuft, theilt sich in der Nähe der Mitte
des Blattes gabelförmig, und jeder Zweig
gabelt sich wieder und wieder entsprechend
der Grösze des Blattes. Tief unten gibt
dieser centrale Stamm an jeder Seite einen
zarten Zweig ab, welche der sublaterale
Zweig genannt werden kann. Es findet
[Abbildung] Fig. 11. (Drosera rotundifolia.)
Schematische Darstellung der Ver-
breitung der Gefäszbündel in einem
kleinen Blatte.
sich auf jeder Seite ein Hauptseitenzweig
oder -bündel, welcher sich in derselben Weise wie die andern gabel-
förmig theilt. Die Gabelung bringt nicht mit sich, dasz irgend ein
einzelnes Gefäsz sich theilt, sondern nur, dasz sich ein Bündel in
zwei spaltet. Blickt man auf jede Seite des Blattes, so sieht man,
dasz ein Zweig von der groszen centralen Gabeltheilung aus mit einem
Zweige des seitlichen Bündels zusammenmündet und dasz sich noch
eine kleinere Verbindung zwischen den beiden hauptsächlichsten Zwei-
gen des Seitenbündels findet. Der Verlauf der Gefäsze ist bei der
gröszeren Zusammenmündung sehr complicirt; und hier bilden sich
häufig den nämlichen Durchmesser beibehaltende Gefäsze durch die
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[224/0238] Drosera rotundifolia. Cap. 10 dem Punkte der Reizung hin biegen, wie es die centraleren thun. Die gehörig gerichtete Bewegung der Tentakeln ist kein einzeln da- stehender Fall im Pflanzenreich, denn die Ranken vieler Pflanzen krümmen sich nach der Seite hin, welche berührt wird; der Fall mit der Drosera ist aber bei weitem interessanter, da hier die Tentakeln nicht direct gereizt werden, sondern einen Impuls von einem entfern- ten Punkte her erhalten; nichtsdestoweniger biegen sie sich genau nach diesem Punkte hin. Über die Natur der Gewebe, durch welche der moto- rische Impuls übermittelt wird. — Es wird nothwendig sein, zuerst kurz den Verlauf der hauptsächlichen Gefäszbündel (Fibro- vasalstränge) zu beschreiben. Diese sind in der beistehenden Skizze eines kleinen Blattes dargestellt (Fig. 11). Kleine Ge- fäsze treten von den benachbarten Bündeln aus in alle die vielen Tentakeln ein, mit denen die Oberfläche bedeckt ist; diese sind aber hier nicht wiedergegeben. Der mittlere Stamm, welcher den Stiel hinauf- läuft, theilt sich in der Nähe der Mitte des Blattes gabelförmig, und jeder Zweig gabelt sich wieder und wieder entsprechend der Grösze des Blattes. Tief unten gibt dieser centrale Stamm an jeder Seite einen zarten Zweig ab, welche der sublaterale Zweig genannt werden kann. Es findet [Abbildung Fig. 11. (Drosera rotundifolia.) Schematische Darstellung der Ver- breitung der Gefäszbündel in einem kleinen Blatte.] sich auf jeder Seite ein Hauptseitenzweig oder -bündel, welcher sich in derselben Weise wie die andern gabel- förmig theilt. Die Gabelung bringt nicht mit sich, dasz irgend ein einzelnes Gefäsz sich theilt, sondern nur, dasz sich ein Bündel in zwei spaltet. Blickt man auf jede Seite des Blattes, so sieht man, dasz ein Zweig von der groszen centralen Gabeltheilung aus mit einem Zweige des seitlichen Bündels zusammenmündet und dasz sich noch eine kleinere Verbindung zwischen den beiden hauptsächlichsten Zwei- gen des Seitenbündels findet. Der Verlauf der Gefäsze ist bei der gröszeren Zusammenmündung sehr complicirt; und hier bilden sich häufig den nämlichen Durchmesser beibehaltende Gefäsze durch die Vereinigung der stumpf zugespitzten Enden zweier Gefäsze, ob aber

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/238>, abgerufen am 28.11.2024.