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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 6. Verdauung.
wieder ausgebreitet haben, wenn ihnen Stückchen Fleisch gegeben
werden, viel energischer und schneller sich einbiegen, als sie es vorher
thaten, trotzdem dasz meistens etwas Ruhe zwischen zwei Einbiegungs-
acten nothwendig ist. Wir sehen wahrscheinlich den Einflusz einer
Texturänderung, wenn wir beobachten, dasz Gelatin und Globulin,
welche durch Liegenlassen im Wasser erweicht sind, schneller wirken,
als wenn sie blosz angefeuchtet werden. Es dürfte zum Theil Folge
veränderter Textur und zum Theil Folge einer Änderung der chemi-
schen Beschaffenheit sein, dasz Eiweisz, welches eine Zeit lang aufge-
hoben worden ist, und Leim, welcher der Einwirkung schwacher Salz-
säure ausgesetzt gewesen ist, schneller wirken als diese Substanzen
im frischen Zustande.

Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln eingebogen
bleiben, hängt zum groszen Theile von der Quantität der den Blättern
gegebenen Substanz ab, zum Theil von der Leichtigkeit, mit welcher
sie von dem Secrete durchdrungen und angegriffen wird und zum
Theil von ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit. Die Tentakeln blei-
ben immer viel länger über groszen Stückchen oder groszen Tropfen
als über kleinen Stückchen oder Tropfen eingebogen. Wahrscheinlich
spielt die Textur ihre Rolle bei Bestimmung der auszerordentlichen
Länge Zeit, während welcher die Tentakeln über den harten Körnern
chemisch präparirten Caseins eingebogen bleiben. Die Tentakeln blei-
ben aber eine gleich lange Zeit über fein gepulvertem, präcipitirtem
phosphorsauren Kalk eingebogen; in diesem letztern Falle bietet
offenbar der Phosphor den Anziehungspunkt dar, und in dem Fall mit
dem Casein thierische Substanz. Die Blätter bleiben über Insecten
lange eingebogen; es ist aber zweifelhaft, in wie weit dies eine Folge
des den Insecten durch ihre chitinhaltigen Integumente gewährten
Schutzes ist; denn thierische Substanz wird bald aus Insecten ausge-
zogen (wahrscheinlich durch Exosmose aus ihren Körpern in das dichte
umgebende Secret), wie es sich in der sofortigen Einbiegung der
Blätter zeigt. Wir sehen den Einflusz der Natur verschiedener Sub-
stanzen bei Stückchen Fleisch, Eiweisz und frischem Leim, deren Ein-
wirkung sehr verschieden ist von der gleich groszer Stückchen Gela-
tine, Zellgewebe und fasriger Grundsubstanz des Knochens. Die erste-
ren verursachen nicht blosz eine bei weitem schnellere und energischere,
sondern auch länger anhaltende Einbiegung als die letzteren. Wir
sind daher, wie ich glaube, berechtigt anzunehmen, dasz Gelatine,

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wieder ausgebreitet haben, wenn ihnen Stückchen Fleisch gegeben
werden, viel energischer und schneller sich einbiegen, als sie es vorher
thaten, trotzdem dasz meistens etwas Ruhe zwischen zwei Einbiegungs-
acten nothwendig ist. Wir sehen wahrscheinlich den Einflusz einer
Texturänderung, wenn wir beobachten, dasz Gelatin und Globulin,
welche durch Liegenlassen im Wasser erweicht sind, schneller wirken,
als wenn sie blosz angefeuchtet werden. Es dürfte zum Theil Folge
veränderter Textur und zum Theil Folge einer Änderung der chemi-
schen Beschaffenheit sein, dasz Eiweisz, welches eine Zeit lang aufge-
hoben worden ist, und Leim, welcher der Einwirkung schwacher Salz-
säure ausgesetzt gewesen ist, schneller wirken als diese Substanzen
im frischen Zustande.

Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln eingebogen
bleiben, hängt zum groszen Theile von der Quantität der den Blättern
gegebenen Substanz ab, zum Theil von der Leichtigkeit, mit welcher
sie von dem Secrete durchdrungen und angegriffen wird und zum
Theil von ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit. Die Tentakeln blei-
ben immer viel länger über groszen Stückchen oder groszen Tropfen
als über kleinen Stückchen oder Tropfen eingebogen. Wahrscheinlich
spielt die Textur ihre Rolle bei Bestimmung der auszerordentlichen
Länge Zeit, während welcher die Tentakeln über den harten Körnern
chemisch präparirten Casëins eingebogen bleiben. Die Tentakeln blei-
ben aber eine gleich lange Zeit über fein gepulvertem, präcipitirtem
phosphorsauren Kalk eingebogen; in diesem letztern Falle bietet
offenbar der Phosphor den Anziehungspunkt dar, und in dem Fall mit
dem Casëin thierische Substanz. Die Blätter bleiben über Insecten
lange eingebogen; es ist aber zweifelhaft, in wie weit dies eine Folge
des den Insecten durch ihre chitinhaltigen Integumente gewährten
Schutzes ist; denn thierische Substanz wird bald aus Insecten ausge-
zogen (wahrscheinlich durch Exosmose aus ihren Körpern in das dichte
umgebende Secret), wie es sich in der sofortigen Einbiegung der
Blätter zeigt. Wir sehen den Einflusz der Natur verschiedener Sub-
stanzen bei Stückchen Fleisch, Eiweisz und frischem Leim, deren Ein-
wirkung sehr verschieden ist von der gleich groszer Stückchen Gela-
tine, Zellgewebe und fasriger Grundsubstanz des Knochens. Die erste-
ren verursachen nicht blosz eine bei weitem schnellere und energischere,
sondern auch länger anhaltende Einbiegung als die letzteren. Wir
sind daher, wie ich glaube, berechtigt anzunehmen, dasz Gelatine,

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[117/0131] Cap. 6. Verdauung. wieder ausgebreitet haben, wenn ihnen Stückchen Fleisch gegeben werden, viel energischer und schneller sich einbiegen, als sie es vorher thaten, trotzdem dasz meistens etwas Ruhe zwischen zwei Einbiegungs- acten nothwendig ist. Wir sehen wahrscheinlich den Einflusz einer Texturänderung, wenn wir beobachten, dasz Gelatin und Globulin, welche durch Liegenlassen im Wasser erweicht sind, schneller wirken, als wenn sie blosz angefeuchtet werden. Es dürfte zum Theil Folge veränderter Textur und zum Theil Folge einer Änderung der chemi- schen Beschaffenheit sein, dasz Eiweisz, welches eine Zeit lang aufge- hoben worden ist, und Leim, welcher der Einwirkung schwacher Salz- säure ausgesetzt gewesen ist, schneller wirken als diese Substanzen im frischen Zustande. Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln eingebogen bleiben, hängt zum groszen Theile von der Quantität der den Blättern gegebenen Substanz ab, zum Theil von der Leichtigkeit, mit welcher sie von dem Secrete durchdrungen und angegriffen wird und zum Theil von ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit. Die Tentakeln blei- ben immer viel länger über groszen Stückchen oder groszen Tropfen als über kleinen Stückchen oder Tropfen eingebogen. Wahrscheinlich spielt die Textur ihre Rolle bei Bestimmung der auszerordentlichen Länge Zeit, während welcher die Tentakeln über den harten Körnern chemisch präparirten Casëins eingebogen bleiben. Die Tentakeln blei- ben aber eine gleich lange Zeit über fein gepulvertem, präcipitirtem phosphorsauren Kalk eingebogen; in diesem letztern Falle bietet offenbar der Phosphor den Anziehungspunkt dar, und in dem Fall mit dem Casëin thierische Substanz. Die Blätter bleiben über Insecten lange eingebogen; es ist aber zweifelhaft, in wie weit dies eine Folge des den Insecten durch ihre chitinhaltigen Integumente gewährten Schutzes ist; denn thierische Substanz wird bald aus Insecten ausge- zogen (wahrscheinlich durch Exosmose aus ihren Körpern in das dichte umgebende Secret), wie es sich in der sofortigen Einbiegung der Blätter zeigt. Wir sehen den Einflusz der Natur verschiedener Sub- stanzen bei Stückchen Fleisch, Eiweisz und frischem Leim, deren Ein- wirkung sehr verschieden ist von der gleich groszer Stückchen Gela- tine, Zellgewebe und fasriger Grundsubstanz des Knochens. Die erste- ren verursachen nicht blosz eine bei weitem schnellere und energischere, sondern auch länger anhaltende Einbiegung als die letzteren. Wir sind daher, wie ich glaube, berechtigt anzunehmen, dasz Gelatine,

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/131>, abgerufen am 30.11.2024.