Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Neunte Predigt
Backen/ dem biete den andern auch dar Matth. 5/ 39. Viel weni-
ger ist es barbara Monomachia, das Fordern und Kugel wechseln/
als welches ein ungerechtes Mittel/ weil keiner in seiner eygenen Sach
Richter seyn kan. Ein schimpfflicher Handel/ dum fugiunt infamiam
falsam, incidunt in veram,
saget recht und wohl Augustinus von solchen
Leuten/ das ist/ in dem sie dem vermeinten falschen Schimpff
entgehen wollen/ fallen sie allererst in den rechten. Es ist ein
barbarisches Mittel/ welches von den alten wilden Heyden herkommet/
und unter Christen nicht soll gehöret werden. Ein unmenschliches/ un-
Christliches/ ja teufflisches Mittel/ dadurch der Mensch um Leib und Seel
gebracht wird. Sondern es ist Elenchus, ein Straff- und Zucht-
Mittel/ elegxon, straffe ihn/ elencho 1. praeventaneo, komme ihm zu-
vor/ vade, sagt Christus der Herr/ gehe hin/ warte nicht/ biß er kommt
und sich anmeldet/ arte dem himmlischen Vater nach; solte Er uns Men-
schen nicht verzeihen biß wir ihm entgegen giengen/ es würde sehr langsam
damit hergehen. 2. Elencho convictivo, überweise ihn auß GOttes
Wort/ daß er einmahl unrecht gethan/ wider GOtt und die Liebe des
Nächsten gehandelt. Dann das heißt elegkhein: nicht suggillativo, gib
ihm unblutige Stich/ daß er es doch empfindet. Dann vielleicht hat er
seine redliche Entschuldigung. 3. Elencho secreto, Straffe ihn zwi-
schen dir und ihm allein. Blesinirs nicht alsobald auß/ schlags nicht
auff der Trommel herum/ lauffe nicht alsobald an die Grosse Glock/ dif-
fami
re ihn nicht/ ne sis proditor potius quam corrector. wie Augustin.
serm. 16. de veribs Domini
redet/ damit du nicht mehr ein Verräther als
Besserer seyest/ dadurch nur greuliche Verbitterung entstehet. 4. Elencho
mansueto & reconciliationis cupido,
mit Sanfftmuth und versöhnli-
chem Geist/ daß des Nächsten Leumden verschonet werde/ und niemand
unbilliches geschehe/ und an uns anders nichts gespühret werde/ dann daß
wir des Nächsten Besserung und Heyl suchen. Wie offt soll ich
meinem Bruder vergeben? sollen wir auch fragen mit Petro/ dazu
soll es angesehen seyn. Habenda ratio & diligentia est primum, ut
monitio acerbitate, deinde objurgatio contumelia careat.
Man muß
zusehen und Fleiß anwenden zu allerforderst/ daß die Vermah-
nung ohne Bitterkeit und Zorn/ die Straff ohne Schmach
und übele Nachrede gefasset seye/ spricht Cicero der weiße Heyd.
Plus proficit amica correctio, quam turbulenta accusatio, saget Ambro-
sius l. 8. in Luc.
Eine freundliche Correction hat mehr Nutzen/
als eine hefftige Beschuldigung/ als eine rauhe und wüste An-

klag.

