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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Die Ein und Zwantzigste Predigt
lich angesehen/ sein Hertz gegen ihm geneigt/ ihm entgegen geloffen/ um-
fasset und geküsset/ da er doch voller Unflath gehangen. Erlanget darauff
die Investitur und Einweihung/ wird mit dem köstlichen Kleid der Un-
schuld JEsu Christi angezogen/ bekomt den Ring/ den H. Geist/ und die
Schuh der Freyheit. Wird auch mit einem gemästen Kalb bewillkom-
met/ herrlich tractiret/ und gäntzlich loß gesprochen. Bleibt darauff ein
gehorsamer Sohn/ mit Früchten der Gerechtigkeit gezieret/ in Gesund-
heit und Wachsamkeit. Das ist der Weg ad primatum, wann man
der Ersten einer werden wil.

Hingegen ist dieses der verdamliche Weg der Letsten und Verworffe-
nen/ den wir an dem Bruder des verlohrnen Sohns warnehmen. Der
Weg der Sicherheit/ Epicureischen Unwesens/ da befindet sich Pharisäi-
sche Blindheit/ Unerkanntnuß seiner selbs/ GOttes und Christi. Pha-
risäische Gerechtig- und Heiligkeit; Pharisäischer Hochmuth/ Selbs-
Lieb/ Ehrgeitz und Verachtung des Nächsten/ Pharisäische Heucheley/ mit
Geitz und Wucher/ Schaden-Freud und Mißgunst.

Hier ist nun Litera Pythagorae, das Griechische Y, ein zwiefacher
Tugend- und Laster-Schmertz- und Wollust-Warheit- und Lugen-rech-
ter und lincker-Liechts- und Finsternuß- Himmels- und Höllen-Weg.
Da laßt uns die Kinder der Finsternuß und dieser Welt imitiren/ die sich
um die Narren-Kappe reissen/ einen Praecedenz-Streit anfangen/ und
wie die Bettler draussen zu Gutleuten um die erste Stelle zancken; wie die
Kriegs-Leute/ ringen im Gebet/ in der Buß/ und im Kirchen-gehen nach
dem Himmel-Kleinod; wie die Zöllner und Sünder/ Luc. 15. auff einan-
der tringen/ werder nächste bey Christo seyn kan/ und in gutem Verstand
dem Himmelreich Gewalt anlegen/ daß wir es zu uns reissen/ und unter
den ersten mögen erfunden werden.

Schließlich so lehret auch Christus allhie/ welches die objecta seyen
des Löß-Schlüssels/ nemlich die bußfertige verlohrne Söhne/ die
novissimi, welche in der Welt und ihren Augen die Letsten seynd; des
Bind-Schlüssels aber die Epicurer und stoltze Heilige/ die cauteriati,
so die Warheit gefangen halten in der Ungerechtigkeit/ seyn fühl-loß.
Und das ist die Lehre vom verlohrnen Sohn.

Wann Comödien und Dramata vor diesem außgeweßt/ ist ein Epi-
logus
daran gehängt worden/ und hat man geruffen/ plaudite, darauff
ein kunstreiches Feurwerck gefolget ist/ zu bezeugen damit/ wann das
Spiel dieses Lebens werde auß seyn/ so wird ein schröckliches Feurwerck
folgen/ da die grosse Welt-Puppe vergehen/ und der prodromus des

höllischen

Die Ein und Zwantzigſte Predigt
lich angeſehen/ ſein Hertz gegen ihm geneigt/ ihm entgegen geloffen/ um-
faſſet und gekuͤſſet/ da er doch voller Unflath gehangen. Erlanget darauff
die Inveſtitur und Einweihung/ wird mit dem koͤſtlichen Kleid der Un-
ſchuld JEſu Chriſti angezogen/ bekomt den Ring/ den H. Geiſt/ und die
Schuh der Freyheit. Wird auch mit einem gemaͤſten Kalb bewillkom-
met/ herꝛlich tractiret/ und gaͤntzlich loß geſprochen. Bleibt darauff ein
gehorſamer Sohn/ mit Fruͤchten der Gerechtigkeit gezieret/ in Geſund-
heit und Wachſamkeit. Das iſt der Weg ad primatum, wann man
der Erſten einer werden wil.

Hingegen iſt dieſes der verdamliche Weg der Letſten und Verworffe-
nen/ den wir an dem Bruder des verlohrnen Sohns warnehmen. Der
Weg der Sicherheit/ Epicureiſchen Unweſens/ da befindet ſich Phariſaͤi-
ſche Blindheit/ Unerkanntnuß ſeiner ſelbs/ GOttes und Chriſti. Pha-
riſaͤiſche Gerechtig- und Heiligkeit; Phariſaͤiſcher Hochmuth/ Selbs-
Lieb/ Ehrgeitz und Verachtung des Naͤchſten/ Phariſaͤiſche Heucheley/ mit
Geitz und Wucher/ Schaden-Freud und Mißgunſt.

