Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dasz die abgesonderte Flüssigkeit das Vermögen hat, Eiweisz aufzulösen, und wir sehen ferner, dasz, wenn ein Alkali zugesetzt wird, der Verdauungsprocesz zum Stillstand gebracht wird, dasz er aber sofort wieder beginnt, so- bald das Alkali durch schwache Salzsäure neutralisirt wird. Selbst wenn ich keine anderen Versuche als diese angestellt hätte, würden sie beinahe schon hingereicht haben, nachzuweisen, dasz die Drüsen der Drosera irgend ein dem Pepsin analoges Ferment absondern, wel- ches bei Anwesenheit einer Säure dem Secrete sein Vermögen, eiweisz- artige Verbindungen aufzulösen, verleiht.
Splitter von reinem Glase wurden auf eine grosze Zahl von Blät- tern ausgestreut, und diese wurden mäszig eingebogen. Sie wurden dann abgeschnitten und in drei Gruppen getheilt; davon wurden zwei eine Zeit lang in ein wenig destillirtem Wasser gelegt und dies dann durchgeseiht, wobei etwas misfarbige, klebrige, unbedeu- tend saure Flüssigkeit erhalten wurde. Das dritte Häufchen wurde ordentlich in wenig Tropfen von Glycerin eingeweicht, welches be- kanntlich Pepsin auflöst. Eiweisswürfel (von Zoll) wurden nun auf Uhrgläsern in diese drei Flüssigkeiten gethan, von denen einige mehrere Tage lang auf einer Temperatur von ungefähr 32,2° C. (90° F.), andere in der Temperatur meines Zimmers gelassen wurden; keiner der Würfel wurde indesz aufgelöst, es blieben die Kanten so scharf wie je. Diese Thatsache weist wahrscheinlich darauf hin, dasz das Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis die Drüsen durch die Absorption einer äuszerst geringen Quantität bereits auflöslicher thieri- scher Substanz gereizt werden, -- eine Folgerung, welche durch das, was wir später in Bezug auf Dionaea sehen werden, unterstützt wird. Dr. Hooker fand gleichfalls, dasz die Flüssigkeit in den Schläuchen der Nepenthes, obschon sie das Vermögen der Verdauung in auszerordent- lichem Grade besitzt, dennoch, wenn sie aus den Schläuchen entfernt, ehe dieselben gereizt wurden, und in ein Gefäsz gethan wird, kein derartiges Vermögen hat, trotzdem sie bereits sauer ist. Wir können diese Thatsache nur durch die Annahme erklären, dasz das eigentliche Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis etwas reizende Substanz aufgesaugt ist.
Bei drei andern Gelegenheiten wurden acht Blätter stark durch Eiweisz, was mit Speichel befeuchtet war, gereizt; sie wurden dann abgeschnitten und mehrere Stunden oder einen ganzen Tag lang
Drosera rotundifolia. Cap. 6.
Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dasz die abgesonderte Flüssigkeit das Vermögen hat, Eiweisz aufzulösen, und wir sehen ferner, dasz, wenn ein Alkali zugesetzt wird, der Verdauungsprocesz zum Stillstand gebracht wird, dasz er aber sofort wieder beginnt, so- bald das Alkali durch schwache Salzsäure neutralisirt wird. Selbst wenn ich keine anderen Versuche als diese angestellt hätte, würden sie beinahe schon hingereicht haben, nachzuweisen, dasz die Drüsen der Drosera irgend ein dem Pepsin analoges Ferment absondern, wel- ches bei Anwesenheit einer Säure dem Secrete sein Vermögen, eiweisz- artige Verbindungen aufzulösen, verleiht.