Die Neunte Predigt
Backen/ dem biete den andern auch dar Matth. 5/ 39. Viel weni-
ger iſt es barbara Monomachia, das Fordern und Kugel wechſeln/
als welches ein ungerechtes Mittel/ weil keiner in ſeiner eygenen Sach
Richter ſeyn kan. Ein ſchimpfflicher Handel/ dum fugiunt infamiam
falſam, incidunt in veram,
ſaget recht und wohl Auguſtinus von ſolchen
Leuten/ das iſt/ in dem ſie dem vermeinten falſchen Schimpff
entgehen wollen/ fallen ſie allererſt in den rechten. Es iſt ein
barbariſches Mittel/ welches von den alten wilden Heyden herkommet/
und unter Chriſten nicht ſoll gehoͤret werden. Ein unmenſchliches/ un-
Chriſtliches/ ja teuffliſches Mittel/ dadurch der Menſch um Leib und Seel
gebracht wird. Sondern es iſt Elenchus, ein Straff- und Zucht-
Mittel/ ἔλεγξον, ſtraffe ihn/ elencho 1. præventaneo, komme ihm zu-
vor/ vade, ſagt Chriſtus der Herr/ gehe hin/ warte nicht/ biß er kommt
und ſich anmeldet/ arte dem himmliſchen Vater nach; ſolte Er uns Men-
ſchen nicht verzeihen biß wir ihm entgegen giengen/ es wuͤrde ſehr langſam
damit hergehen. 2. Elencho convictivo, uͤberweiſe ihn auß GOttes
Wort/ daß er einmahl unrecht gethan/ wider GOtt und die Liebe des
Naͤchſten gehandelt. Dann das heißt ἐλέγχειν: nicht ſuggillativo, gib
ihm unblutige Stich/ daß er es doch empfindet. Dann vielleicht hat er
ſeine redliche Entſchuldigung. 3. Elencho ſecreto, Straffe ihn zwi-
ſchen dir und ihm allein. Bleſinirs nicht alſobald auß/ ſchlags nicht
auff der Trommel herum/ lauffe nicht alſobald an die Groſſe Glock/ dif-
fami
re ihn nicht/ ne ſis proditor potiùs quàm corrector. wie Auguſtin.
ſerm. 16. de veribs Domini
redet/ damit du nicht mehr ein Verraͤther als
Beſſerer ſeyeſt/ dadurch nur greuliche Verbitterung entſtehet. 4. Elencho
manſueto & reconciliationis cupido,
mit Sanfftmuth und verſoͤhnli-
chem Geiſt/ daß des Naͤchſten Leumden verſchonet werde/ und niemand
unbilliches geſchehe/ und an uns anders nichts geſpuͤhret werde/ dann daß
wir des Naͤchſten Beſſerung und Heyl ſuchen. Wie offt ſoll ich
meinem Bruder vergeben? ſollen wir auch fragen mit Petro/ dazu
ſoll es angeſehen ſeyn. Habenda ratio & diligentia eſt primùm, ut
monitio acerbitate, deinde objurgatio contumelia careat.
Man muß
zuſehen und Fleiß anwenden zu allerforderſt/ daß die Vermah-
nung ohne Bitterkeit und Zorn/ die Straff ohne Schmach
und uͤbele Nachrede gefaſſet ſeye/ ſpricht Cicero der weiße Heyd.
Plus proficit amica correctio, quàm turbulenta accuſatio, ſaget Ambro-
ſius l. 8. in Luc.
Eine freundliche Correction hat mehr Nutzen/
als eine hefftige Beſchuldigung/ als eine rauhe und wuͤſte An-

klag.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0298" n="280"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Neunte Predigt</hi></fw><lb/>
Backen/ dem biete den andern auch dar Matth. 5/ 39. Viel weni-<lb/>
ger i&#x017F;t es <hi rendition="#aq">barbara Monomachia,</hi> das Fordern und Kugel wech&#x017F;eln/<lb/>
als welches ein ungerechtes Mittel/ weil keiner in &#x017F;einer eygenen Sach<lb/>
Richter &#x017F;eyn kan. Ein &#x017F;chimpfflicher Handel/ <hi rendition="#aq">dum fugiunt infamiam<lb/>
fal&#x017F;am, incidunt in veram,</hi> &#x017F;aget recht und wohl <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tinus</hi> von &#x017F;olchen<lb/>
