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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 10.
habender Tentakeln, zusammen mit ihren Drüsen. Viele Experimente
wurden angestellt, um zu ermitteln ob die Rückseite der Blätter in
irgend welcher Weise gereizt werden könne; es wurden sieben und
dreiszig Blätter dabei versucht. Einige wurden lange Zeit hindurch
mit einer stumpfen Nadel gerieben; auf andere wurden Tropfen von
Milch und andern reizenden Flüssigkeiten, rohes Fleisch, zerdrückte
Fliegen und verschiedene andere Substanzen gebracht. Diese Sub-
stanzen wurden gern bald trocken, zum Beweise, dasz keine Abson-
derung angeregt worden war. Ich feuchtete sie daher mit Speichel,
mit Ammoniaklösungen, schwacher Salzsäure und häufig mit dem
Secrete aus den Drüsen anderer Blätter an. Ich hielt auch einige
Blätter, auf deren Rückseite reizende Gegenstände gebracht worden
waren, unter einer feuchten Glasglocke; aber bei aller meiner Sorgfalt
sah ich doch niemals irgend eine wahre Bewegung. Ich wurde da-
durch dazu geführt, so viele Versuche zu machen, weil, im Gegensatz
zu meinen früheren Erfahrungen, Nitschke angibt2, dasz er, nachdem
er Gegenstände mit Hülfe der klebrigen Absonderung an der Rück-
seite der Blätter befestigt habe, wiederholt die Tentakeln (und in
einem Falle sogar die Blattscheibe) zurückgebogen gesehen habe.
Wenn diese Bewegung eine wirkliche gewesen ist, würde sie eine
äuszerst anomale sein; denn sie setzt voraus, dasz die Tentakeln einen
motorischen Impuls von einer unnatürlichen Quelle her erhalten und
das Vermögen haben, sich in einer Richtung zu biegen, welche zu
der ihnen sonst gewohnten genau die umgekehrte ist; dies Vermögen
wäre übrigens für die Pflanze auch nicht von dem mindesten Nutzen,
da Insecten nicht an der glatten Rückseite der Blätter kleben blei-
ben können.

Ich habe gesagt, dasz in den oben erwähnten Fällen keine Wir-
kung hervorgebracht worden sei; dies ist aber nicht ganz streng
richtig; denn in drei Fällen wurden zu den Stückchen rohen Fleisches
auf der Rückseite der Blätter, um sie eine Zeit lang feucht zu erhal-
ten, ein wenig Syrup hinzugefügt; und nach 36 Stunden war eine
Spur von Zurückbiegen in den Tentakeln eines Blattes und sicher
auch in der Scheibe eines andern vorhanden. Nach zwölf weiteren
Stunden fiengen die Drüsen an zu trocknen, und alle drei Blätter
schienen bedeutend verletzt zu sein. Es wurden dann vier Blätter

2 Botanische Zeitung, 1860, p. 437.

Drosera rotundifolia. Cap. 10.
habender Tentakeln, zusammen mit ihren Drüsen. Viele Experimente
wurden angestellt, um zu ermitteln ob die Rückseite der Blätter in
irgend welcher Weise gereizt werden könne; es wurden sieben und
dreiszig Blätter dabei versucht. Einige wurden lange Zeit hindurch
mit einer stumpfen Nadel gerieben; auf andere wurden Tropfen von
Milch und andern reizenden Flüssigkeiten, rohes Fleisch, zerdrückte
Fliegen und verschiedene andere Substanzen gebracht. Diese Sub-
stanzen wurden gern bald trocken, zum Beweise, dasz keine Abson-
derung angeregt worden war. Ich feuchtete sie daher mit Speichel,
mit Ammoniaklösungen, schwacher Salzsäure und häufig mit dem
Secrete aus den Drüsen anderer Blätter an. Ich hielt auch einige
Blätter, auf deren Rückseite reizende Gegenstände gebracht worden
waren, unter einer feuchten Glasglocke; aber bei aller meiner Sorgfalt
sah ich doch niemals irgend eine wahre Bewegung. Ich wurde da-
durch dazu geführt, so viele Versuche zu machen, weil, im Gegensatz
zu meinen früheren Erfahrungen, Nitschke angibt2, dasz er, nachdem
er Gegenstände mit Hülfe der klebrigen Absonderung an der Rück-
seite der Blätter befestigt habe, wiederholt die Tentakeln (und in
einem Falle sogar die Blattscheibe) zurückgebogen gesehen habe.
Wenn diese Bewegung eine wirkliche gewesen ist, würde sie eine
äuszerst anomale sein; denn sie setzt voraus, dasz die Tentakeln einen
motorischen Impuls von einer unnatürlichen Quelle her erhalten und
das Vermögen haben, sich in einer Richtung zu biegen, welche zu
der ihnen sonst gewohnten genau die umgekehrte ist; dies Vermögen
wäre übrigens für die Pflanze auch nicht von dem mindesten Nutzen,
da Insecten nicht an der glatten Rückseite der Blätter kleben blei-
ben können.

