Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672.Die Sechste Jch preise dich Vater und HErr Himmels und der Erden/daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast/ und hast es den Unmündigen geoffenbaret. Das ist/ daß du durch ein Eselin den Bileam unterwiesen. Ein solche Sinn-geübte Wehlerin und geistliche Richterin ist nun auch gewesen Maria/ die nicht mit unge- waschenem Maul die vorgesetzte Speiß angefallen/ sondern sie hat mit sich gebracht geübte Sinne auß der H. Schrifft. Damal hat man noch von keinem Amadiß/ Schäffereyen und andern ärgerlichen Büchern ge- wußt/ darauß die junge Töchter die Complimenten gelernt/ sondern sie haben in den Synagogen Mosen und Propheten hören/ nnd daheim zu Hauß lesen und meditiren müssen. Man hat den Kindern mit der Mutter-Milch die heilige Schrifft eingegossen/ wie Timotheo begegnet/ 2. Tim. 1. auff daß sie hernach als die Jmmen den Honig auß dem Rosen- Stock excerpiren kunten. Wie auff diese weiß Maria von Nazareth/ als eine solche edle Bien/ auß Mose und Propheten ihr Magnificat zu- sammen gelesen/ welches billig den Nahmen eines Mellificii davon trägt. Und eben ein solche war auch diese unsere Maria/ sie hat in Gottes Wort fleissig meditirt/ dazu die tentationes dapffer geholffen. Es waren damal unterschiedliche Messiä auffkommen/ der Chiliastisch-Jüdische/ der Sad- duceische Sau-Messias/ der Phariseische Pracht-Messias/ und der He- rodianische Heuchel-Messias: Deßgleichen hatten sich unterschiedliche Religionen herfür gethan und sehen lassen/ die alte Jüdische/ so sich in drey Secten/ ja in vier abgetheilt/ der Phariseer/ Sadduceer/ Esseer und He- rodianer/ die alle ihren Anhang gehabt/ und ihre Speisen wol gewürtzet/ und in den Schulen auffgetragen. Uber die that sich herfür ein gantz neue Religion/ die Nazarenische Haeresis, Act. 24, 5. da war Kostens und Schmeckens vonnöthen/ meditation und Gebet/ sonderlich bey denen/ die nicht wie das thumme Vieh in den Tag gelebt/ sondern ihnen ihr Heyl und Seligkeit angelegen seyn liessen/ die auff den Trost Jsraelis gewar- tet/ und von Hertzen und mit Schmertzen geseufftzet: Ach daß die Hülffe auß Zion über Jsrael käme! Ach daß du den Himmel zerrissest/ und her- unter führest! Er küsse mich mit dem Kuß seines Mundes! Daher war nun entsprungen bey Maria die exis geustike, daß sie mit geübten Sinnen alle probieret/ eredentzet/ die abgeschmackte verworffen/ und die kräfftigste/ safftigste/ beste und lieblichste Lehr-Tracht/ und Honig-süsse Himmel- Speiß des JEsu von Nazareh erkosen und außerlesen. II. Electio purificata, eine gereinigte Wahl von allen fleischlichen Wahl
Die Sechſte Jch preiſe dich Vater und HErꝛ Himmels und der Erden/daß du ſolches den Weiſen und Klugen verborgen haſt/ und haſt es den Unmuͤndigen geoffenbaret. Das iſt/ daß du durch ein Eſelin den Bileam unterwieſen. Ein ſolche Sinn-geuͤbte Wehlerin und geiſtliche Richterin iſt nun auch geweſen Maria/ die nicht mit unge- waſchenem Maul die vorgeſetzte Speiß angefallen/ ſondern ſie hat mit ſich gebracht geuͤbte Sinne auß der H. Schrifft. Damal hat man noch von keinem Amadiß/ Schaͤffereyen und andern aͤrgerlichen Buͤchern ge- wußt/ darauß die junge Toͤchter die Complimenten gelernt/ ſondern ſie haben in den Synagogen Moſen und Propheten hoͤren/ nnd daheim zu Hauß leſen und meditiren muͤſſen. Man hat den Kindern mit der Mutter-Milch die heilige Schrifft eingegoſſen/ wie Timotheo begegnet/ 2. Tim. 1. auff daß ſie hernach als die Jmmen den Honig auß dem Roſen- Stock excerpiren kunten. Wie auff dieſe weiß Maria von Nazareth/ als eine ſolche edle Bien/ auß Moſe und Propheten ihr Magnificat zu- ſammen geleſen/ welches billig den Nahmen eines Mellificii davon traͤgt. Und eben ein ſolche war auch dieſe unſere Maria/ ſie hat in Gottes Wort fleiſſig meditirt/ dazu die tentationes dapffer geholffen. Es waren damal unterſchiedliche Meſſiaͤ auffkommen/ der Chiliaſtiſch-Juͤdiſche/ der Sad- duceiſche Sau-Meſſias/ der Phariſeiſche Pracht-Meſſias/ und der He- rodianiſche Heuchel-Meſſias: Deßgleichen hatten ſich unterſchiedliche