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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Die Achte Predigt

Wir nemmen solches alles an ad Theotiam Justificationis, die ei-
gentliche Natur der Rechtfertigung zu lernen/ was sie seye/ nemlich nicht
justitia infusa, eine eingegossene/ eingeschüttete/ eingezwungene Gerechtig-
keit/ sondern/ wie die Schrifft durch und durch davon handelt/ und die
Gleichnüsse es allenthalben außweisen/ ein solcher Rechts-Handel/ der
zween actus in sich begreifft/ actum condemnationis & absolutionis; ist
ein juristisch Werck und Loß-Zehlung/ wie zu sehen auß Esa. 5/ 23. Wehe
euch/ die ihr den Gottlosen Recht sprechet oder rechtfertiget
um Geschencke willen. Prov. 17. Wer den Gottlosen Recht
spricht oder rechtfertiget/ und den Gerechten verdamt/ die sind
beyde dem Herrn ein Greuel. Luc. 10. Der Zöllner gieng ge-
rechtfertiget hinab in sein Hauß vor dem Pharisäer. Rom. 8.
Wer wil die Außerwehlten GOttes beschuldigen? GOtt ist
hie/ der gerecht macht. Allwo clar zu sehen/ was Rechtfertigen
heisse/ und worinnen es bestehe.

2. Haben wir zu mercken necessitatem autokatakriseos, wie noth-
wendig es seye/ daß ein Mensch sich selbst richte und verdamme. Einmal
wollen wir nicht am Jüngsten Tag gerichtet seyn/ und ins Gericht kom-
men/ so müssen wir uns hier selbst richten/ uns selbs und unsern alten
Adam auff Leib und Leben verklagen/ es muß uns zuvor heiß werden/ und
das Gewissen gereget seyn/ ehe wir ad Thronum gratiae, an den Thron
der Gnaden appelliren; Der Mensch muß zuvor in die Hölle/ ehe er ge-
dencket in den Himmel zu kommen/ prius desperare quam aspirare, ehe
an sich selbsten verzweifflen/ als sich hinauffwerts Hoffnung und Ge-
dancken machen. Es ist Gottes klarer Befelch/ mit angehängter Dräu-
ung und Verheissung/ auff den Fall/ so wir es thun/ oder nicht thun wer-
den. Paulus spricht 1. Cor. 11/ 31. So wir uns selber richten/ so
werden wir nicht gerichtet. Die Kirch GOttes vermahnet dazu
Thren. 3, 40. Lasset uns forschen und suchen unser Wesen/ und
uns zum HErrn bekehren. Syr. 18, 20. Straffe dich vor selber/
ehe du andere urtheilest/ so wirstu Gnade finden/ wann andere
gestrafft werden. Es ist GOttes weise Ordnung also/ Rom. 2/ 15.
daß die Gewissen und Gedancken die Menschen überzeugen sollen 1. Cor-
2/ 11. Deut. 6/ 8. Es gehet dahin die Vermahnung der H. Kirchen-Väter/
Hieron. l. 3. apolog. Rufin. Duorum temporum quam maxime ha-
benda cura, mane & vesperi, mane ad praeteritae noctis exactionem,

(wie Bernhard. redet I. de vit. solit) & venturae diei cautionem, vesperi
ad rationis exactionem.
das ist: Auff zwo Zeiten solle man sonder-

lich
Die Achte Predigt

Wir nemmen ſolches alles an ad Theotiam Juſtificationis, die ei-
gentliche Natur der Rechtfertigung zu lernen/ was ſie ſeye/ nemlich nicht
juſtitia infuſa, eine eingegoſſene/ eingeſchuͤttete/ eingezwungene Gerechtig-
keit/ ſondern/ wie die Schrifft durch und durch davon handelt/ und die
Gleichnuͤſſe es allenthalben außweiſen/ ein ſolcher Rechts-Handel/ der
zween actus in ſich begreifft/ actum condemnationis & abſolutionis; iſt
ein juriſtiſch Werck und Loß-Zehlung/ wie zu ſehen auß Eſa. 5/ 23. Wehe
euch/ die ihr den Gottloſen Recht ſprechet oder rechtfertiget
um Geſchencke willen. Prov. 17. Wer den Gottloſen Recht
ſpricht oder rechtfertiget/ und den Gerechten verdamt/ die ſind
beyde dem Herꝛn ein Greuel. Luc. 10. Der Zoͤllner gieng ge-
rechtfertiget hinab in ſein Hauß vor dem Phariſaͤer. Rom. 8.
Wer wil die Außerwehlten GOttes beſchuldigen? GOtt iſt
hie/ der gerecht macht. Allwo clar zu ſehen/ was Rechtfertigen
heiſſe/ und worinnen es beſtehe.