Ich habe gesagt, dasz in den oben erwähnten Fällen keine Wir-
kung hervorgebracht worden sei; dies ist aber nicht ganz streng
richtig; denn in drei Fällen wurden zu den Stückchen rohen Fleisches
auf der Rückseite der Blätter, um sie eine Zeit lang feucht zu erhal-
ten, ein wenig Syrup hinzugefügt; und nach 36 Stunden war eine
Spur von Zurückbiegen in den Tentakeln eines Blattes und sicher
auch in der Scheibe eines andern vorhanden. Nach zwölf weiteren
Stunden fiengen die Drüsen an zu trocknen, und alle drei Blätter
schienen bedeutend verletzt zu sein. Es wurden dann vier Blätter

2 Botanische Zeitung, 1860, p. 437.
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[210/0224] Drosera rotundifolia. Cap. 10. habender Tentakeln, zusammen mit ihren Drüsen. Viele Experimente wurden angestellt, um zu ermitteln ob die Rückseite der Blätter in irgend welcher Weise gereizt werden könne; es wurden sieben und dreiszig Blätter dabei versucht. Einige wurden lange Zeit hindurch mit einer stumpfen Nadel gerieben; auf andere wurden Tropfen von Milch und andern reizenden Flüssigkeiten, rohes Fleisch, zerdrückte Fliegen und verschiedene andere Substanzen gebracht. Diese Sub- stanzen wurden gern bald trocken, zum Beweise, dasz keine Abson- derung angeregt worden war. Ich feuchtete sie daher mit Speichel, mit Ammoniaklösungen, schwacher Salzsäure und häufig mit dem Secrete aus den Drüsen anderer Blätter an. Ich hielt auch einige Blätter, auf deren Rückseite reizende Gegenstände gebracht worden waren, unter einer feuchten Glasglocke; aber bei aller meiner Sorgfalt sah ich doch niemals irgend eine wahre Bewegung. Ich wurde da- durch dazu geführt, so viele Versuche zu machen, weil, im Gegensatz zu meinen früheren Erfahrungen, Nitschke angibt 2, dasz er, nachdem er Gegenstände mit Hülfe der klebrigen Absonderung an der Rück- seite der Blätter befestigt habe, wiederholt die Tentakeln (und in einem Falle sogar die Blattscheibe) zurückgebogen gesehen habe. Wenn diese Bewegung eine wirkliche gewesen ist, würde sie eine äuszerst anomale sein; denn sie setzt voraus, dasz die Tentakeln einen motorischen Impuls von einer unnatürlichen Quelle her erhalten und das Vermögen haben, sich in einer Richtung zu biegen, welche zu der ihnen sonst gewohnten genau die umgekehrte ist; dies Vermögen wäre übrigens für die Pflanze auch nicht von dem mindesten Nutzen, da Insecten nicht an der glatten Rückseite der Blätter kleben blei- ben können. Ich habe gesagt, dasz in den oben erwähnten Fällen keine Wir- kung hervorgebracht worden sei; dies ist aber nicht ganz streng richtig; denn in drei Fällen wurden zu den Stückchen rohen Fleisches auf der Rückseite der Blätter, um sie eine Zeit lang feucht zu erhal- ten, ein wenig Syrup hinzugefügt; und nach 36 Stunden war eine Spur von Zurückbiegen in den Tentakeln eines Blattes und sicher auch in der Scheibe eines andern vorhanden. Nach zwölf weiteren Stunden fiengen die Drüsen an zu trocknen, und alle drei Blätter schienen bedeutend verletzt zu sein. Es wurden dann vier Blätter 2 Botanische Zeitung, 1860, p. 437.

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/224>, abgerufen am 29.11.2024.