vorher sehen, und aus den Begriffen beurtheilen kön- nen: oder es entgehe den Gelehrten etwas an ihrer Würde, wenn sie sich um solche Dinge bekümmern sollten, mit welchen sich Bürger und Bauer beschäf- tigen.
§ 2.
das erste wird aus der Vernunft.
Diese Leute würden vielleicht bescheidener urtheilen, wenn sie mehr auf die Beschaffenheit der Sache sähen, und ihre Gedanken weniger in den Vorurtheilen grün- deten, die sie einmal gefaßt, aber noch niemahl be- wiesen haben. Wir wollen es versuchen, ob wir ihre Gedanken verändern, und diese mit den unsrigen gleich- stimmig machen können. Wir wollen jedes Vorur- theil besonders entkräften. Alle Werke, welche die Menschen zum Nutzen der menschlichen Gesell- schaft würken, werden alsdenn wo nicht voll- kommen, doch gewiß weniger unvollkommen, wenn sie von denen angeordnet und regieret wer- den, die von diesen Werken eine Wissenschaft und philosophische Erkenntniß haben. Es wird uns nicht schwer fallen, diese Lehre so wohl aus der Vernunft als auch aus der Erfahrung zu beweisen. Die Vernunft bildet diesen Schluß: eine Sache ist alsdenn vollkommen, wenn sie ihrer Natur und ihrem Begriffe gemäß ist eingerichtet worden. Soll dem- nach ein Werk nicht durch ein blindes Ohngefehr voll- kommen werden, so muß dessen Verfertigung von dem regieret werden, der geschickt genug ist, die Natur und den Begriff dieses Werkes genau zu untersuchen, und aus dieser Erkenntniß dasjenige deutlich zu schlüs- sen, was die Vollkommenheit und Unvollkommenheit des Werkes bestimmet. Dieß ist der Begriff von einer Wissenschaft und einer philosophischen Erkenntniß. Jst dieß nicht genug mit einer Ueberzeugung diesen Satz zu bilden: Eine Wissenschaft und philosophi-
sche
Vorbereitung
vorher ſehen, und aus den Begriffen beurtheilen koͤn- nen: oder es entgehe den Gelehrten etwas an ihrer Wuͤrde, wenn ſie ſich um ſolche Dinge bekuͤmmern ſollten, mit welchen ſich Buͤrger und Bauer beſchaͤf- tigen.
§ 2.
das erſte wird aus der Vernunft.
Dieſe Leute wuͤrden vielleicht beſcheidener urtheilen, wenn ſie mehr auf die Beſchaffenheit der Sache ſaͤhen, und ihre Gedanken weniger in den Vorurtheilen gruͤn- deten, die ſie einmal gefaßt, aber noch niemahl be- wieſen haben. Wir wollen es verſuchen, ob wir ihre Gedanken veraͤndern, und dieſe mit den unſrigen gleich- ſtimmig machen koͤnnen. Wir wollen jedes Vorur- theil beſonders entkraͤften. Alle Werke, welche die Menſchen zum Nutzen der menſchlichen Geſell- ſchaft wuͤrken, werden alsdenn wo nicht voll- kommen, doch gewiß weniger unvollkommen, wenn ſie von denen angeordnet und regieret wer- den, die von dieſen Werken eine Wiſſenſchaft und philoſophiſche Erkenntniß haben. Es wird uns nicht ſchwer fallen, dieſe Lehre ſo wohl aus der Vernunft als auch aus der Erfahrung zu beweiſen. Die Vernunft bildet dieſen Schluß: eine Sache iſt alsdenn vollkommen, wenn ſie ihrer Natur und ihrem Begriffe gemaͤß iſt eingerichtet worden. Soll dem- nach ein Werk nicht durch ein blindes Ohngefehr voll- kommen werden, ſo muß deſſen Verfertigung von dem regieret werden, der geſchickt genug iſt, die Natur und den Begriff dieſes Werkes genau zu unterſuchen, und aus dieſer Erkenntniß dasjenige deutlich zu ſchluͤſ- ſen, was die Vollkommenheit und Unvollkommenheit des Werkes beſtimmet. Dieß iſt der Begriff von einer Wiſſenſchaft und einer philoſophiſchen Erkenntniß. Jſt dieß nicht genug mit einer Ueberzeugung dieſen Satz zu bilden: Eine Wiſſenſchaft und philoſophi-
ſche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0024"n="4"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vorbereitung</hi></fw><lb/>
vorher ſehen, und aus den Begriffen beurtheilen koͤn-<lb/>
nen: <hirendition="#fr">oder</hi> es entgehe den Gelehrten etwas an ihrer<lb/>
Wuͤrde, wenn ſie ſich um ſolche Dinge bekuͤmmern<lb/>ſollten, mit welchen ſich Buͤrger und Bauer beſchaͤf-<lb/>
