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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.

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Die Drey und Funffzigste (Neundte)

II. Vita continua, Ein unzertrennliches Leben. Vn-
ser Leben ist ein halb todes Leben: Es lebet der Mensch kaum die halbe
Zeit seines Lebens/ die halbe Zeit schlafft er/ oder ist kranck; ja er lebt und
stirbt zugleich mit einander. Es gehet uns täglich etwas an dem Leben
ab/ und auch zu der Zeit/ da wir wachsen/ nimmet das Leben ab: Den
Tag/ da wir leben/ theilen wir gleichsam mit dem Tode; so bald wir in die-
ses Leben eingehen/ so fahen wir an zu einer andern Pforte außzugehen/
Sen. ep. 59.schreibet Seneca. So hat der Mensch seinen periodum kurtz oder lang/
wann der aus ist/ so muß er an den Toden-Tantz! sein voriger Wandel
und Lauff ist kurtz und gleichsam als in einem Bild verschwunden/ ist
etlicher massen (caeteris paribus) zu vergleichen mit dem jenigen Spie-
gelfechten/ welches auff begehren Catharinae Königs Caroli IX. in
P. Matth.
in histor.
Henr. IV.
Franckreich Mutter/ ihr ein Zauberer praesentirt/ dann als sie gelüstet zu
wissen von der künfftigen fortun und succession ihrer Söhne/ so erscheinet
ihr in einem Spiegel/ Henricus III. spatzierete in demselben dreymahl
auff und ab/ der Hertzog von Guise sprang schnell durch wie ein Blitz/ Na-
varrus
erzeigt sich zwey und zwantzig mahl und verschwand/ daraus sie
abnemen sollen/ wie bald ein ieder dem andern folgen und regieren werde/ so
viel Gänge so viel Jahrgang. Vnd wie es beschaffen ist mit den Menschen
in particulari, also auch mit gantzen Häusern/ Geschlechten/ Regierungen;
Aber hie ist ein continuirliches/ kein vergängliches Leben/ sondern immer-
fliessendes und nimmer-außfliessendes/ an einander-hangende und nie-
1. Thess. 4,
17.
auffhörende stäte Kette/ allezeit/ Pantote, sagt der Apostel/ Wir werden
bey dem HErrn seyn allezeit.

III. Vita semperflorida, Ein immerblühendes Leben;
Esa. 40, 6.
7.
Hie ist der Mensch wohl eine Blume; Alles Fleisch ist Heu/
und alle seine Güte ist wie eine Blume auff dem Felde/ das
Heu verdorret und die Blume verwelcket.
Es führet zwar eine
von den Blumen den Namen amaranthi, die unverwelcklich Sam-
met-Blum/ aber fälschlich/ dann wo ist der amaranth, der vor etlichen
Jahren geblühet? Flores natura in diem gignit, magna hominum admi-
ratione, quae spectatissima florent, celeberrime marcescunt. Plin. l.
21, 1.
Jn unsern Straßburgischen Thalern stehen diese Wort gepreget/ Flos
virtutis perpetuus,
Tugend-Blum währet ewig/ ists von der
Politischen Tugend allein zu verstehen/ so wird derselben endlich auch ver-
gessen! Aber die Blume des himmlischen Erbes ist amarantos, unver-

welcklich/
Die Drey und Funffzigſte (Neundte)

II. Vita continua, Ein unzertrennliches Leben. Vn-
ſer Leben iſt ein halb todes Leben: Es lebet der Menſch kaum die halbe
Zeit ſeines Lebens/ die halbe Zeit ſchlafft er/ oder iſt kranck; ja er lebt und
ſtirbt zugleich mit einander. Es gehet uns taͤglich etwas an dem Leben
ab/ und auch zu der Zeit/ da wir wachſen/ nimmet das Leben ab: Den
Tag/ da wir leben/ theilen wir gleichſam mit dem Tode; ſo bald wir in die-
ſes Leben eingehen/ ſo fahen wir an zu einer andern Pforte außzugehen/
Sen. ep. 59.ſchreibet Seneca. So hat der Menſch ſeinen periodum kurtz oder lang/
wann der aus iſt/ ſo muß er an den Toden-Tantz! ſein voriger Wandel
und Lauff iſt kurtz und gleichſam als in einem Bild verſchwunden/ iſt
etlicher maſſen (cæteris paribus) zu vergleichen mit dem jenigen Spie-
gelfechten/ welches auff begehren Catharinæ Koͤnigs Caroli IX. in
P. Matth.
in hiſtor.
Henr. IV.
Franckreich Mutter/ ihr ein Zauberer præſentirt/ dann als ſie geluͤſtet zu
wiſſen von der kuͤnfftigen fortun und ſucceſſion ihrer Soͤhne/ ſo erſcheinet
ihr in einem Spiegel/ Henricus III. ſpatzierete in demſelben dreymahl
auff und ab/ der Hertzog von Guiſe ſprang ſchnell durch wie ein Blitz/ Na-
varrus
erzeigt ſich zwey und zwantzig mahl und verſchwand/ daraus ſie
abnemen ſollen/ wie bald ein ieder dem andern folgen und regieren werde/ ſo
viel Gaͤnge ſo viel Jahrgang. Vnd wie es beſchaffen iſt mit den Menſchen
in particulari, alſo auch mit gantzen Haͤuſern/ Geſchlechten/ Regierungen;
Aber hie iſt ein continuirliches/ kein vergaͤngliches Leben/ ſondern immer-
flieſſendes und nimmer-außflieſſendes/ an einander-hangende und nie-
1. Theſſ. 4,
17.
auffhoͤrende ſtaͤte Kette/ allezeit/ Παντοτε, ſagt der Apoſtel/ Wir werden
bey dem HErrn ſeyn allezeit.

