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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Vom verlohrnen Sohn.
menta er dazu gehabt. Wie ihr nun deßwegen einen Greuel an ihme habt/
also hat auch GOtt der himmlische Vater ein Abscheuen an euch/ die ihr
ihm in allen Stucken gleich seyd. Das ist die Pharisäische Gerechtigkeit.

Wie tieff nun/ M. L. stecket dieser Pharisaismus auch uns allen in
dem Busen! dann dieweil der Mensch das Geheimnuß des Evangelij mit
der Vernunfft nicht begreiffen kan/ und es ihm eine Thorheit ist/ so verlaßt
er sich auff seine Fromkeit/ und eygene Gerechtigkeit. Das war Cains Ge-
rechtigkeit/ Eliphas/ der Heyden/ des Mahomets/ und der Pelagianer.
Man gehe auff die Dörffer/ examinire die Leute/ die von Christo nichts
wissen/ so wird mans finden/ und Antworten bekommen/ wie jener Baur
eine gegeben/ welcher/ als er vom Passion gehöret/ und gefraget worden/
warum Christus gelitten habe? geantwortet: er dencke wohl/ Christus
habe es auch verdienet. Dahero rohe Dienst-Botten ihnen einbilden/
GOtt werde und müsse ihre saure Arbeit belohnen/ wie die Wehmütter in
Egypten. Lutherus ad c. 2. Gal. nennets justitiam servilem, merce-
nariam, externam, mundanam, humanam, quae in hac vita mercedem
expectat & recipit, ad futuram gloriam nihil prodest, similem actibus
simiae,
eine knechtische/ gedingte/ äusserliche/ menschliche Ge-
rechtigkeit/ welche in dieser Zeit die Belohnung hoffet und em-
pfanget/ aber zu dem Himmel nichts nutzet/ und den Af-
fen-Handlungen gleich ist. Ein jedes bedencke es nur selber/
wann es vom Evangelio niemahlen nichts gehöret/ ob es nicht gleich
auff diese Pharisäische Gerechtigkeit plumpet/ und hinein fallet.

Und um so viel mehr hat man sich zu erbarmen über das Papst-
thumm/ als in welchem diese Gerechtigkeit biß dato das Scepter-Regi-
ment erhalten. Es pochet auch I. auff majoritatem & antiquitatem,
auff seine Aelte und Vorzug; dann da wird gelehret/ die Gerechtigkeit
seye geartet/ wie die Gesundheit. Soll nun der Mensch gerecht werden/
so müsse durch die Gnade des himmlischen Artztes dieselbe zuvor dispo-
ni
rt werden mit Glauben/ Liebe/ Forcht und Fürsatz. Durch den di-
spositive,
nicht organice, Vorbereitungs-nicht mittels-weise/ radicaliter
nicht principaliter. Darauff werde alsdann die Gerechtigkeit/ als
eine Quelle aller Tugenden eingegossen; die vertilge alle Sünden/ und ma-
che den Menschen gerecht. Und dieselbe seye nun auch die Wurtzel und
Quell/ krafft welcher der gerechte Mensch nicht nur dem Gesetz ein Genü-
gen thue/ die Sünde büsse/ sondern auch verdiene so wohl augmentum
gratiae,
die Vermehrung der Gnade/ als die Seligkeit selbs/ und der ge-
rechte/ nicht allein barmhertzige Richter werde den Lohn nach den Wercken

abmessen.

Vom verlohrnen Sohn.
menta er dazu gehabt. Wie ihr nun deßwegen einen Greuel an ihme habt/
alſo hat auch GOtt der himmliſche Vater ein Abſcheuen an euch/ die ihr
ihm in allen Stucken gleich ſeyd. Das iſt die Phariſaͤiſche Gerechtigkeit.

Wie tieff nun/ M. L. ſtecket dieſer Phariſaiſmus auch uns allen in
dem Buſen! dann dieweil der Menſch das Geheimnuß des Evangelij mit
der Vernunfft nicht begreiffen kan/ und es ihm eine Thorheit iſt/ ſo verlaßt
er ſich auff ſeine Fromkeit/ und eygene Gerechtigkeit. Das war Cains Ge-
rechtigkeit/ Eliphas/ der Heyden/ des Mahomets/ und der Pelagianer.
Man gehe auff die Doͤrffer/ examinire die Leute/ die von Chriſto nichts
wiſſen/ ſo wird mans finden/ und Antworten bekommen/ wie jener Baur
eine gegeben/ welcher/ als er vom Paſſion gehoͤret/ und gefraget worden/
warum Chriſtus gelitten habe? geantwortet: er dencke wohl/ Chriſtus
habe es auch verdienet. Dahero rohe Dienſt-Botten ihnen einbilden/
GOtt werde und muͤſſe ihre ſaure Arbeit belohnen/ wie die Wehmuͤtter in
Egypten. Lutherus ad c. 2. Gal. nennets juſtitiam ſervilem, merce-
nariam, externam, mundanam, humanam, quæ in hac vita mercedem
expectat & recipit, ad futuram gloriam nihil prodeſt, ſimilem actibus
ſimiæ,
eine knechtiſche/ gedingte/ aͤuſſerliche/ menſchliche Ge-
rechtigkeit/ welche in dieſer Zeit die Belohnung hoffet und em-
pfanget/ aber zu dem Himmel nichts nutzet/ und den Af-
fen-Handlungen gleich iſt. Ein jedes bedencke es nur ſelber/
wann es vom Evangelio niemahlen nichts gehoͤret/ ob es nicht gleich
auff dieſe Phariſaͤiſche Gerechtigkeit plumpet/ und hinein fallet.

