dann Römer, heidnische und christliche; die lange Herr- schaft der Sachsen, heidnischer und christlicher; die kurze der Dänen, ebenso; endlich die Normannen.
Sieger standen über Besiegten. Das Vasallen-Schwert mußte behaupten was es gewonnen hatte. Wilhelm der Eroberer erschuf sich mit anderthalbtausend Landgütern eine ungeheure Krondomäne, und that sie an Vasallen aus, gab seinen Großen hunderte von Landgütern, die diese Kronvasallen wieder austhaten an After-Vasallen, Alles um Kriegsdienst. Der Vater des Lehns ist der Krieg. Lehndienst fordert Mannlehen und Erstgeburtsrecht, d. i. Untheilbarkeit zu Gunsten des Erstgeborenen. Dieser Lehnsgrundsatz durchdrang den ganzen Staat. Der König nennt sich den Lehnsherrn des ganzen Grundeigenthums im Reiche. Alles Grundeigenthum wird nach Lehnrecht besessen; es giebt keine Allode in England.
Das Römische Erbrecht kennt keinen Vorzug der Primogenitur. In anderen Staaten wandte man die Be- stimmungen desselben auf das Grundeigenthum an, theilte im Süden von Frankreich sogar die Lehne nach Köpfen und ließ sie allmählig aus der gesammten Hand gehen. In England verwarf man das Justinianeische Recht, weil, sagt man, es unumschränkte Fürstenherrschaft lehrte und dem Lehngesetze widerstritt.
Die Folge war fast unbeweglicher Besitz des Grund- eigenthums in denselben Familien, und vornehmlich ein Zusammenhalten desselben in gewaltigen Massen in den Händen der großen Barone, der weltlichen und der geist- lichen; denn auch die letzteren waren mit ihrem Grund- vermögen dienstpflichtige Lehnsleute. Alle andern Lehns- leute standen tief unter diesen.
Neuere Staatsverfaſſung. England.
dann Roͤmer, heidniſche und chriſtliche; die lange Herr- ſchaft der Sachſen, heidniſcher und chriſtlicher; die kurze der Daͤnen, ebenſo; endlich die Normannen.
Sieger ſtanden uͤber Beſiegten. Das Vaſallen-Schwert mußte behaupten was es gewonnen hatte. Wilhelm der Eroberer erſchuf ſich mit anderthalbtauſend Landguͤtern eine ungeheure Krondomaͤne, und that ſie an Vaſallen aus, gab ſeinen Großen hunderte von Landguͤtern, die dieſe Kronvaſallen wieder austhaten an After-Vaſallen, Alles um Kriegsdienſt. Der Vater des Lehns iſt der Krieg. Lehndienſt fordert Mannlehen und Erſtgeburtsrecht, d. i. Untheilbarkeit zu Gunſten des Erſtgeborenen. Dieſer Lehnsgrundſatz durchdrang den ganzen Staat. Der Koͤnig nennt ſich den Lehnsherrn des ganzen Grundeigenthums im Reiche. Alles Grundeigenthum wird nach Lehnrecht beſeſſen; es giebt keine Allode in England.
Das Roͤmiſche Erbrecht kennt keinen Vorzug der Primogenitur. In anderen Staaten wandte man die Be- ſtimmungen deſſelben auf das Grundeigenthum an, theilte im Suͤden von Frankreich ſogar die Lehne nach Koͤpfen und ließ ſie allmaͤhlig aus der geſammten Hand gehen. In England verwarf man das Juſtinianeiſche Recht, weil, ſagt man, es unumſchraͤnkte Fuͤrſtenherrſchaft lehrte und dem Lehngeſetze widerſtritt.
Die Folge war faſt unbeweglicher Beſitz des Grund- eigenthums in denſelben Familien, und vornehmlich ein Zuſammenhalten deſſelben in gewaltigen Maſſen in den Haͤnden der großen Barone, der weltlichen und der geiſt- lichen; denn auch die letzteren waren mit ihrem Grund- vermoͤgen dienſtpflichtige Lehnsleute. Alle andern Lehns- leute ſtanden tief unter dieſen.
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Neuere Staatsverfaſſung. England.
dann Roͤmer, heidniſche und chriſtliche; die lange Herr-
ſchaft der Sachſen, heidniſcher und chriſtlicher; die kurze
der Daͤnen, ebenſo; endlich die Normannen.
Sieger ſtanden uͤber Beſiegten. Das Vaſallen-Schwert
mußte behaupten was es gewonnen hatte. Wilhelm der
Eroberer erſchuf ſich mit anderthalbtauſend Landguͤtern eine
ungeheure Krondomaͤne, und that ſie an Vaſallen aus,
gab ſeinen Großen hunderte von Landguͤtern, die dieſe
Kronvaſallen wieder austhaten an After-Vaſallen, Alles
um Kriegsdienſt. Der Vater des Lehns iſt der Krieg.
Lehndienſt fordert Mannlehen und Erſtgeburtsrecht, d. i.
Untheilbarkeit zu Gunſten des Erſtgeborenen. Dieſer
Lehnsgrundſatz durchdrang den ganzen Staat. Der Koͤnig
nennt ſich den Lehnsherrn des ganzen Grundeigenthums
im Reiche. Alles Grundeigenthum wird nach Lehnrecht
beſeſſen; es giebt keine Allode in England.
Das Roͤmiſche Erbrecht kennt keinen Vorzug der
Primogenitur. In anderen Staaten wandte man die Be-
ſtimmungen deſſelben auf das Grundeigenthum an, theilte
im Suͤden von Frankreich ſogar die Lehne nach Koͤpfen
und ließ ſie allmaͤhlig aus der geſammten Hand gehen.
In England verwarf man das Juſtinianeiſche Recht, weil,
ſagt man, es unumſchraͤnkte Fuͤrſtenherrſchaft lehrte und
dem Lehngeſetze widerſtritt.
Die Folge war faſt unbeweglicher Beſitz des Grund-
eigenthums in denſelben Familien, und vornehmlich ein
Zuſammenhalten deſſelben in gewaltigen Maſſen in den
Haͤnden der großen Barone, der weltlichen und der geiſt-
lichen; denn auch die letzteren waren mit ihrem Grund-
vermoͤgen dienſtpflichtige Lehnsleute. Alle andern Lehns-
leute ſtanden tief unter dieſen.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/67>, abgerufen am 16.02.2025.
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