Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672.Predigt. und spricht: De asini umbra libet audire, viri causam de vita periclitan-tis audire gravamini. von des Esels Schatten gelustet euch zu hören; aber des auff den Tod beklagten Menschen Sach beschweret ihr euch mir Gehör zu geben. Dannenhero ist bey den Griechen das Sprichwort ent- standen uper onou skias. Jst ein solches Sprichwort/ welches uns Chri- sten manchmalen zur schand muß nachgesaget werden! Wir haben vor GOtt zu vertretten unsere arme Seele/ so auff den ewigen Tod angeklagt/ stehen in der augenblicklichen Gefahr der Execution und Vollziehung des Urtheils. Nicht Demosthenes, sondern der H. Geist in seinem Wort zeiget uns Mittel und Weg/ wie wir möchten solcher Gefahr ent- gehen/ erscheinet nicht vor Rath/ sondern vor einer jeden armen Seel/ und sagt: sothete, lasset euch helffen. Act. II, 40. katallagete, lasset euch versöhnen mit GOtt. 2. Cor. V, 20. Wachet/ und bettet. Aber was geschicht/ er bekommt repulsam, man kehret ihm den Rücken/ einer laßt sich vom Schlaff übernehmen/ bleibet wohl gar auß/ auß Forcht des Schlaffs/ andere haben ihre Gedancken anderswo/ den dritten verdrießt die länge der Predigt/ anders als Constantinus Magnus der löbliche Käyser/ welcher als er einer Predigt/ vom Tod und Begräbnüs Christi in seinem Schloß zugehöret/ und sich dieselbe lang verzogen/ also daß ihn die Prediger niederzusitzen ermahnet/ diese Wort von sich vernehmen lassen: Nefas esse, institutis de Deo disputationibus, negligentes au- res praebere. Es gezieme sich nicht/ wann man von GOtt und seinen Geheimnüssen redet/ mit schläfferigen Ohren zuzuhören/ wie Eusebius von ihm bezeuget. lib. 4. c. 33. de vit. Const. Einem andern ist zu wieder die Deductio, wann man ein Stuck allzulang handelt/ hätte es gern in zwo/ drey/ Predigten absolvirt, dem vierdten ist verdrießlich/ wann man allezeit eines wiederholt/ wann man es gleich anders bereit. Grad als müßte der Mensch heut kein Brod essen/ weil er gestern gegessen. Jhrer viel hören nicht gern von Geheimnüssen reden/ moralia sind ihnen lieber. Summa/ es heißt/ uns eckelt über dieser losen Speiß. Num. XXI, 5. Man ists gewohnt und überschütt/ daß man nicht hoch darnach fragt. Und wo nicht (wie Lutherus redet. Tom. VI. Jen.) ein guter Koch und hun- geriger Magen/ ein frischer Trunck und durstige Zung/ da ist kein appe- tit. Solte man aber im gegentheil/ wie im Pabsthum vor diesem ge- schehen/ Fabeln und Mährlein erzehlen/ risus paschales und Ostergeläch- ter erwecken/ seltzame Gauckeleyen auff der Cantzel fürbringen/ das möch- te juckende Ohren machen. Wie dann juckende Ohren machen nicht heißt Neundter Theil. S
Predigt. und ſpricht: De aſini umbrâ libet audire, viri cauſam de vita periclitan-tis audire gravamini. von des Eſels Schatten geluſtet euch zu hoͤren; aber des auff den Tod beklagten Menſchen Sach beſchweret ihr euch mir Gehoͤr zu geben. Dannenhero iſt bey den Griechen das Sprichwort ent- ſtanden ὑπὲρ ὄνου σκιᾶς. Jſt ein ſolches Sprichwort/ welches uns Chri- ſten manchmalen zur ſchand muß nachgeſaget werden! Wir haben vor GOtt zu vertretten unſere arme Seele/ ſo auff den ewigen Tod angeklagt/ ſtehen in der augenblicklichen Gefahr der Execution und Vollziehung des Urtheils. Nicht Demoſthenes, ſondern der H. Geiſt in ſeinem Wort zeiget uns Mittel und Weg/ wie wir moͤchten ſolcher Gefahr ent- gehen/ erſcheinet nicht vor Rath/ ſondern vor einer jeden armen Seel/ und ſagt: σώθητε, laſſet euch helffen. Act. II, 40. καταλλάγητε, laſſet euch verſoͤhnen mit GOtt. 2. Cor. V, 20. Wachet/ und bettet. Aber was geſchicht/ er bekommt repulſam, man kehret ihm den Ruͤcken/ einer laßt ſich vom Schlaff uͤbernehmen/ bleibet wohl gar auß/ auß Forcht des Schlaffs/ andere haben ihre Gedancken anderswo/ den dritten verdrießt die laͤnge der Predigt/ anders als Conſtantinus Magnus der loͤbliche Kaͤyſer/ welcher als er einer Predigt/ vom Tod und Begraͤbnuͤs Chriſti in ſeinem Schloß zugehoͤret/ und ſich dieſelbe lang verzogen/ alſo daß ihn die Prediger niederzuſitzen ermahnet/ dieſe Wort von ſich vernehmen laſſen: Nefas eſſe, inſtitutis de Deo diſputationibus, negligentes au- res præbere. Es gezieme ſich nicht/ wann man von GOtt und ſeinen Geheimnuͤſſen redet/ mit ſchlaͤfferigen Ohren zuzuhoͤren/ wie Euſebius von ihm bezeuget. lib. 4. c. 33. de vit. Conſt. Einem andern iſt zu wieder die Deductio, wann man ein Stuck allzulang handelt/ haͤtte es gern in zwo/ drey/ Predigten abſolvirt, dem vierdten iſt verdrießlich/ wann man allezeit eines wiederholt/ wann man es gleich anders bereit. Grad als muͤßte der Menſch heut kein Brod eſſen/ weil er geſtern gegeſſen. Jhrer viel hoͤren nicht gern von Geheimnuͤſſen reden/ moralia ſind ihnen lieber. Summa/ es heißt/ uns eckelt uͤber dieſer loſen Speiß. Num. XXI, 5. Man iſts gewohnt und uͤberſchuͤtt/ daß man nicht hoch darnach fragt. Und wo nicht (wie Lutherus redet. Tom. VI. Jen.) ein guter Koch und hun- geriger Magen/ ein friſcher Trunck und durſtige Zung/ da iſt kein appe- tit. Solte man aber im gegentheil/ wie im Pabſthum vor dieſem ge- ſchehen/ Fabeln und Maͤhrlein erzehlen/ riſus paſchales und Oſtergelaͤch- ter erwecken/ ſeltzame Gauckeleyen auff der Cantzel fuͤrbringen/ das moͤch- te juckende Ohren machen. Wie dann juckende Ohren machen nicht heißt Neundter Theil. S
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aber des auff den Tod beklagten Menſchen Sach beſchweret ihr euch mir
Gehoͤr zu geben. Dannenhero iſt bey den Griechen das Sprichwort ent-
ſtanden ὑπὲρ ὄνου σκιᾶς. Jſt ein ſolches Sprichwort/ welches uns Chri-
ſten manchmalen zur ſchand muß nachgeſaget werden! Wir haben vor
GOtt zu vertretten unſere arme Seele/ ſo auff den ewigen Tod angeklagt/
ſtehen in der augenblicklichen Gefahr der Execution und Vollziehung
des Urtheils. Nicht Demoſthenes, ſondern der H. Geiſt in ſeinem
Wort zeiget uns Mittel und Weg/ wie wir moͤchten ſolcher Gefahr ent-
gehen/ erſcheinet nicht vor Rath/ ſondern vor einer jeden armen Seel/
und ſagt: σώθητε, laſſet euch helffen. Act. II, 40. καταλλάγητε, laſſet euch
verſoͤhnen mit GOtt. 2. Cor. V, 20. Wachet/ und bettet. Aber was
geſchicht/ er bekommt repulſam, man kehret ihm den Ruͤcken/ einer laßt
ſich vom Schlaff uͤbernehmen/ bleibet wohl gar auß/ auß Forcht des
Schlaffs/ andere haben ihre Gedancken anderswo/ den dritten verdrießt
die laͤnge der Predigt/ anders als Conſtantinus Magnus der loͤbliche
Kaͤyſer/ welcher als er einer Predigt/ vom Tod und Begraͤbnuͤs Chriſti
in ſeinem Schloß zugehoͤret/ und ſich dieſelbe lang verzogen/ alſo daß ihn
die Prediger niederzuſitzen ermahnet/ dieſe Wort von ſich vernehmen
laſſen: Nefas eſſe, inſtitutis de Deo diſputationibus, negligentes au-
res præbere. Es gezieme ſich nicht/ wann man von GOtt und ſeinen
Geheimnuͤſſen redet/ mit ſchlaͤfferigen Ohren zuzuhoͤren/ wie Euſebius
von ihm bezeuget. lib. 4. c. 33. de vit. Conſt. Einem andern iſt zu wieder
die Deductio, wann man ein Stuck allzulang handelt/ haͤtte es gern in
zwo/ drey/ Predigten abſolvirt, dem vierdten iſt verdrießlich/ wann man
allezeit eines wiederholt/ wann man es gleich anders bereit. Grad als
muͤßte der Menſch heut kein Brod eſſen/ weil er geſtern gegeſſen. Jhrer
viel hoͤren nicht gern von Geheimnuͤſſen reden/ moralia ſind ihnen lieber.
Summa/ es heißt/ uns eckelt uͤber dieſer loſen Speiß. Num. XXI, 5. Man
iſts gewohnt und uͤberſchuͤtt/ daß man nicht hoch darnach fragt. Und
wo nicht (wie Lutherus redet. Tom. VI. Jen.) ein guter Koch und hun-
geriger Magen/ ein friſcher Trunck und durſtige Zung/ da iſt kein appe-
tit. Solte man aber im gegentheil/ wie im Pabſthum vor dieſem ge-
ſchehen/ Fabeln und Maͤhrlein erzehlen/ riſus paſchales und Oſtergelaͤch-
ter erwecken/ ſeltzame Gauckeleyen auff der Cantzel fuͤrbringen/ das moͤch-
te juckende Ohren machen. Wie dann juckende Ohren machen nicht
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Zitationshilfe: | Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus09_1672/157>, abgerufen am 15.08.2024. |