Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.Predigt. an der Wand tappet. Quando? Wie muß das Auge qualifici-ret seyn/ das einen solchen herrlichen Augen-Lust anschauen soll? Es muß seyn ein außerwehltes Auge/ ein reines und heiliges Auge/Exod. 24, 9. Matth. 5, 8. Hebr. 12, 4. rein vom Glauben und heiligen Leben/ Aspectum solis nisi clara lumina non requirunt: Sic praesentiam justi Principis ambiunt, qui de cordis sinceritate praesumunt, schreibet Cassiodorus: Gleich wie die Sonne kein Auge erdulden kan/ es seye dann heuter und klar: Es fliehet ein Mensch die Gegenwart seines gerechten Fürsten/ der nit in seinem Hertzen und Ge- wissen sich rein befindet. Man sihets/ wer ein Bubenstück auff der Hau- be hat/ der darff niemand redlich ansehen. Also wann Saul wütet und to et/ und mit blutdürstigen Augen die Gemeine Christi ansihet und an- fichtet/ so wird er durch das Sonnenklare Antlitz Christi viel mehr justo judicio verblendet als erleuchtet. Wann die Juden die Finsternüß mehr lieben als das Liecht/ so bleiben sie als Kinder der Finsternüß in ihrer Blindheit/ rappen am hellen Mittage/ und werden endlich hinaus geworf- fen in die ewige Finsternüß. Endlich muß es seyn ein seeliges Auge; Sterbliche/ sündliche Augen können den unsterblichen allerheiligsten Gott nicht anschauen/ dann kein Mensch/ sagt der Herr: (versteheExod. 33, 20. sterblicher) wird leben/ der mich sihet. Paulus ist durch die An- schauung Christi blind worden. Wie? sprichstu: hat doch Jacob den Herrn von Angesicht zu AngesichtGen, 32, 30. Dieses ist die seelige Augen-Lust der Gottes-Schau im ewigen Le- geschwä- Sechster Theil. H h h h
Predigt. an der Wand tappet. Quando? Wie muß das Auge qualifici-ret ſeyn/ das einen ſolchen herrlichen Augen-Luſt anſchauen ſoll? Es muß ſeyn ein außerwehltes Auge/ ein reines und heiliges Auge/Exod. 24, 9. Matth. 5, 8. Hebr. 12, 4. rein vom Glauben und heiligen Leben/ Aſpectum ſolis niſi clara lumina non requirunt: Sic præſentiam juſti Principis ambiunt, qui de cordis ſinceritate præſumunt, ſchreibet Caſſiodorus: Gleich wie die Sonne kein Auge erdulden kan/ es ſeye dann heuter und klar: Es fliehet ein Menſch die Gegenwart ſeines gerechten Fuͤrſten/ der nit in ſeinem Hertzen und Ge- wiſſen ſich rein befindet. Man ſihets/ wer ein Bubenſtuͤck auff der Hau- be hat/ der darff niemand redlich anſehen. Alſo wann Saul wuͤtet und to et/ und mit blutduͤrſtigen Augen die Gemeine Chriſti anſihet und an- fichtet/ ſo wird er durch das Sonnenklare Antlitz Chriſti viel mehr juſto judicio verblendet als erleuchtet. Wann die Juden die Finſternuͤß mehr lieben als das Liecht/ ſo bleiben ſie als Kinder der Finſternuͤß in ihrer Blindheit/ rappen am hellen Mittage/ und werden endlich hinaus geworf- fen in die ewige Finſternuͤß. Endlich muß es ſeyn ein ſeeliges Auge; Sterbliche/ ſuͤndliche Augen koͤnnen den unſterblichen allerheiligſten Gott nicht anſchauen/ dann kein Menſch/ ſagt der Herr: (verſteheExod. 33, 20. ſterblicher) wird leben/ der mich ſihet. Paulus iſt durch die An- ſchauung Chriſti blind worden. Wie? ſprichſtu: hat doch Jacob den Herrn von Angeſicht zu AngeſichtGen, 32, 30. Dieſes iſt die ſeelige Augen-Luſt der Gottes-Schau im ewigen Le- geſchwaͤ- Sechſter Theil. H h h h
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Predigt.
