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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672.

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Predigt.
Seligmachende Wort. Rom. 1. das Wort das alles heilt/ alle Seelen-
Wunden und bresten. Sap. 16. Es ist dick voll gesäet von allerhand
Evangelischen Kern-Macht- und Absolution-Sprüchen/ deren das
Paradiß der heiligen Schrifft voll ist/ in den Prophetischen und Aposto-
lischen Schrifften nicht nur die wenige Sprüche/ die man in der Absolu-
tion spricht/ nicht ein Hand voll/ sondern unzehlbar/ und mannigfalt in
allen Propheten und Aposteln. Sonderlich gehören hieher die schönen
Blumen der Amaranten und Blümlein der Liebe GOttes/ je länger je
lieber/ die philanthropia Patris, angezeigt in der Liebe Patris Acolasti, in
der Liebe Davids gegen seinem Sohn Absalon/ wann er außrufft: O
Absolon mein Sohn/ mein Sohn Absolon/ wolte GOTT
ich müßte für dich sterben!

Dann wann die Eltern (ita Bidembach. in 2. Sam. 18. p. 915.) also gesinnet seind
gegen ihren Kindern/ wie David hie gegen Absalon: wie hertzlich lieb muß
dann GOtt seine Kinder haben/ wiewol sie auch ungerathen seind/ dann
wie geschrieben stehet sonsten: Der das Ohr gemacht hat/ solte der nicht
hören? Also mag man freylich sagen/ der die Zuneigung der Eltern gegen
den Kindern hat geschaffen/ solte der selbst anders gesinnet seyn? das sey fer-
ne. Ja die Affection und Neigung ist viel stärcker bey GOtt/ dann bey
den Menschen. Dann der solch Ding schaffet/ ist ja stärcker und besser/
als das da geschaffen ist. Darum ist auch die Liebe bey GOtt am aller-
stärcksten. Jnmassen er sich selbst dahin erkläret hat durch den Propheten
Esaiam cap. 49. Kan auch ein Weib ihres Kindleins vergessen &c. Jtem/
wann ihr/ die ihr böse seyd könnet euern Kindern gute Gaben geben: wie
vielmehr GOtt der Vater im Himmel wird das thun/ der doch das höchste
Gut ist/ und hat nicht GOtt auch also gesagt: Wolte GOtt ich müßte für
euch sterben/ dann ob wol GOtt der Vater nicht Mensch worden noch ge-
storben ist/ so hat er doch seinen Eingebohrnen Sohn gegeben/ der eins mit
dem Vater ist/ der ist für uns gestorben/ daß wir das ewige Leben haben
möchten/ der ist ins Elendgangen/ daß wir ins Himmlisch Königreich ein-
gesetzt würden: Er hat geweinet/ daß wir uns ewig freuen könten. Und
wie David nicht begehret/ daß Absolon sterbe/ sondern vielmehr daß er er-
halten würde/ und weinete über seinen Tod; Also wil auch GOtt nicht den
Tod des Sünders/ sondern wil/ daß er sich bekehre und lebe.

At hic non est res voti, sed effectus, weil er/ der Vater/ nicht für uns
sterben kunte/ so greifft er sein eigen Hertz an/ die Cron seines Hertzens/
seinen Sohn gibt er für uns in den Tod/ und sagt zu uns/ non morie-
ris,
du solt nicht sterben/ Ezech. 18. das Gesetz sagt: Du solt des Todes
sterben/ Gen. 2. aber das Evangelium/ du solt nicht des Todes sterben:
Hie ist das rechte Gewächs Davids und Zweig Jsai/ die Blum zu Sa-
ron/ die edle Jungfrauen Blum/ der Sohn GOttes/ sampt allen seinen

