Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666.Predigt. 432. Einig/ wie Tag und Nacht/ wie Ja und Nein. Unser geistlichesEssen und Trincken ist ein hertzliches Vertrauen/ sampt dem Gebet zu Chri- sto/ nicht nur als wahren Gott/ sondern auch nach seiner mit unermeßli- chen Gaben gezierten menschlichen Natur/ gegenwärtig im Wort Rom. 10. und Sacrament gereichet. Das reformirte Essen und Trincken ist ein abentheur-wunderbarlich geflügeltes Himmelklettern/ nach dem weit weit abgelegenen Leib Christi. Dieser Meynung nach hat der Glaub mehr Tugend und Krafft/ als die persönliche Vereinigung in Christo/ der Leib Christi kan nicht zugleich im Himmel und auff Erden seyn; Aber das glaubige Hertz auf Erden erschwingt sich und ist zugleich im Himmel. Wann Christus sagt Apoc. 3. Sihe/ ich stehe für der Thür und klopffe an/ etc. So sagt ein Reformirter: HErr/ es ist nicht noth/ daß du mit deinem Leib und Blut zu mir kommest/ bleib nur draussen/ droben im Himmel/ ich will wol zu dir hinauff kommen/ und dich daselbst finden/ mit meinem Himmel- steigenden Glauben. vid. D. Philipp. Nicolai in der treuhertzigen Antwort pag. 97. & sqq. Ob nun wol durch das Essen allhie kein leibliches/ natürliches Es- im S s s s s s 2
Predigt. 432. Einig/ wie Tag und Nacht/ wie Ja und Nein. Unſer geiſtlichesEſſen und Trincken iſt ein hertzliches Vertrauen/ ſampt dem Gebet zu Chri- ſto/ nicht nur als wahren Gott/ ſondern auch nach ſeiner mit unermeßli- chen Gaben gezierten menſchlichen Natur/ gegenwaͤrtig im Wort Rom. 10. und Sacrament gereichet. Das reformirte Eſſen und Trincken iſt ein abentheur-wunderbarlich gefluͤgeltes Himmelklettern/ nach dem weit weit abgelegenen Leib Chriſti. Dieſer Meynung nach hat der Glaub mehr Tugend und Krafft/ als die perſoͤnliche Vereinigung in Chriſto/ der Leib Chriſti kan nicht zugleich im Himmel und auff Erden ſeyn; Aber das glaubige Hertz auf Erden erſchwingt ſich und iſt zugleich im Himmel. Wañ Chriſtus ſagt Apoc. 3. Sihe/ ich ſtehe fuͤr der Thuͤr und klopffe an/ ꝛc. So ſagt ein Reformirter: HErr/ es iſt nicht noth/ daß du mit deinem Leib und Blut zu mir kommeſt/ bleib nur drauſſen/ droben im Himmel/ ich will wol zu dir hinauff kommen/ und dich daſelbſt finden/ mit meinem Himmel- ſteigenden Glauben. vid. D. Philipp. Nicolai in der treuhertzigen Antwort pag. 97. & ſqq. Ob nun wol durch das Eſſen allhie kein leibliches/ natuͤrliches Eſ- im S s s s s s 2
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Predigt.
432. Einig/ wie Tag und Nacht/ wie Ja und Nein. Unſer geiſtliches
Eſſen und Trincken iſt ein hertzliches Vertrauen/ ſampt dem Gebet zu Chri-
ſto/ nicht nur als wahren Gott/ ſondern auch nach ſeiner mit unermeßli-
chen Gaben gezierten menſchlichen Natur/ gegenwaͤrtig im Wort Rom.
10. und Sacrament gereichet. Das reformirte Eſſen und Trincken
iſt ein abentheur-wunderbarlich gefluͤgeltes Himmelklettern/ nach dem
weit weit abgelegenen Leib Chriſti. Dieſer Meynung nach hat der Glaub
mehr Tugend und Krafft/ als die perſoͤnliche Vereinigung in Chriſto/ der
Leib Chriſti kan nicht zugleich im Himmel und auff Erden ſeyn; Aber das
glaubige Hertz auf Erden erſchwingt ſich und iſt zugleich im Himmel. Wañ
Chriſtus ſagt Apoc. 3. Sihe/ ich ſtehe fuͤr der Thuͤr und klopffe an/ ꝛc. So
ſagt ein Reformirter: HErr/ es iſt nicht noth/ daß du mit deinem Leib und
Blut zu mir kommeſt/ bleib nur drauſſen/ droben im Himmel/ ich will wol
zu dir hinauff kommen/ und dich daſelbſt finden/ mit meinem Himmel-
ſteigenden Glauben. vid. D. Philipp. Nicolai in der treuhertzigen
Antwort pag. 97. & ſqq.
Ob nun wol durch das Eſſen allhie kein leibliches/ natuͤrliches Eſ-
ſen verſtanden wird/ ſo iſt doch das natuͤrlich Eſſen die figura hierogly-
phica, Bild und Beyſpiel/ dadurch und dabey wir unſer Sinnen und
Gemuͤth erheben/ Art und Eigenſchafften deß ſelig-lebendig-gerechtma-
chenden Glaubens recht verſtehen lernen/ und beſtehet die analogia in fol-
genden Gleichnuͤß-Gliedern. I. In Λήψει, im Nehmen. Sol die
Speiß einem Menſchen nuͤtzen/ das Leben geben und erhalten/ ſo muß man
ſie zuvor annehmen und anbeiſſen. Alſo vermahnet Paulus ſeine
Schiff-Gefaͤhrten/ nachdem ſie in vierzehen Tagen nicht angebiſſen/ Act.
27/34. Jch ermahne euch Speiſe zu nehmen/ euch zu laben.
Alſo ſind die Jſraeliten auf das Manna gefallen/ daſſelbe in den Mund ge-
nommen und den Hunger gebuͤſſet; man muß deſſelben Art/ Natur/ Quali-
taͤten/ Wuͤrde und Werth erkennen/ dieſelbe an ſich ziehen/ magnetico tra-
ctu, wie der Magnet das Eyſen. Wann es pfleget zu geſchehen/ daß bey
weltl. Fuͤrſten das Brod außgeworffen wird/ ſo dringt man ſich herzu/
reißt mit Gewalt hindurch/ ſonderlich zu theurer Zeit fuͤr den Beckenladen:
alſo muß man Gewalt anlegen/ feſt halten/ ihm das Brod nicht nehmen
laſſen/ ihm ſein Part appropriiren/ das iſt mein Portz/ damit will ich mei-
nen Hunger buͤſſen: Contrà, die Kinder Jſrael eckelt ab dem Manna/ wol-
lens nicht annehmen/ begehren ſich nicht darum zu reiſſen. Darum wird
auch allhie durch das Eſſen verſtanden die λῆψις paſſiva, als durch wel-
che der Glaub beſchrieben wird. Joh. 1/5. 11. 12. Das Liecht ſcheinet
im
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Zitationshilfe: | Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666, S. 1059. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/1083>, abgerufen am 28.06.2024. |