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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Die Sechste Predigt
lich Jesus Christus erzeigete alle Gedult/ zum Exempel denen/
die an ihn glauben sollen zum ewigen Leben. 1. Tim. 1/ 15. 16. Aber
damit ists noch nicht außgericht/ sondern es folget ferner nach Erfrischung
Göttlicher Ordnung und Glaubens-Analogi; die schmertzliche/ hertzliche/
und innigliche Erkantnuß/ und seind also des Löß-Schlüssels fähig.

II. Agnoscentes captivitatem, die ihr Elend und Gefangen-
schafft erkennen/ der Teuffel/ als ein starcker gewapneter/ der ihme das
Wildprett nicht gern laßt auß den Klauen ziehen/ verblendet die Hertzen/
daß sie ihre Stricke nicht sehen. Gleich wie die Phrenetici, die arme Tol-
len/ die im Käffig sitzen/ sich noch grosse Freyheit und Herrlichkeit einbilden:
Also sind wir von Natur/ wie die Vernae und heimgebohrne leibeygene
Knechte/ und verstehen unsern Jammer nicht. Zum Exempel/ die Rei-
chen in der Welt/ die ihres eygenen Guts Sclaven und Gefangene seynd/
die wohnen in palatiis, haben Kisten und Kästen alles voll/ des Prachts
und Haußraths überflüssig/ tragen guldene Ketten am Hals/ das hat
kein Ansehen einer Gefängnuß/ und seynd doch dieses die rechte Stricke
und Käffig/ auro alligati possidentur magis quam possident, schreibt
Cyprian. lib. 2. epist. 2. das ist: Sie seynd vom Gold verstricket/
und werden von ihm mehr besessen/ dann daß sie es besitzen.
Gehet ihnen eben wie gefangenen Königen/ davon Tertullian. schreibet/
l. 2. de habit. mulier. c. 7. Apud barbaros quosdam quia vernaculum
est aurum & copiosum auro vinctos in ergastulis habent, & divitiis ma-
los onerant, tanto locupletiores, quanto nocentiores. Accommodi
rt
dasselbe auff das prächtige Weibs-Volck/ das gedencket nicht/ daß präch-
tige Kleider anders nichts seyen/ als prächtige Stricke ihrer Gefängnuß.
Ein mancher Edelmann/ Freyherr/ Graff/ Fürst/ bildet ihm grosse Frey-
heit ein/ und ist doch ein Sclav und Gefangener des bösen Geistes/ servus
tot dominorum quot vitiorum,
ein Knecht so vieler Herren/ so vielen
Lastern er unterworffen/ wie vor zeiten die Brachmaner Alexandrum Ma-
gnum
beschlagen. Und so gehets mit andern Sünden mehr/ je tieffer man-
cher drinnen stecket/ je weniger er will gefangen seyn/ lacht noch wol drüber.
Ja welches das allerärgste/ so ist der Mensch nicht nur blind/ sondern
wann man ihm von seinem Elend sagt/ so treibt er noch ein Gespött dar-
auß/ ziehets noch wol in ein Gelächter/ als wann man den Löß-Schlüssel ei-
nem Thurn-Schlüssel vergleicht/ das Predig-Ampt einem Stock-Meister/
analogo[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt], der Glaubens-Regul gemäß/ saphos, evidenter, und gehofft/ es
solte männiglich erzittern/ erschrecken/ es zu Hertzen nehmen/ einen Schauder

lassen

Die Sechſte Predigt
lich Jeſus Chriſtus erzeigete alle Gedult/ zum Exempel denen/
die an ihn glauben ſollen zum ewigen Leben. 1. Tim. 1/ 15. 16. Aber
damit iſts noch nicht außgericht/ ſondern es folget ferner nach Erfriſchung
Goͤttlicher Ordnung und Glaubens-Analogi; die ſchmertzliche/ hertzliche/
und innigliche Erkantnuß/ und ſeind alſo des Loͤß-Schluͤſſels faͤhig.