Leuten/ das i&#x017F;t/ in dem &#x017F;ie dem vermeinten fal&#x017F;chen Schimpff<lb/>
entgehen wollen/ fallen &#x017F;ie allerer&#x017F;t in den rechten. Es i&#x017F;t ein<lb/>
barbari&#x017F;ches Mittel/ welches von den alten wilden Heyden herkommet/<lb/>
und unter Chri&#x017F;ten nicht &#x017F;oll geho&#x0364;ret werden. Ein unmen&#x017F;chliches/ un-<lb/>
Chri&#x017F;tliches/ ja teuffli&#x017F;ches Mittel/ dadurch der Men&#x017F;ch um Leib und Seel<lb/>
gebracht wird. Sondern es i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Elenchus,</hi> ein Straff- und Zucht-<lb/>
Mittel/ &#x1F14;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B3;&#x03BE;&#x03BF;&#x03BD;, &#x017F;traffe ihn/ <hi rendition="#aq">elencho 1. præventaneo,</hi> komme ihm zu-<lb/>
vor/ <hi rendition="#aq">vade,</hi> &#x017F;agt Chri&#x017F;tus der <hi rendition="#k">Herr/</hi> gehe hin/ warte nicht/ biß er kommt<lb/>
und &#x017F;ich anmeldet/ arte dem himmli&#x017F;chen <choice><sic>Vatet</sic><corr>Vater</corr></choice> nach; &#x017F;olte Er uns Men-<lb/>
&#x017F;chen nicht verzeihen biß wir ihm entgegen giengen/ es wu&#x0364;rde &#x017F;ehr lang&#x017F;am<lb/>
damit hergehen. 2. <hi rendition="#aq">Elencho convictivo,</hi> u&#x0364;berwei&#x017F;e ihn auß GOttes<lb/>
Wort/ daß er einmahl unrecht gethan/ wider <hi rendition="#k">GOtt</hi> und die Liebe des<lb/>
Na&#x0364;ch&#x017F;ten gehandelt. Dann das heißt &#x1F10;&#x03BB;&#x03AD;&#x03B3;&#x03C7;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;: nicht <hi rendition="#aq">&#x017F;uggillativo,</hi> gib<lb/>
ihm unblutige Stich/ daß er es doch empfindet. Dann vielleicht hat er<lb/>
&#x017F;eine redliche Ent&#x017F;chuldigung. 3. <hi rendition="#aq">Elencho &#x017F;ecreto,</hi> Straffe ihn zwi-<lb/>
&#x017F;chen dir und ihm allein. Ble&#x017F;inirs nicht al&#x017F;obald auß/ &#x017F;chlags nicht<lb/>
auff der Trommel herum/ lauffe nicht al&#x017F;obald an die Gro&#x017F;&#x017F;e Glock/ <hi rendition="#aq">dif-<lb/>
fami</hi>re ihn nicht/ <hi rendition="#aq">ne &#x017F;is proditor potiùs quàm corrector.</hi> wie <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tin.<lb/>
&#x017F;erm. 16. de veribs Domini</hi> redet/ damit du nicht mehr ein Verra&#x0364;ther als<lb/>
Be&#x017F;&#x017F;erer &#x017F;eye&#x017F;t/ dadurch nur greuliche Verbitterung ent&#x017F;tehet. 4. <hi rendition="#aq">Elencho<lb/>
man&#x017F;ueto &amp; reconciliationis cupido,</hi> mit Sanfftmuth und ver&#x017F;o&#x0364;hnli-<lb/>
chem Gei&#x017F;t/ daß des Na&#x0364;ch&#x017F;ten Leumden ver&#x017F;chonet werde/ und niemand<lb/>
unbilliches ge&#x017F;chehe/ und an uns anders nichts ge&#x017F;pu&#x0364;hret werde/ dann daß<lb/>
wir des Na&#x0364;ch&#x017F;ten Be&#x017F;&#x017F;erung und Heyl &#x017F;uchen. Wie offt &#x017F;oll ich<lb/>
meinem Bruder vergeben<hi rendition="#fr">?</hi> &#x017F;ollen wir auch fragen mit Petro/ dazu<lb/>
&#x017F;oll es ange&#x017F;ehen &#x017F;eyn. <hi rendition="#aq">Habenda ratio &amp; diligentia e&#x017F;t primùm, ut<lb/>
monitio acerbitate, deinde objurgatio contumelia careat.</hi> Man muß<lb/>
zu&#x017F;ehen und Fleiß anwenden zu allerforder&#x017F;t/ daß die Vermah-<lb/>
nung ohne Bitterkeit und Zorn/ die Straff ohne Schmach<lb/>