III. Vita ſemperflorida, Ein immerbluͤhendes Leben;
Eſa. 40, 6.
7.
Hie iſt der Menſch wohl eine Blume; Alles Fleiſch iſt Heu/
und alle ſeine Guͤte iſt wie eine Blume auff dem Felde/ das
Heu verdorret und die Blume verwelcket.
Es fuͤhret zwar eine
von den Blumen den Namen amaranthi, die unverwelcklich Sam-
met-Blum/ aber faͤlſchlich/ dann wo iſt der amaranth, der vor etlichen
Jahren gebluͤhet? Flores natura in diem gignit, magnâ hominum admi-
ratione, quæ ſpectatiſſima florent, celeberrimè marceſcunt. Plin. l.
21, 1.
Jn unſern Straßburgiſchen Thalern ſtehen dieſe Wort gepreget/ Flos
virtutis perpetuus,
Tugend-Blum währet ewig/ iſts von der
Politiſchen Tugend allein zu verſtehen/ ſo wird derſelben endlich auch ver-
geſſen! Aber die Blume des himmliſchen Erbes iſt ἀμάραντος, unver-

welcklich/
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[654/0686] Die Drey und Funffzigſte (Neundte) II. Vita continua, Ein unzertrennliches Leben. Vn- ſer Leben iſt ein halb todes Leben: Es lebet der Menſch kaum die halbe Zeit ſeines Lebens/ die halbe Zeit ſchlafft er/ oder iſt kranck; ja er lebt und ſtirbt zugleich mit einander. Es gehet uns taͤglich etwas an dem Leben ab/ und auch zu der Zeit/ da wir wachſen/ nimmet das Leben ab: Den Tag/ da wir leben/ theilen wir gleichſam mit dem Tode; ſo bald wir in die- ſes Leben eingehen/ ſo fahen wir an zu einer andern Pforte außzugehen/ ſchreibet Seneca. So hat der Menſch ſeinen periodum kurtz oder lang/ wann der aus iſt/ ſo muß er an den Toden-Tantz! ſein voriger Wandel und Lauff iſt kurtz und gleichſam als in einem Bild verſchwunden/ iſt etlicher maſſen (cæteris paribus) zu vergleichen mit dem jenigen Spie- gelfechten/ welches auff begehren Catharinæ Koͤnigs Caroli IX. in Franckreich Mutter/ ihr ein Zauberer præſentirt/ dann als ſie geluͤſtet zu wiſſen von der kuͤnfftigen fortun und ſucceſſion ihrer Soͤhne/ ſo erſcheinet ihr in einem Spiegel/ Henricus III. ſpatzierete in demſelben dreymahl auff und ab/ der Hertzog von Guiſe ſprang ſchnell durch wie ein Blitz/ Na- varrus erzeigt ſich zwey und zwantzig mahl und verſchwand/ daraus ſie abnemen ſollen/ wie bald ein ieder dem andern folgen und regieren werde/ ſo viel Gaͤnge ſo viel Jahrgang. Vnd wie es beſchaffen iſt mit den Menſchen in particulari, alſo auch mit gantzen Haͤuſern/ Geſchlechten/ Regierungen; Aber hie iſt ein continuirliches/ kein vergaͤngliches Leben/ ſondern immer- flieſſendes und nimmer-außflieſſendes/ an einander-hangende und nie- auffhoͤrende ſtaͤte Kette/ allezeit/ Παντοτε, ſagt der Apoſtel/ Wir werden bey dem HErrn ſeyn allezeit. Sen. ep. 59. P. Matth. in hiſtor. Henr. IV. 1. Theſſ. 4, 17. III. Vita ſemperflorida, Ein immerbluͤhendes Leben; Hie iſt der Menſch wohl eine Blume; Alles Fleiſch iſt Heu/ und alle ſeine Guͤte iſt wie eine Blume auff dem Felde/ das Heu verdorret und die Blume verwelcket. Es fuͤhret zwar eine von den Blumen den Namen amaranthi, die unverwelcklich Sam- met-Blum/ aber faͤlſchlich/ dann wo iſt der amaranth, der vor etlichen Jahren gebluͤhet? Flores natura in diem gignit, magnâ hominum admi- ratione, quæ ſpectatiſſima florent, celeberrimè marceſcunt. Plin. l. 21, 1. Jn unſern Straßburgiſchen Thalern ſtehen dieſe Wort gepreget/ Flos virtutis perpetuus, Tugend-Blum währet ewig/ iſts von der Politiſchen Tugend allein zu verſtehen/ ſo wird derſelben endlich auch ver- geſſen! Aber die Blume des himmliſchen Erbes iſt ἀμάραντος, unver- welcklich/ Eſa. 40, 6. 7.

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus06_1657/686>, abgerufen am 24.11.2024.