II. Agnoſcentes captivitatem, die ihr Elend und Gefangen-
ſchafft erkennen/ der Teuffel/ als ein ſtarcker gewapneter/ der ihme das
Wildprett nicht gern laßt auß den Klauen ziehen/ verblendet die Hertzen/
daß ſie ihre Stricke nicht ſehen. Gleich wie die Phrenetici, die arme Tol-
len/ die im Kaͤffig ſitzen/ ſich noch groſſe Freyheit und Herꝛlichkeit einbilden:
Alſo ſind wir von Natur/ wie die Vernæ und heimgebohrne leibeygene
Knechte/ und verſtehen unſern Jammer nicht. Zum Exempel/ die Rei-
chen in der Welt/ die ihres eygenen Guts Sclaven und Gefangene ſeynd/
die wohnen in palatiis, haben Kiſten und Kaͤſten alles voll/ des Prachts
und Haußraths uͤberfluͤſſig/ tragen guldene Ketten am Hals/ das hat
kein Anſehen einer Gefaͤngnuß/ und ſeynd doch dieſes die rechte Stricke
und Kaͤffig/ auro alligati poſſidentur magis quàm poſſident, ſchreibt
Cyprian. lib. 2. epiſt. 2. das iſt: Sie ſeynd vom Gold verſtricket/
und werden von ihm mehr beſeſſen/ dann daß ſie es beſitzen.
Gehet ihnen eben wie gefangenen Koͤnigen/ davon Tertullian. ſchreibet/
l. 2. de habit. mulier. c. 7. Apud barbaros quosdam quia vernaculum
eſt aurum & copioſum auro vinctos in ergaſtulis habent, & divitiis ma-
los onerant, tantò locupletiores, quantò nocentiores. Accommodi
rt
daſſelbe auff das praͤchtige Weibs-Volck/ das gedencket nicht/ daß praͤch-
tige Kleider anders nichts ſeyen/ als praͤchtige Stricke ihrer Gefaͤngnuß.
Ein mancher Edelmann/ Freyherꝛ/ Graff/ Fuͤrſt/ bildet ihm groſſe Frey-
heit ein/ und iſt doch ein Sclav und Gefangener des boͤſen Geiſtes/ ſervus
tot dominorum quot vitiorum,
ein Knecht ſo vieler Herren/ ſo vielen
Laſtern er unterworffen/ wie vor zeiten die Brachmaner Alexandrum Ma-
gnum
beſchlagen. Und ſo gehets mit andern Suͤnden mehr/ je tieffer man-
cher drinnen ſtecket/ je weniger er will gefangen ſeyn/ lacht noch wol druͤber.
Ja welches das alleraͤrgſte/ ſo iſt der Menſch nicht nur blind/ ſondern
wann man ihm von ſeinem Elend ſagt/ ſo treibt er noch ein Geſpoͤtt dar-
auß/ ziehets noch wol in ein Gelaͤchter/ als wann man den Loͤß-Schluͤſſel ei-
nem Thurn-Schluͤſſel vergleicht/ das Predig-Ampt einem Stock-Meiſter/
analog[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt], der Glaubens-Regul gemaͤß/ σαφὠς, evidenter, und gehofft/ es
ſolte maͤnniglich erzittern/ erſchrecken/ es zu Hertzen nehmen/ einen Schauder

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[250/0268] Die Sechſte Predigt lich Jeſus Chriſtus erzeigete alle Gedult/ zum Exempel denen/ die an ihn glauben ſollen zum ewigen Leben. 1. Tim. 1/ 15. 16. Aber damit iſts noch nicht außgericht/ ſondern es folget ferner nach Erfriſchung Goͤttlicher Ordnung und Glaubens-Analogi; die ſchmertzliche/ hertzliche/ und innigliche Erkantnuß/ und ſeind alſo des Loͤß-Schluͤſſels faͤhig. II. Agnoſcentes captivitatem, die ihr Elend und Gefangen- ſchafft erkennen/ der Teuffel/ als ein ſtarcker gewapneter/ der ihme das Wildprett nicht gern laßt auß den Klauen ziehen/ verblendet die Hertzen/ daß ſie ihre Stricke nicht ſehen. Gleich wie die Phrenetici, die arme Tol- len/ die im Kaͤffig ſitzen/ ſich noch groſſe Freyheit und Herꝛlichkeit einbilden: Alſo ſind wir von Natur/ wie die Vernæ und heimgebohrne leibeygene Knechte/ und verſtehen unſern Jammer nicht. Zum Exempel/ die Rei- chen in der Welt/ die ihres eygenen Guts Sclaven und Gefangene ſeynd/ die wohnen in palatiis, haben Kiſten und Kaͤſten alles voll/ des Prachts und Haußraths uͤberfluͤſſig/ tragen guldene Ketten am Hals/ das hat kein Anſehen einer Gefaͤngnuß/ und ſeynd doch dieſes die rechte Stricke und Kaͤffig/ auro alligati poſſidentur magis quàm poſſident, ſchreibt Cyprian. lib. 2. epiſt. 2. das iſt: Sie ſeynd vom Gold verſtricket/ und werden von ihm mehr beſeſſen/ dann daß ſie es beſitzen. Gehet ihnen eben wie gefangenen Koͤnigen/ davon Tertullian. ſchreibet/ l. 2. de habit. mulier. c. 7. Apud barbaros quosdam quia vernaculum eſt aurum & copioſum auro vinctos in ergaſtulis habent, & divitiis ma- los onerant, tantò locupletiores, quantò nocentiores. Accommodirt daſſelbe auff das praͤchtige Weibs-Volck/ das gedencket nicht/ daß praͤch- tige Kleider anders nichts ſeyen/ als praͤchtige Stricke ihrer Gefaͤngnuß. Ein mancher Edelmann/ Freyherꝛ/ Graff/ Fuͤrſt/ bildet ihm groſſe Frey- heit ein/ und iſt doch ein Sclav und Gefangener des boͤſen Geiſtes/ ſervus tot dominorum quot vitiorum, ein Knecht ſo vieler Herren/ ſo vielen Laſtern er unterworffen/ wie vor zeiten die Brachmaner Alexandrum Ma- gnum beſchlagen. Und ſo gehets mit andern Suͤnden mehr/ je tieffer man- cher drinnen ſtecket/ je weniger er will gefangen ſeyn/ lacht noch wol druͤber. Ja welches das alleraͤrgſte/ ſo iſt der Menſch nicht nur blind/ ſondern wann man ihm von ſeinem Elend ſagt/ ſo treibt er noch ein Geſpoͤtt dar- auß/ ziehets noch wol in ein Gelaͤchter/ als wann man den Loͤß-Schluͤſſel ei- nem Thurn-Schluͤſſel vergleicht/ das Predig-Ampt einem Stock-Meiſter/ analogῶ_ , der Glaubens-Regul gemaͤß/ σαφὠς, evidenter, und gehofft/ es ſolte maͤnniglich erzittern/ erſchrecken/ es zu Hertzen nehmen/ einen Schauder laſſen

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/268>, abgerufen am 25.11.2024.