an der Wand tappet. Quando? Wie muß das Auge qualifici-
ret ſeyn/ das einen ſolchen herrlichen Augen-Luſt anſchauen
ſoll? Es muß ſeyn ein außerwehltes Auge/ ein reines und heiliges Auge/
rein vom Glauben und heiligen Leben/ Aſpectum ſolis niſi clara lumina
non requirunt: Sic præſentiam juſti Principis ambiunt, qui de cordis
ſinceritate præſumunt, ſchreibet Caſſiodorus: Gleich wie die Sonne kein
Auge erdulden kan/ es ſeye dann heuter und klar: Es fliehet ein Menſch
die Gegenwart ſeines gerechten Fuͤrſten/ der nit in ſeinem Hertzen und Ge-
wiſſen ſich rein befindet. Man ſihets/ wer ein Bubenſtuͤck auff der Hau-
be hat/ der darff niemand redlich anſehen. Alſo wann Saul wuͤtet und
to et/ und mit blutduͤrſtigen Augen die Gemeine Chriſti anſihet und an-
fichtet/ ſo wird er durch das Sonnenklare Antlitz Chriſti viel mehr juſto
judicio verblendet als erleuchtet. Wann die Juden die Finſternuͤß mehr
lieben als das Liecht/ ſo bleiben ſie als Kinder der Finſternuͤß in ihrer
Blindheit/ rappen am hellen Mittage/ und werden endlich hinaus geworf-
fen in die ewige Finſternuͤß. Endlich muß es ſeyn ein ſeeliges Auge;
Sterbliche/ ſuͤndliche Augen koͤnnen den unſterblichen allerheiligſten Gott
nicht anſchauen/ dann kein Menſch/ ſagt der Herr: (verſtehe
ſterblicher) wird leben/ der mich ſihet. Paulus iſt durch die An-
ſchauung Chriſti blind worden.
Exod. 24,
9.
Matth. 5, 8.
Hebr. 12, 4.
Exod. 33,
20.
Wie? ſprichſtu: hat doch Jacob den Herrn von Angeſicht zu Angeſicht
geſehen/ Moſes/ die Juͤnger/ Stephanus/ die haben ihn ja geſehen? Ant-
wort: Die phraſis von Angeſicht zu Angeſicht wird auff zweyer-
ley Weiſe gebraucht; Entweder von der freundlichen converſation mit
einem Menſchen als mit einem Freund/ mittelbar in angenommener
menſchlicher Geſtalt: Oder von der intuitivâ viſione, der weſentlichen
unmittelbaren allerſeeligſten Anſchauung. Dieſe gedeyet keinen ſterb-
lichen Menſchen auff Erden: Wohl aber jene/ wiewohl ſie rarò und ſelten
geſchehen.
Gen, 32, 30.
Exod. 33, 11.
1. Ioh. 1, 1.
Act. 7, 55.
Dieſes iſt die ſeelige Augen-Luſt der Gottes-Schau im ewigen Le-
ben. Was ſehen wir hie in dieſer Welt? Die Welt-Kinder zwar ihren
ſchoͤnen Augen-Luſt: Die Kinder Gottes aber lauter Vnluſt und Wuſt.
Da ſihet man einen Gottloſen der trotzig iſt/ der breitet ſich aus/ und gruͤnet
wie ein Lorbeer-Baum/ das thut weh im Hertzen/ und ſticht in die Nieren;
ſie ſehen mit Jeremia einen wackern Creutzſtab nach dem andern/ einẽ heiſ-
ſen/ ſiedenden/ prudelnden Straff-Topff von Mitternacht/ einen nach
dem andern: Man ſihet manchmal/ daß einem die Augen moͤchten druͤber
geſchwaͤ-
Sechſter Theil. H h h h
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