Ver-
P ij

Predigt.
Seligmachende Wort. Rom. 1. das Wort das alles heilt/ alle Seelen-
Wunden und breſten. Sap. 16. Es iſt dick voll geſaͤet von allerhand
Evangeliſchen Kern-Macht- und Abſolution-Spruͤchen/ deren das
Paradiß der heiligen Schrifft voll iſt/ in den Prophetiſchen und Apoſto-
liſchen Schrifften nicht nur die wenige Spruͤche/ die man in der Abſolu-
tion ſpricht/ nicht ein Hand voll/ ſondern unzehlbar/ und mannigfalt in
allen Propheten und Apoſteln. Sonderlich gehoͤren hieher die ſchoͤnen
Blumen der Amaranten und Bluͤmlein der Liebe GOttes/ je laͤnger je
lieber/ die φιλανθρωπία Patris, angezeigt in der Liebe Patris Acolaſti, in
der Liebe Davids gegen ſeinem Sohn Abſalon/ wann er außrufft: O
Abſolon mein Sohn/ mein Sohn Abſolon/ wolte GOTT
ich muͤßte fuͤr dich ſterben!

Dann wann die Eltern (ita Bidembach. in 2. Sam. 18. p. 915.) alſo geſinnet ſeind
gegen ihren Kindern/ wie David hie gegen Abſalon: wie hertzlich lieb muß
dann GOtt ſeine Kinder haben/ wiewol ſie auch ungerathen ſeind/ dann
wie geſchrieben ſtehet ſonſten: Der das Ohr gemacht hat/ ſolte der nicht
hoͤren? Alſo mag man freylich ſagen/ der die Zuneigung der Eltern gegen
den Kindern hat geſchaffen/ ſolte der ſelbſt anders geſinnet ſeyn? das ſey fer-
ne. Ja die Affection und Neigung iſt viel ſtaͤrcker bey GOtt/ dann bey
den Menſchen. Dann der ſolch Ding ſchaffet/ iſt ja ſtaͤrcker und beſſer/
als das da geſchaffen iſt. Darum iſt auch die Liebe bey GOtt am aller-
ſtaͤrckſten. Jnmaſſen er ſich ſelbſt dahin erklaͤret hat durch den Propheten
Eſaiam cap. 49. Kan auch ein Weib ihres Kindleins vergeſſen &c. Jtem/
wann ihr/ die ihr boͤſe ſeyd koͤnnet euern Kindern gute Gaben geben: wie
vielmehr GOtt der Vater im Himmel wird das thun/ der doch das hoͤchſte
Gut iſt/ und hat nicht GOtt auch alſo geſagt: Wolte GOtt ich muͤßte fuͤr
euch ſterben/ dann ob wol GOtt der Vater nicht Menſch worden noch ge-
ſtorben iſt/ ſo hat er doch ſeinen Eingebohrnen Sohn gegeben/ der eins mit
dem Vater iſt/ der iſt fuͤr uns geſtorben/ daß wir das ewige Leben haben
moͤchten/ der iſt ins Elendgangen/ daß wir ins Himmliſch Koͤnigreich ein-
geſetzt wuͤrden: Er hat geweinet/ daß wir uns ewig freuen koͤnten. Und
wie David nicht begehret/ daß Abſolon ſterbe/ ſondern vielmehr daß er er-
halten wuͤrde/ und weinete uͤber ſeinen Tod; Alſo wil auch GOtt nicht den
Tod des Suͤnders/ ſondern wil/ daß er ſich bekehre und lebe.

At hic non eſt res voti, ſed effectus, weil er/ der Vater/ nicht fuͤr uns
ſterben kunte/ ſo greifft er ſein eigen Hertz an/ die Cron ſeines Hertzens/
ſeinen Sohn gibt er fuͤr uns in den Tod/ und ſagt zu uns/ non morie-
ris,
du ſolt nicht ſterben/ Ezech. 18. das Geſetz ſagt: Du ſolt des Todes
ſterben/ Gen. 2. aber das Evangelium/ du ſolt nicht des Todes ſterben:
Hie iſt das rechte Gewaͤchs Davids und Zweig Jſai/ die Blum zu Sa-
ron/ die edle Jungfrauen Blum/ der Sohn GOttes/ ſampt allen ſeinen