tigen.</p></div><lb/><divn="2"><head>§ 2.</head><lb/><noteplace="left">das erſte<lb/>
wird aus der<lb/>
Vernunft.</note><p>Dieſe Leute wuͤrden vielleicht beſcheidener urtheilen,<lb/>
wenn ſie mehr auf die Beſchaffenheit der Sache ſaͤhen,<lb/>
und ihre Gedanken weniger in den Vorurtheilen gruͤn-<lb/>
deten, die ſie einmal gefaßt, aber noch niemahl be-<lb/>
wieſen haben. Wir wollen es verſuchen, ob wir ihre<lb/>
Gedanken veraͤndern, und dieſe mit den unſrigen gleich-<lb/>ſtimmig machen koͤnnen. Wir wollen jedes Vorur-<lb/>
theil beſonders entkraͤften. <hirendition="#fr">Alle Werke, welche die<lb/>
Menſchen zum Nutzen der menſchlichen Geſell-<lb/>ſchaft wuͤrken, werden alsdenn wo nicht voll-<lb/>
kommen, doch gewiß weniger unvollkommen,<lb/>
wenn ſie von denen angeordnet und regieret wer-<lb/>
den, die von dieſen Werken eine Wiſſenſchaft<lb/>
und philoſophiſche Erkenntniß haben.</hi> Es wird<lb/>
uns nicht ſchwer fallen, dieſe Lehre ſo wohl aus der<lb/>
Vernunft als auch aus der Erfahrung zu beweiſen.<lb/>
Die Vernunft bildet dieſen Schluß: eine Sache iſt<lb/>
alsdenn vollkommen, wenn ſie ihrer Natur und ihrem<lb/>
Begriffe gemaͤß iſt eingerichtet worden. Soll dem-<lb/>
nach ein Werk nicht durch ein blindes Ohngefehr voll-<lb/>
kommen werden, ſo muß deſſen Verfertigung von dem<lb/>
regieret werden, der geſchickt genug iſt, die Natur<lb/>
und den Begriff dieſes Werkes genau zu unterſuchen,<lb/>
und aus dieſer Erkenntniß dasjenige deutlich zu ſchluͤſ-<lb/>ſen, was die Vollkommenheit und Unvollkommenheit<lb/>
des Werkes beſtimmet. Dieß iſt der Begriff von einer<lb/>
Wiſſenſchaft und einer philoſophiſchen Erkenntniß.<lb/>
Jſt dieß nicht genug mit einer Ueberzeugung dieſen<lb/>
Satz zu bilden: Eine Wiſſenſchaft und philoſophi-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſche</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[4/0024]
Vorbereitung
vorher ſehen, und aus den Begriffen beurtheilen koͤn-
nen: oder es entgehe den Gelehrten etwas an ihrer
Wuͤrde, wenn ſie ſich um ſolche Dinge bekuͤmmern
ſollten, mit welchen ſich Buͤrger und Bauer beſchaͤf-
tigen.
§ 2.
Dieſe Leute wuͤrden vielleicht beſcheidener urtheilen,
wenn ſie mehr auf die Beſchaffenheit der Sache ſaͤhen,
und ihre Gedanken weniger in den Vorurtheilen gruͤn-
deten, die ſie einmal gefaßt, aber noch niemahl be-
wieſen haben. Wir wollen es verſuchen, ob wir ihre
Gedanken veraͤndern, und dieſe mit den unſrigen gleich-
ſtimmig machen koͤnnen. Wir wollen jedes Vorur-
theil beſonders entkraͤften. Alle Werke, welche die
Menſchen zum Nutzen der menſchlichen Geſell-
ſchaft wuͤrken, werden alsdenn wo nicht voll-
kommen, doch gewiß weniger unvollkommen,
wenn ſie von denen angeordnet und regieret wer-
den, die von dieſen Werken eine Wiſſenſchaft
und philoſophiſche Erkenntniß haben. Es wird
uns nicht ſchwer fallen, dieſe Lehre ſo wohl aus der
Vernunft als auch aus der Erfahrung zu beweiſen.
Die Vernunft bildet dieſen Schluß: eine Sache iſt
alsdenn vollkommen, wenn ſie ihrer Natur und ihrem
Begriffe gemaͤß iſt eingerichtet worden. Soll dem-
nach ein Werk nicht durch ein blindes Ohngefehr voll-
kommen werden, ſo muß deſſen Verfertigung von dem
regieret werden, der geſchickt genug iſt, die Natur
und den Begriff dieſes Werkes genau zu unterſuchen,
und aus dieſer Erkenntniß dasjenige deutlich zu ſchluͤſ-
ſen, was die Vollkommenheit und Unvollkommenheit
des Werkes beſtimmet. Dieß iſt der Begriff von einer
Wiſſenſchaft und einer philoſophiſchen Erkenntniß.
Jſt dieß nicht genug mit einer Ueberzeugung dieſen
Satz zu bilden: Eine Wiſſenſchaft und philoſophi-
ſche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Darjes, Joachim Georg: Erste Gründe der Cameral-Wissenschaften. Jena, 1756, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darjes_cameralwissenschaften_1756/24>, abgerufen am 13.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.