2. Haben wir zu mercken neceſſitatem ἀυτοκατακρίσεως, wie noth-
wendig es ſeye/ daß ein Menſch ſich ſelbſt richte und verdamme. Einmal
wollen wir nicht am Juͤngſten Tag gerichtet ſeyn/ und ins Gericht kom-
men/ ſo muͤſſen wir uns hier ſelbſt richten/ uns ſelbs und unſern alten
Adam auff Leib und Leben verklagen/ es muß uns zuvor heiß werden/ und
das Gewiſſen gereget ſeyn/ ehe wir ad Thronum gratiæ, an den Thron
der Gnaden appelliren; Der Menſch muß zuvor in die Hoͤlle/ ehe er ge-
dencket in den Himmel zu kommen/ prius deſperare quàm aſpirare, ehe
an ſich ſelbſten verzweifflen/ als ſich hinauffwerts Hoffnung und Ge-
dancken machen. Es iſt Gottes klarer Befelch/ mit angehaͤngter Draͤu-
ung und Verheiſſung/ auff den Fall/ ſo wir es thun/ oder nicht thun wer-
den. Paulus ſpricht 1. Cor. 11/ 31. So wir uns ſelber richten/ ſo
werden wir nicht gerichtet. Die Kirch GOttes vermahnet dazu
Thren. 3, 40. Laſſet uns forſchen und ſuchen unſer Weſen/ und
uns zum HErꝛn bekehren. Syr. 18, 20. Straffe dich vor ſelber/
ehe du andere urtheileſt/ ſo wirſtu Gnade finden/ wann andere
geſtrafft werden. Es iſt GOttes weiſe Ordnung alſo/ Rom. 2/ 15.
daß die Gewiſſen und Gedancken die Menſchen uͤberzeugen ſollen 1. Cor-
2/ 11. Deut. 6/ 8. Es gehet dahin die Vermahnung der H. Kirchen-Vaͤter/
Hieron. l. 3. apolog. Rufin. Duorum temporum quam maxime ha-
benda cura, manè & veſperi, manè ad præteritæ noctis exactionem,

(wie Bernhard. redet I. de vit. ſolit) & venturæ diei cautionem, veſperi
ad rationis exactionem.
das iſt: Auff zwo Zeiten ſolle man ſonder-

lich
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[68/0086] Die Achte Predigt Wir nemmen ſolches alles an ad Theotiam Juſtificationis, die ei- gentliche Natur der Rechtfertigung zu lernen/ was ſie ſeye/ nemlich nicht juſtitia infuſa, eine eingegoſſene/ eingeſchuͤttete/ eingezwungene Gerechtig- keit/ ſondern/ wie die Schrifft durch und durch davon handelt/ und die Gleichnuͤſſe es allenthalben außweiſen/ ein ſolcher Rechts-Handel/ der zween actus in ſich begreifft/ actum condemnationis & abſolutionis; iſt ein juriſtiſch Werck und Loß-Zehlung/ wie zu ſehen auß Eſa. 5/ 23. Wehe euch/ die ihr den Gottloſen Recht ſprechet oder rechtfertiget um Geſchencke willen. Prov. 17. Wer den Gottloſen Recht ſpricht oder rechtfertiget/ und den Gerechten verdamt/ die ſind beyde dem Herꝛn ein Greuel. Luc. 10. Der Zoͤllner gieng ge- rechtfertiget hinab in ſein Hauß vor dem Phariſaͤer. Rom. 8. Wer wil die Außerwehlten GOttes beſchuldigen? GOtt iſt hie/ der gerecht macht. Allwo clar zu ſehen/ was Rechtfertigen heiſſe/ und worinnen es beſtehe. 2. Haben wir zu mercken neceſſitatem ἀυτοκατακρίσεως, wie noth- wendig es ſeye/ daß ein Menſch ſich ſelbſt richte und verdamme. Einmal wollen wir nicht am Juͤngſten Tag gerichtet ſeyn/ und ins Gericht kom- men/ ſo muͤſſen wir uns hier ſelbſt richten/ uns ſelbs und unſern alten Adam auff Leib und Leben verklagen/ es muß uns zuvor heiß werden/ und das Gewiſſen gereget ſeyn/ ehe wir ad Thronum gratiæ, an den Thron der Gnaden appelliren; Der Menſch muß zuvor in die Hoͤlle/ ehe er ge- dencket in den Himmel zu kommen/ prius deſperare quàm aſpirare, ehe an ſich ſelbſten verzweifflen/ als ſich hinauffwerts Hoffnung und Ge- dancken machen. Es iſt Gottes klarer Befelch/ mit angehaͤngter Draͤu- ung und Verheiſſung/ auff den Fall/ ſo wir es thun/ oder nicht thun wer- den. Paulus ſpricht 1. Cor. 11/ 31. So wir uns ſelber richten/ ſo werden wir nicht gerichtet. Die Kirch GOttes vermahnet dazu Thren. 3, 40. Laſſet uns forſchen und ſuchen unſer Weſen/ und uns zum HErꝛn bekehren. Syr. 18, 20. Straffe dich vor ſelber/ ehe du andere urtheileſt/ ſo wirſtu Gnade finden/ wann andere geſtrafft werden. Es iſt GOttes weiſe Ordnung alſo/ Rom. 2/ 15. daß die Gewiſſen und Gedancken die Menſchen uͤberzeugen ſollen 1. Cor- 2/ 11. Deut. 6/ 8. Es gehet dahin die Vermahnung der H. Kirchen-Vaͤter/ Hieron. l. 3. apolog. Rufin. Duorum temporum quam maxime ha- benda cura, manè & veſperi, manè ad præteritæ noctis exactionem, (wie Bernhard. redet I. de vit. ſolit) & venturæ diei cautionem, veſperi ad rationis exactionem. das iſt: Auff zwo Zeiten ſolle man ſonder- lich

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/86>, abgerufen am 25.11.2024.