Ver-
P ij
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[115/0135] Predigt. Seligmachende Wort. Rom. 1. das Wort das alles heilt/ alle Seelen- Wunden und breſten. Sap. 16. Es iſt dick voll geſaͤet von allerhand Evangeliſchen Kern-Macht- und Abſolution-Spruͤchen/ deren das Paradiß der heiligen Schrifft voll iſt/ in den Prophetiſchen und Apoſto- liſchen Schrifften nicht nur die wenige Spruͤche/ die man in der Abſolu- tion ſpricht/ nicht ein Hand voll/ ſondern unzehlbar/ und mannigfalt in allen Propheten und Apoſteln. Sonderlich gehoͤren hieher die ſchoͤnen Blumen der Amaranten und Bluͤmlein der Liebe GOttes/ je laͤnger je lieber/ die φιλανθρωπία Patris, angezeigt in der Liebe Patris Acolaſti, in der Liebe Davids gegen ſeinem Sohn Abſalon/ wann er außrufft: O Abſolon mein Sohn/ mein Sohn Abſolon/ wolte GOTT ich muͤßte fuͤr dich ſterben! Dann wann die Eltern (ita Bidembach. in 2. Sam. 18. p. 915.) alſo geſinnet ſeind gegen ihren Kindern/ wie David hie gegen Abſalon: wie hertzlich lieb muß dann GOtt ſeine Kinder haben/ wiewol ſie auch ungerathen ſeind/ dann wie geſchrieben ſtehet ſonſten: Der das Ohr gemacht hat/ ſolte der nicht hoͤren? Alſo mag man freylich ſagen/ der die Zuneigung der Eltern gegen den Kindern hat geſchaffen/ ſolte der ſelbſt anders geſinnet ſeyn? das ſey fer- ne. Ja die Affection und Neigung iſt viel ſtaͤrcker bey GOtt/ dann bey den Menſchen. Dann der ſolch Ding ſchaffet/ iſt ja ſtaͤrcker und beſſer/ als das da geſchaffen iſt. Darum iſt auch die Liebe bey GOtt am aller- ſtaͤrckſten. Jnmaſſen er ſich ſelbſt dahin erklaͤret hat durch den Propheten Eſaiam cap. 49. Kan auch ein Weib ihres Kindleins vergeſſen &c. Jtem/ wann ihr/ die ihr boͤſe ſeyd koͤnnet euern Kindern gute Gaben geben: wie vielmehr GOtt der Vater im Himmel wird das thun/ der doch das hoͤchſte Gut iſt/ und hat nicht GOtt auch alſo geſagt: Wolte GOtt ich muͤßte fuͤr euch ſterben/ dann ob wol GOtt der Vater nicht Menſch worden noch ge- ſtorben iſt/ ſo hat er doch ſeinen Eingebohrnen Sohn gegeben/ der eins mit dem Vater iſt/ der iſt fuͤr uns geſtorben/ daß wir das ewige Leben haben moͤchten/ der iſt ins Elendgangen/ daß wir ins Himmliſch Koͤnigreich ein- geſetzt wuͤrden: Er hat geweinet/ daß wir uns ewig freuen koͤnten. Und wie David nicht begehret/ daß Abſolon ſterbe/ ſondern vielmehr daß er er- halten wuͤrde/ und weinete uͤber ſeinen Tod; Alſo wil auch GOtt nicht den Tod des Suͤnders/ ſondern wil/ daß er ſich bekehre und lebe. At hic non eſt res voti, ſed effectus, weil er/ der Vater/ nicht fuͤr uns ſterben kunte/ ſo greifft er ſein eigen Hertz an/ die Cron ſeines Hertzens/ ſeinen Sohn gibt er fuͤr uns in den Tod/ und ſagt zu uns/ non morie- ris, du ſolt nicht ſterben/ Ezech. 18. das Geſetz ſagt: Du ſolt des Todes ſterben/ Gen. 2. aber das Evangelium/ du ſolt nicht des Todes ſterben: Hie iſt das rechte Gewaͤchs Davids und Zweig Jſai/ die Blum zu Sa- ron/ die edle Jungfrauen Blum/ der Sohn GOttes/ ſampt allen ſeinen Ver- P ij

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus09_1672/135>, abgerufen am 22.11.2024.