Und um ſo viel mehr hat man ſich zu erbarmen uͤber das Papſt-
thumm/ als in welchem dieſe Gerechtigkeit biß dato das Scepter-Regi-
ment erhalten. Es pochet auch I. auff majoritatem & antiquitatem,
auff ſeine Aelte und Vorzug; dann da wird gelehret/ die Gerechtigkeit
ſeye geartet/ wie die Geſundheit. Soll nun der Menſch gerecht werden/
ſo muͤſſe durch die Gnade des himmliſchen Artztes dieſelbe zuvor diſpo-
ni
rt werden mit Glauben/ Liebe/ Forcht und Fuͤrſatz. Durch den di-
ſpoſitivè,
nicht organicè, Vorbereitungs-nicht mittels-weiſe/ radicaliter
nicht principaliter. Darauff werde alsdann die Gerechtigkeit/ als
eine Quelle aller Tugenden eingegoſſen; die vertilge alle Suͤnden/ und ma-
che den Menſchen gerecht. Und dieſelbe ſeye nun auch die Wurtzel und
Quell/ krafft welcher der gerechte Menſch nicht nur dem Geſetz ein Genuͤ-
gen thue/ die Suͤnde buͤſſe/ ſondern auch verdiene ſo wohl augmentum
gratiæ,
die Vermehrung der Gnade/ als die Seligkeit ſelbs/ und der ge-
rechte/ nicht allein barmhertzige Richter werde den Lohn nach den Wercken

abmeſſen.
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[159/0177] Vom verlohrnen Sohn. menta er dazu gehabt. Wie ihr nun deßwegen einen Greuel an ihme habt/ alſo hat auch GOtt der himmliſche Vater ein Abſcheuen an euch/ die ihr ihm in allen Stucken gleich ſeyd. Das iſt die Phariſaͤiſche Gerechtigkeit. Wie tieff nun/ M. L. ſtecket dieſer Phariſaiſmus auch uns allen in dem Buſen! dann dieweil der Menſch das Geheimnuß des Evangelij mit der Vernunfft nicht begreiffen kan/ und es ihm eine Thorheit iſt/ ſo verlaßt er ſich auff ſeine Fromkeit/ und eygene Gerechtigkeit. Das war Cains Ge- rechtigkeit/ Eliphas/ der Heyden/ des Mahomets/ und der Pelagianer. Man gehe auff die Doͤrffer/ examinire die Leute/ die von Chriſto nichts wiſſen/ ſo wird mans finden/ und Antworten bekommen/ wie jener Baur eine gegeben/ welcher/ als er vom Paſſion gehoͤret/ und gefraget worden/ warum Chriſtus gelitten habe? geantwortet: er dencke wohl/ Chriſtus habe es auch verdienet. Dahero rohe Dienſt-Botten ihnen einbilden/ GOtt werde und muͤſſe ihre ſaure Arbeit belohnen/ wie die Wehmuͤtter in Egypten. Lutherus ad c. 2. Gal. nennets juſtitiam ſervilem, merce- nariam, externam, mundanam, humanam, quæ in hac vita mercedem expectat & recipit, ad futuram gloriam nihil prodeſt, ſimilem actibus ſimiæ, eine knechtiſche/ gedingte/ aͤuſſerliche/ menſchliche Ge- rechtigkeit/ welche in dieſer Zeit die Belohnung hoffet und em- pfanget/ aber zu dem Himmel nichts nutzet/ und den Af- fen-Handlungen gleich iſt. Ein jedes bedencke es nur ſelber/ wann es vom Evangelio niemahlen nichts gehoͤret/ ob es nicht gleich auff dieſe Phariſaͤiſche Gerechtigkeit plumpet/ und hinein fallet. Und um ſo viel mehr hat man ſich zu erbarmen uͤber das Papſt- thumm/ als in welchem dieſe Gerechtigkeit biß dato das Scepter-Regi- ment erhalten. Es pochet auch I. auff majoritatem & antiquitatem, auff ſeine Aelte und Vorzug; dann da wird gelehret/ die Gerechtigkeit ſeye geartet/ wie die Geſundheit. Soll nun der Menſch gerecht werden/ ſo muͤſſe durch die Gnade des himmliſchen Artztes dieſelbe zuvor diſpo- nirt werden mit Glauben/ Liebe/ Forcht und Fuͤrſatz. Durch den di- ſpoſitivè, nicht organicè, Vorbereitungs-nicht mittels-weiſe/ radicaliter nicht principaliter. Darauff werde alsdann die Gerechtigkeit/ als eine Quelle aller Tugenden eingegoſſen; die vertilge alle Suͤnden/ und ma- che den Menſchen gerecht. Und dieſelbe ſeye nun auch die Wurtzel und Quell/ krafft welcher der gerechte Menſch nicht nur dem Geſetz ein Genuͤ- gen thue/ die Suͤnde buͤſſe/ ſondern auch verdiene ſo wohl augmentum gratiæ, die Vermehrung der Gnade/ als die Seligkeit ſelbs/ und der ge- rechte/ nicht allein barmhertzige Richter werde den Lohn nach den Wercken abmeſſen.

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/177>, abgerufen am 25.11.2024.