Hier iſt nun Litera Pythagoræ, das Griechiſche Y, ein zwiefacher
Tugend- und Laſter-Schmertz- und Wolluſt-Warheit- und Lugen-rech-
ter und lincker-Liechts- und Finſternuß- Himmels- und Hoͤllen-Weg.
Da laßt uns die Kinder der Finſternuß und dieſer Welt imitiren/ die ſich
um die Narren-Kappe reiſſen/ einen Præcedenz-Streit anfangen/ und
wie die Bettler drauſſen zu Gutleuten um die erſte Stelle zancken; wie die
Kriegs-Leute/ ringen im Gebet/ in der Buß/ und im Kirchen-gehen nach
dem Himmel-Kleinod; wie die Zoͤllner und Suͤnder/ Luc. 15. auff einan-
der tringen/ werder naͤchſte bey Chriſto ſeyn kan/ und in gutem Verſtand
dem Himmelreich Gewalt anlegen/ daß wir es zu uns reiſſen/ und unter
den erſten moͤgen erfunden werden.

Schließlich ſo lehret auch Chriſtus allhie/ welches die objecta ſeyen
des Loͤß-Schluͤſſels/ nemlich die bußfertige verlohrne Soͤhne/ die
noviſſimi, welche in der Welt und ihren Augen die Letſten ſeynd; des
Bind-Schluͤſſels aber die Epicurer und ſtoltze Heilige/ die cauteriati,
ſo die Warheit gefangen halten in der Ungerechtigkeit/ ſeyn fuͤhl-loß.
Und das iſt die Lehre vom verlohrnen Sohn.

Wann Comoͤdien und Dramata vor dieſem außgeweßt/ iſt ein Epi-
logus
daran gehaͤngt worden/ und hat man geruffen/ plaudite, darauff
ein kunſtreiches Feurwerck gefolget iſt/ zu bezeugen damit/ wann das
Spiel dieſes Lebens werde auß ſeyn/ ſo wird ein ſchroͤckliches Feurwerck
folgen/ da die groſſe Welt-Puppe vergehen/ und der prodromus des

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[188/0206] Die Ein und Zwantzigſte Predigt lich angeſehen/ ſein Hertz gegen ihm geneigt/ ihm entgegen geloffen/ um- faſſet und gekuͤſſet/ da er doch voller Unflath gehangen. Erlanget darauff die Inveſtitur und Einweihung/ wird mit dem koͤſtlichen Kleid der Un- ſchuld JEſu Chriſti angezogen/ bekomt den Ring/ den H. Geiſt/ und die Schuh der Freyheit. Wird auch mit einem gemaͤſten Kalb bewillkom- met/ herꝛlich tractiret/ und gaͤntzlich loß geſprochen. Bleibt darauff ein gehorſamer Sohn/ mit Fruͤchten der Gerechtigkeit gezieret/ in Geſund- heit und Wachſamkeit. Das iſt der Weg ad primatum, wann man der Erſten einer werden wil. Hingegen iſt dieſes der verdamliche Weg der Letſten und Verworffe- nen/ den wir an dem Bruder des verlohrnen Sohns warnehmen. Der Weg der Sicherheit/ Epicureiſchen Unweſens/ da befindet ſich Phariſaͤi- ſche Blindheit/ Unerkanntnuß ſeiner ſelbs/ GOttes und Chriſti. Pha- riſaͤiſche Gerechtig- und Heiligkeit; Phariſaͤiſcher Hochmuth/ Selbs- Lieb/ Ehrgeitz und Verachtung des Naͤchſten/ Phariſaͤiſche Heucheley/ mit Geitz und Wucher/ Schaden-Freud und Mißgunſt. Hier iſt nun Litera Pythagoræ, das Griechiſche Y, ein zwiefacher Tugend- und Laſter-Schmertz- und Wolluſt-Warheit- und Lugen-rech- ter und lincker-Liechts- und Finſternuß- Himmels- und Hoͤllen-Weg. Da laßt uns die Kinder der Finſternuß und dieſer Welt imitiren/ die ſich um die Narren-Kappe reiſſen/ einen Præcedenz-Streit anfangen/ und wie die Bettler drauſſen zu Gutleuten um die erſte Stelle zancken; wie die Kriegs-Leute/ ringen im Gebet/ in der Buß/ und im Kirchen-gehen nach dem Himmel-Kleinod; wie die Zoͤllner und Suͤnder/ Luc. 15. auff einan- der tringen/ werder naͤchſte bey Chriſto ſeyn kan/ und in gutem Verſtand dem Himmelreich Gewalt anlegen/ daß wir es zu uns reiſſen/ und unter den erſten moͤgen erfunden werden. Schließlich ſo lehret auch Chriſtus allhie/ welches die objecta ſeyen des Loͤß-Schluͤſſels/ nemlich die bußfertige verlohrne Soͤhne/ die noviſſimi, welche in der Welt und ihren Augen die Letſten ſeynd; des Bind-Schluͤſſels aber die Epicurer und ſtoltze Heilige/ die cauteriati, ſo die Warheit gefangen halten in der Ungerechtigkeit/ ſeyn fuͤhl-loß. Und das iſt die Lehre vom verlohrnen Sohn. Wann Comoͤdien und Dramata vor dieſem außgeweßt/ iſt ein Epi- logus daran gehaͤngt worden/ und hat man geruffen/ plaudite, darauff ein kunſtreiches Feurwerck gefolget iſt/ zu bezeugen damit/ wann das Spiel dieſes Lebens werde auß ſeyn/ ſo wird ein ſchroͤckliches Feurwerck folgen/ da die groſſe Welt-Puppe vergehen/ und der prodromus des hoͤlliſchen

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/206>, abgerufen am 22.11.2024.