und u&#x0364;bele Nachrede gefa&#x017F;&#x017F;et &#x017F;eye/ &#x017F;pricht <hi rendition="#aq">Cicero</hi> der weiße Heyd.<lb/><hi rendition="#aq">Plus proficit amica correctio, quàm turbulenta accu&#x017F;atio,</hi> &#x017F;aget <hi rendition="#aq">Ambro-<lb/>
&#x017F;ius l. 8. in Luc.</hi> Eine freundliche Correction hat mehr Nutzen/<lb/>
als eine hefftige Be&#x017F;chuldigung/ als eine rauhe und wu&#x0364;&#x017F;te An-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">klag.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0298] Die Neunte Predigt Backen/ dem biete den andern auch dar Matth. 5/ 39. Viel weni- ger iſt es barbara Monomachia, das Fordern und Kugel wechſeln/ als welches ein ungerechtes Mittel/ weil keiner in ſeiner eygenen Sach Richter ſeyn kan. Ein ſchimpfflicher Handel/ dum fugiunt infamiam falſam, incidunt in veram, ſaget recht und wohl Auguſtinus von ſolchen Leuten/ das iſt/ in dem ſie dem vermeinten falſchen Schimpff entgehen wollen/ fallen ſie allererſt in den rechten. Es iſt ein barbariſches Mittel/ welches von den alten wilden Heyden herkommet/ und unter Chriſten nicht ſoll gehoͤret werden. Ein unmenſchliches/ un- Chriſtliches/ ja teuffliſches Mittel/ dadurch der Menſch um Leib und Seel gebracht wird. Sondern es iſt Elenchus, ein Straff- und Zucht- Mittel/ ἔλεγξον, ſtraffe ihn/ elencho 1. præventaneo, komme ihm zu- vor/ vade, ſagt Chriſtus der Herr/ gehe hin/ warte nicht/ biß er kommt und ſich anmeldet/ arte dem himmliſchen Vater nach; ſolte Er uns Men- ſchen nicht verzeihen biß wir ihm entgegen giengen/ es wuͤrde ſehr langſam damit hergehen. 2. Elencho convictivo, uͤberweiſe ihn auß GOttes Wort/ daß er einmahl unrecht gethan/ wider GOtt und die Liebe des Naͤchſten gehandelt. Dann das heißt ἐλέγχειν: nicht ſuggillativo, gib ihm unblutige Stich/ daß er es doch empfindet. Dann vielleicht hat er ſeine redliche Entſchuldigung. 3. Elencho ſecreto, Straffe ihn zwi- ſchen dir und ihm allein. Bleſinirs nicht alſobald auß/ ſchlags nicht auff der Trommel herum/ lauffe nicht alſobald an die Groſſe Glock/ dif- famire ihn nicht/ ne ſis proditor potiùs quàm corrector. wie Auguſtin. ſerm. 16. de veribs Domini redet/ damit du nicht mehr ein Verraͤther als Beſſerer ſeyeſt/ dadurch nur greuliche Verbitterung entſtehet. 4. Elencho manſueto & reconciliationis cupido, mit Sanfftmuth und verſoͤhnli- chem Geiſt/ daß des Naͤchſten Leumden verſchonet werde/ und niemand unbilliches geſchehe/ und an uns anders nichts geſpuͤhret werde/ dann daß wir des Naͤchſten Beſſerung und Heyl ſuchen. Wie offt ſoll ich meinem Bruder vergeben? ſollen wir auch fragen mit Petro/ dazu ſoll es angeſehen ſeyn. Habenda ratio & diligentia eſt primùm, ut monitio acerbitate, deinde objurgatio contumelia careat. Man muß zuſehen und Fleiß anwenden zu allerforderſt/ daß die Vermah- nung ohne Bitterkeit und Zorn/ die Straff ohne Schmach und uͤbele Nachrede gefaſſet ſeye/ ſpricht Cicero der weiße Heyd. Plus proficit amica correctio, quàm turbulenta accuſatio, ſaget Ambro- ſius l. 8. in Luc. Eine freundliche Correction hat mehr Nutzen/ als eine hefftige Beſchuldigung/ als eine rauhe und wuͤſte An- klag.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/298
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/298>, abgerufen am 14.08.2024.