Religionen herfuͤr gethan und ſehen laſſen/ die alte Juͤdiſche/ ſo ſich in drey Secten/ ja in vier abgetheilt/ der Phariſeer/ Sadduceer/ Eſſeer und He- rodianer/ die alle ihren Anhang gehabt/ und ihre Speiſen wol gewuͤrtzet/ und in den Schulen auffgetragen. Uber die that ſich herfuͤr ein gantz neue Religion/ die Nazareniſche Hæreſis, Act. 24, 5. da war Koſtens und Schmeckens vonnoͤthen/ meditation und Gebet/ ſonderlich bey denen/ die nicht wie das thumme Vieh in den Tag gelebt/ ſondern ihnen ihr Heyl und Seligkeit angelegen ſeyn lieſſen/ die auff den Troſt Jſraelis gewar- tet/ und von Hertzen und mit Schmertzen geſeufftzet: Ach daß die Huͤlffe auß Zion uͤber Jſrael kaͤme! Ach daß du den Himmel zerriſſeſt/ und her- unter fuͤhreſt! Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines Mundes! Daher war nun entſprungen bey Maria die ἕξις γευϛικὴ, daß ſie mit geuͤbten Sinnen alle probieret/ eredentzet/ die abgeſchmackte verworffen/ und die kraͤfftigſte/ ſafftigſte/ beſte und lieblichſte Lehr-Tracht/ und Honig-ſuͤſſe Himmel- Speiß des JEſu von Nazareh erkoſen und außerleſen. II. Electio purificata, eine gereinigte Wahl von allen fleiſchlichen Wahl
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Die Sechſte
Jch preiſe dich Vater und HErꝛ Himmels und der Erden/
daß du ſolches den Weiſen und Klugen verborgen haſt/ und
haſt es den Unmuͤndigen geoffenbaret. Das iſt/ daß du durch ein
Eſelin den Bileam unterwieſen. Ein ſolche Sinn-geuͤbte Wehlerin
und geiſtliche Richterin iſt nun auch geweſen Maria/ die nicht mit unge-
waſchenem Maul die vorgeſetzte Speiß angefallen/ ſondern ſie hat mit
ſich gebracht geuͤbte Sinne auß der H. Schrifft. Damal hat man noch
von keinem Amadiß/ Schaͤffereyen und andern aͤrgerlichen Buͤchern ge-
wußt/ darauß die junge Toͤchter die Complimenten gelernt/ ſondern ſie
haben in den Synagogen Moſen und Propheten hoͤren/ nnd daheim zu
Hauß leſen und meditiren muͤſſen. Man hat den Kindern mit der
Mutter-Milch die heilige Schrifft eingegoſſen/ wie Timotheo begegnet/
2. Tim. 1. auff daß ſie hernach als die Jmmen den Honig auß dem Roſen-
Stock excerpiren kunten. Wie auff dieſe weiß Maria von Nazareth/
als eine ſolche edle Bien/ auß Moſe und Propheten ihr Magnificat zu-
ſammen geleſen/ welches billig den Nahmen eines Mellificii davon traͤgt.
Und eben ein ſolche war auch dieſe unſere Maria/ ſie hat in Gottes Wort
fleiſſig meditirt/ dazu die tentationes dapffer geholffen. Es waren damal
unterſchiedliche Meſſiaͤ auffkommen/ der Chiliaſtiſch-Juͤdiſche/ der Sad-
duceiſche Sau-Meſſias/ der Phariſeiſche Pracht-Meſſias/ und der He-
rodianiſche Heuchel-Meſſias: Deßgleichen hatten ſich unterſchiedliche
Religionen herfuͤr gethan und ſehen laſſen/ die alte Juͤdiſche/ ſo ſich in drey
Secten/ ja in vier abgetheilt/ der Phariſeer/ Sadduceer/ Eſſeer und He-
rodianer/ die alle ihren Anhang gehabt/ und ihre Speiſen wol gewuͤrtzet/
und in den Schulen auffgetragen. Uber die that ſich herfuͤr ein gantz neue
Religion/ die Nazareniſche Hæreſis, Act. 24, 5. da war Koſtens und
Schmeckens vonnoͤthen/ meditation und Gebet/ ſonderlich bey denen/
die nicht wie das thumme Vieh in den Tag gelebt/ ſondern ihnen ihr Heyl
und Seligkeit angelegen ſeyn lieſſen/ die auff den Troſt Jſraelis gewar-
tet/ und von Hertzen und mit Schmertzen geſeufftzet: Ach daß die Huͤlffe
auß Zion uͤber Jſrael kaͤme! Ach daß du den Himmel zerriſſeſt/ und her-
unter fuͤhreſt! Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines Mundes! Daher war
nun entſprungen bey Maria die ἕξις γευϛικὴ, daß ſie mit geuͤbten Sinnen
alle probieret/ eredentzet/ die abgeſchmackte verworffen/ und die kraͤfftigſte/
ſafftigſte/ beſte und lieblichſte Lehr-Tracht/ und Honig-ſuͤſſe Himmel-
Speiß des JEſu von Nazareh erkoſen und außerleſen.
II. Electio purificata, eine gereinigte Wahl von allen fleiſchlichen
Paſſionen und Gemuͤthts-Affecten/ eine uneingenom̃ene/ unpartheyiſche
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Zitationshilfe: | Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus09_1672/516>, abgerufen am 16.07.2024. |