Splitter von reinem Glase wurden auf eine grosze Zahl von Blät- tern ausgestreut, und diese wurden mäszig eingebogen. Sie wurden dann abgeschnitten und in drei Gruppen getheilt; davon wurden zwei eine Zeit lang in ein wenig destillirtem Wasser gelegt und dies dann durchgeseiht, wobei etwas misfarbige, klebrige, unbedeu- tend saure Flüssigkeit erhalten wurde. Das dritte Häufchen wurde ordentlich in wenig Tropfen von Glycerin eingeweicht, welches be- kanntlich Pepsin auflöst. Eiweisswürfel (von Zoll) wurden nun auf Uhrgläsern in diese drei Flüssigkeiten gethan, von denen einige mehrere Tage lang auf einer Temperatur von ungefähr 32,2° C. (90° F.), andere in der Temperatur meines Zimmers gelassen wurden; keiner der Würfel wurde indesz aufgelöst, es blieben die Kanten so scharf wie je. Diese Thatsache weist wahrscheinlich darauf hin, dasz das Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis die Drüsen durch die Absorption einer äuszerst geringen Quantität bereits auflöslicher thieri- scher Substanz gereizt werden, — eine Folgerung, welche durch das, was wir später in Bezug auf Dionaea sehen werden, unterstützt wird. Dr. Hooker fand gleichfalls, dasz die Flüssigkeit in den Schläuchen der Nepenthes, obschon sie das Vermögen der Verdauung in auszerordent- lichem Grade besitzt, dennoch, wenn sie aus den Schläuchen entfernt, ehe dieselben gereizt wurden, und in ein Gefäsz gethan wird, kein derartiges Vermögen hat, trotzdem sie bereits sauer ist. Wir können diese Thatsache nur durch die Annahme erklären, dasz das eigentliche Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis etwas reizende Substanz aufgesaugt ist.
Bei drei andern Gelegenheiten wurden acht Blätter stark durch Eiweisz, was mit Speichel befeuchtet war, gereizt; sie wurden dann abgeschnitten und mehrere Stunden oder einen ganzen Tag lang
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0100"n="86"/><fwplace="top"type="header">Drosera rotundifolia. Cap. 6.</fw><lb/><p>Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dasz die abgesonderte<lb/>
Flüssigkeit das Vermögen hat, Eiweisz aufzulösen, und wir sehen<lb/>
ferner, dasz, wenn ein Alkali zugesetzt wird, der Verdauungsprocesz<lb/>
zum Stillstand gebracht wird, dasz er aber sofort wieder beginnt, so-<lb/>
bald das Alkali durch schwache Salzsäure neutralisirt wird. Selbst<lb/>
wenn ich keine anderen Versuche als diese angestellt hätte, würden<lb/>
sie beinahe schon hingereicht haben, nachzuweisen, dasz die Drüsen<lb/>
der <hirendition="#i">Drosera</hi> irgend ein dem Pepsin analoges Ferment absondern, wel-<lb/>
ches bei Anwesenheit einer Säure dem Secrete sein Vermögen, eiweisz-<lb/>
artige Verbindungen aufzulösen, verleiht.</p><lb/><p>Splitter von reinem Glase wurden auf eine grosze Zahl von Blät-<lb/>
tern ausgestreut, und diese wurden mäszig eingebogen. Sie wurden<lb/>
dann abgeschnitten und in drei Gruppen getheilt; davon wurden<lb/>
zwei eine Zeit lang in ein wenig destillirtem Wasser gelegt und<lb/>
dies dann durchgeseiht, wobei etwas misfarbige, klebrige, unbedeu-<lb/>
tend saure Flüssigkeit erhalten wurde. Das dritte Häufchen wurde<lb/>
ordentlich in wenig Tropfen von Glycerin eingeweicht, welches be-<lb/>
kanntlich Pepsin auflöst. Eiweisswürfel (von <formulanotation="TeX">\frac {1}{20}</formula> Zoll) wurden nun<lb/>
auf Uhrgläsern in diese drei Flüssigkeiten gethan, von denen einige<lb/>
mehrere Tage lang auf einer Temperatur von ungefähr 32,2° C. (90° F.),<lb/>
andere in der Temperatur meines Zimmers gelassen wurden; keiner<lb/>
der Würfel wurde indesz aufgelöst, es blieben die Kanten so scharf<lb/>
wie je. Diese Thatsache weist wahrscheinlich darauf hin, dasz das<lb/>
Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis die Drüsen durch die<lb/>
Absorption einer äuszerst geringen Quantität bereits auflöslicher thieri-<lb/>
scher Substanz gereizt werden, — eine Folgerung, welche durch das,<lb/>
was wir später in Bezug auf <hirendition="#i">Dionaea</hi> sehen werden, unterstützt wird.<lb/>
Dr. <hirendition="#k">Hooker</hi> fand gleichfalls, dasz die Flüssigkeit in den Schläuchen der<lb/><hirendition="#i">Nepenthes,</hi> obschon sie das Vermögen der Verdauung in auszerordent-<lb/>
lichem Grade besitzt, dennoch, wenn sie aus den Schläuchen entfernt,<lb/>
ehe dieselben gereizt wurden, und in ein Gefäsz gethan wird, kein<lb/>
derartiges Vermögen hat, trotzdem sie bereits sauer ist. Wir können<lb/>
diese Thatsache nur durch die Annahme erklären, dasz das eigentliche<lb/>
Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis etwas reizende Substanz<lb/>
aufgesaugt ist.</p><lb/><p>Bei drei andern Gelegenheiten wurden acht Blätter stark durch<lb/>
Eiweisz, was mit Speichel befeuchtet war, gereizt; sie wurden dann<lb/>
abgeschnitten und mehrere Stunden oder einen ganzen Tag lang<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[86/0100]
Drosera rotundifolia. Cap. 6.
Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dasz die abgesonderte
Flüssigkeit das Vermögen hat, Eiweisz aufzulösen, und wir sehen
ferner, dasz, wenn ein Alkali zugesetzt wird, der Verdauungsprocesz
zum Stillstand gebracht wird, dasz er aber sofort wieder beginnt, so-
bald das Alkali durch schwache Salzsäure neutralisirt wird. Selbst
wenn ich keine anderen Versuche als diese angestellt hätte, würden
sie beinahe schon hingereicht haben, nachzuweisen, dasz die Drüsen
der Drosera irgend ein dem Pepsin analoges Ferment absondern, wel-
ches bei Anwesenheit einer Säure dem Secrete sein Vermögen, eiweisz-
artige Verbindungen aufzulösen, verleiht.
Splitter von reinem Glase wurden auf eine grosze Zahl von Blät-
tern ausgestreut, und diese wurden mäszig eingebogen. Sie wurden
dann abgeschnitten und in drei Gruppen getheilt; davon wurden
zwei eine Zeit lang in ein wenig destillirtem Wasser gelegt und
dies dann durchgeseiht, wobei etwas misfarbige, klebrige, unbedeu-
tend saure Flüssigkeit erhalten wurde. Das dritte Häufchen wurde
ordentlich in wenig Tropfen von Glycerin eingeweicht, welches be-
kanntlich Pepsin auflöst. Eiweisswürfel (von [FORMEL] Zoll) wurden nun
auf Uhrgläsern in diese drei Flüssigkeiten gethan, von denen einige
mehrere Tage lang auf einer Temperatur von ungefähr 32,2° C. (90° F.),
andere in der Temperatur meines Zimmers gelassen wurden; keiner
der Würfel wurde indesz aufgelöst, es blieben die Kanten so scharf
wie je. Diese Thatsache weist wahrscheinlich darauf hin, dasz das
Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis die Drüsen durch die
Absorption einer äuszerst geringen Quantität bereits auflöslicher thieri-
scher Substanz gereizt werden, — eine Folgerung, welche durch das,
was wir später in Bezug auf Dionaea sehen werden, unterstützt wird.
Dr. Hooker fand gleichfalls, dasz die Flüssigkeit in den Schläuchen der
Nepenthes, obschon sie das Vermögen der Verdauung in auszerordent-
lichem Grade besitzt, dennoch, wenn sie aus den Schläuchen entfernt,
ehe dieselben gereizt wurden, und in ein Gefäsz gethan wird, kein
derartiges Vermögen hat, trotzdem sie bereits sauer ist. Wir können
diese Thatsache nur durch die Annahme erklären, dasz das eigentliche
Ferment nicht eher abgesondert wird, als bis etwas reizende Substanz
aufgesaugt ist.
Bei drei andern Gelegenheiten wurden acht Blätter stark durch
Eiweisz, was mit Speichel befeuchtet war, gereizt; sie wurden dann
abgeschnitten und mehrere Stunden oder einen ganzen Tag lang
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/100>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.