Einspruchsrecht der Curien und des Senats, einem Volke gegenüber, kann noch verspäten, aber nichts verhindern mehr.
56. Von nun an ward rascher, doch immer stufen- weise fortgeschritten vom Wahlrechte bis zur Wählbarkeit der Plebejer, von den kleineren Staatsämtern bis zu den hohen und höchsten. Aristoteles trat gerade seinen großen Bildungsweg an, und entnahm aus der Zergliederung so vieler um ihn her untergehender Staatsverfassungen Maas und Regel für den ächten Staatsbau, als tribunicische Beharrlichkeit, die schon durch Connubien mit dem Adel theilweise verschmolzene Plebs gerade auf den Punkt zu- rückbrachte, auf welchen König Servius sie hatte stellen wollen. Ein Consul soll von nun an immer Plebejer seyn, und ein gemessener Theil vom öffentlichen Acker soll den Patriciern entzogen und unter Plebejer als Eigenthum vertheilt werden. Was noch von ungleichem Rechte übrig war, fiel nun in den nächsten Menschenaltern (339-286 v. Chr.) von selber; erst nach vollständiger Begründung der politischen Freiheit fand die persönliche ihre Sicherheit durch Aufhebung der alten Schuldknechtschaft.
57. Dergestalt kam aber die Römische Plebs, aller Volkswürden theilhaftig und privilegirt durch das Volks- tribunat, viel weiter, als bis zur beabsichtigten Gleichstel- lung. Sie kam vielmehr gerade da zu stehen, wo zu An- fang die Geschlechter standen. Bei ihr war die Herrschaft. Die Bestätigung der Volksbeschlüsse durch die Curien und den Senat ward am Ende bis auf eine unbedeutende Förmlichkeit hin ganz aufgehoben, eine Neuerung, die, was die Curien betrifft, unvermeidlich, was den Senat,
Zweites Capitel.
Einſpruchsrecht der Curien und des Senats, einem Volke gegenuͤber, kann noch verſpaͤten, aber nichts verhindern mehr.
56. Von nun an ward raſcher, doch immer ſtufen- weiſe fortgeſchritten vom Wahlrechte bis zur Waͤhlbarkeit der Plebejer, von den kleineren Staatsaͤmtern bis zu den hohen und hoͤchſten. Ariſtoteles trat gerade ſeinen großen Bildungsweg an, und entnahm aus der Zergliederung ſo vieler um ihn her untergehender Staatsverfaſſungen Maas und Regel fuͤr den aͤchten Staatsbau, als tribuniciſche Beharrlichkeit, die ſchon durch Connubien mit dem Adel theilweiſe verſchmolzene Plebs gerade auf den Punkt zu- ruͤckbrachte, auf welchen Koͤnig Servius ſie hatte ſtellen wollen. Ein Conſul ſoll von nun an immer Plebejer ſeyn, und ein gemeſſener Theil vom oͤffentlichen Acker ſoll den Patriciern entzogen und unter Plebejer als Eigenthum vertheilt werden. Was noch von ungleichem Rechte uͤbrig war, fiel nun in den naͤchſten Menſchenaltern (339-286 v. Chr.) von ſelber; erſt nach vollſtaͤndiger Begruͤndung der politiſchen Freiheit fand die perſoͤnliche ihre Sicherheit durch Aufhebung der alten Schuldknechtſchaft.
57. Dergeſtalt kam aber die Roͤmiſche Plebs, aller Volkswuͤrden theilhaftig und privilegirt durch das Volks- tribunat, viel weiter, als bis zur beabſichtigten Gleichſtel- lung. Sie kam vielmehr gerade da zu ſtehen, wo zu An- fang die Geſchlechter ſtanden. Bei ihr war die Herrſchaft. Die Beſtaͤtigung der Volksbeſchluͤſſe durch die Curien und den Senat ward am Ende bis auf eine unbedeutende Foͤrmlichkeit hin ganz aufgehoben, eine Neuerung, die, was die Curien betrifft, unvermeidlich, was den Senat,
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Zweites Capitel.
Einſpruchsrecht der Curien und des Senats, einem Volke
gegenuͤber, kann noch verſpaͤten, aber nichts verhindern
mehr.
56. Von nun an ward raſcher, doch immer ſtufen-
weiſe fortgeſchritten vom Wahlrechte bis zur Waͤhlbarkeit
der Plebejer, von den kleineren Staatsaͤmtern bis zu den
hohen und hoͤchſten. Ariſtoteles trat gerade ſeinen großen
Bildungsweg an, und entnahm aus der Zergliederung ſo
vieler um ihn her untergehender Staatsverfaſſungen Maas
und Regel fuͤr den aͤchten Staatsbau, als tribuniciſche
Beharrlichkeit, die ſchon durch Connubien mit dem Adel
theilweiſe verſchmolzene Plebs gerade auf den Punkt zu-
ruͤckbrachte, auf welchen Koͤnig Servius ſie hatte ſtellen
wollen. Ein Conſul ſoll von nun an immer Plebejer
ſeyn, und ein gemeſſener Theil vom oͤffentlichen Acker ſoll
den Patriciern entzogen und unter Plebejer als Eigenthum
vertheilt werden. Was noch von ungleichem Rechte uͤbrig
war, fiel nun in den naͤchſten Menſchenaltern (339-286
v. Chr.) von ſelber; erſt nach vollſtaͤndiger Begruͤndung
der politiſchen Freiheit fand die perſoͤnliche ihre Sicherheit
durch Aufhebung der alten Schuldknechtſchaft.
57. Dergeſtalt kam aber die Roͤmiſche Plebs, aller
Volkswuͤrden theilhaftig und privilegirt durch das Volks-
tribunat, viel weiter, als bis zur beabſichtigten Gleichſtel-
lung. Sie kam vielmehr gerade da zu ſtehen, wo zu An-
fang die Geſchlechter ſtanden. Bei ihr war die Herrſchaft.
Die Beſtaͤtigung der Volksbeſchluͤſſe durch die Curien und
den Senat ward am Ende bis auf eine unbedeutende
Foͤrmlichkeit hin ganz aufgehoben, eine Neuerung, die,
was die Curien betrifft, unvermeidlich, was den Senat,
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/52>, abgerufen am 16.02.2025.
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