Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Staatsverfassung der Alten. Athen. den Archonten an sie ging; die Entscheidung gab, wie inSparta, die einfache Stimmenmehrheit der Versammlung. Ihrer Gewalt aber waren scharf bestimmte Gränzen an- gewiesen. Wie sie überhaupt stets unter Vorsitz einer Ab- theilung des Senats verhandelte, so durfte zwar jeder Bürger auf ein neues Gesetz antragen, aber es kam nicht zur Abstimmung ohne die vorherige Billigung des Senats, und auch dann entschied nicht die ganze Volksversammlung darüber, sondern ein Ausschuß derselben, lediglich aus denjenigen älteren Bürgern zu erkiesen, welche zu Ge- schworenen des Jahres erwählt waren (Nomotheten, mindestens 500.). Sonach übten Senat und Nomotheten die gesetzgebende Gewalt, insofern der Areopag nicht ein- sprach; die Volksversammlung war auf vorübergehende Beschlüsse auf dem Grunde der bestehenden Gesetze beschränkt. 43. Diese Verfassung mochte sich Dauer versprechen, Staatsverfaſſung der Alten. Athen. den Archonten an ſie ging; die Entſcheidung gab, wie inSparta, die einfache Stimmenmehrheit der Verſammlung. Ihrer Gewalt aber waren ſcharf beſtimmte Graͤnzen an- gewieſen. Wie ſie uͤberhaupt ſtets unter Vorſitz einer Ab- theilung des Senats verhandelte, ſo durfte zwar jeder Buͤrger auf ein neues Geſetz antragen, aber es kam nicht zur Abſtimmung ohne die vorherige Billigung des Senats, und auch dann entſchied nicht die ganze Volksverſammlung daruͤber, ſondern ein Ausſchuß derſelben, lediglich aus denjenigen aͤlteren Buͤrgern zu erkieſen, welche zu Ge- ſchworenen des Jahres erwaͤhlt waren (Nomotheten, mindeſtens 500.). Sonach uͤbten Senat und Nomotheten die geſetzgebende Gewalt, inſofern der Areopag nicht ein- ſprach; die Volksverſammlung war auf voruͤbergehende Beſchluͤſſe auf dem Grunde der beſtehenden Geſetze beſchraͤnkt. 43. Dieſe Verfaſſung mochte ſich Dauer verſprechen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0041" n="29"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Staatsverfaſſung der Alten. Athen</hi>.</fw><lb/> den Archonten an ſie ging; die Entſcheidung gab, wie in<lb/> Sparta, die einfache Stimmenmehrheit der Verſammlung.<lb/> Ihrer Gewalt aber waren ſcharf beſtimmte Graͤnzen an-<lb/> gewieſen. Wie ſie uͤberhaupt ſtets unter Vorſitz einer Ab-<lb/> theilung des Senats verhandelte, ſo durfte zwar jeder<lb/> Buͤrger auf ein neues Geſetz antragen, aber es kam nicht<lb/> zur Abſtimmung ohne die vorherige Billigung des Senats,<lb/> und auch dann entſchied nicht die ganze Volksverſammlung<lb/> daruͤber, ſondern ein Ausſchuß derſelben, lediglich aus<lb/> denjenigen aͤlteren Buͤrgern zu erkieſen, welche zu Ge-<lb/> ſchworenen des Jahres erwaͤhlt waren (<hi rendition="#g">Nomotheten</hi>,<lb/> mindeſtens 500.). Sonach uͤbten Senat und Nomotheten<lb/> die geſetzgebende Gewalt, inſofern der Areopag nicht ein-<lb/> ſprach; die Volksverſammlung war auf voruͤbergehende<lb/> Beſchluͤſſe auf dem Grunde der beſtehenden Geſetze beſchraͤnkt.</p><lb/> <p>43. Dieſe Verfaſſung mochte ſich Dauer verſprechen,<lb/> wenn ſie an der Archonten Stelle wieder ein Erbkoͤnigthum<lb/> haͤtte ſetzen koͤnnen. Wie es nun ſtand, vermißte die<lb/> Gemeinfreiheit, angeregt, aber nicht befriedigt, fortwaͤhrend<lb/> die Staatsgewalt, welche allen Claſſen der Bevoͤlkerung<lb/> gleich nahe zu ſtehen berufen iſt. Man glaubte ſich ſchon<lb/> durch unregelmaͤßige Alleinherrſchaft gefoͤrdert. Das Haus<lb/> des Piſiſtratus wehrte den Haͤuptlingen, beſtritt den<lb/> Staatsaufwand wohlfeiler als bisher geſchehen und ver-<lb/> ruͤckte keinen Stein von der Soloniſchen Verfaſſung. Ein<lb/> gegneriſches Haus war nur dadurch im Stande, der Herr-<lb/> ſchaft der Piſiſtratiden fuͤr immer ein Ende zu machen,<lb/> daß es der perſoͤnlichen Ehrſucht das Opfer aller altariſto-<lb/> kratiſchen Vorrechte brachte. Kliſthenes, der ſich koͤnig-<lb/> licher Abkunft ruͤhmte, hob die alte ariſtokratiſche Stamm-<lb/> und Geſchlechter-Verfaſſung vollends auf. Die 10 Staͤmme,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0041]
Staatsverfaſſung der Alten. Athen.
den Archonten an ſie ging; die Entſcheidung gab, wie in
Sparta, die einfache Stimmenmehrheit der Verſammlung.
Ihrer Gewalt aber waren ſcharf beſtimmte Graͤnzen an-
gewieſen. Wie ſie uͤberhaupt ſtets unter Vorſitz einer Ab-
theilung des Senats verhandelte, ſo durfte zwar jeder
Buͤrger auf ein neues Geſetz antragen, aber es kam nicht
zur Abſtimmung ohne die vorherige Billigung des Senats,
und auch dann entſchied nicht die ganze Volksverſammlung
daruͤber, ſondern ein Ausſchuß derſelben, lediglich aus
denjenigen aͤlteren Buͤrgern zu erkieſen, welche zu Ge-
ſchworenen des Jahres erwaͤhlt waren (Nomotheten,
mindeſtens 500.). Sonach uͤbten Senat und Nomotheten
die geſetzgebende Gewalt, inſofern der Areopag nicht ein-
ſprach; die Volksverſammlung war auf voruͤbergehende
Beſchluͤſſe auf dem Grunde der beſtehenden Geſetze beſchraͤnkt.
43. Dieſe Verfaſſung mochte ſich Dauer verſprechen,
wenn ſie an der Archonten Stelle wieder ein Erbkoͤnigthum
haͤtte ſetzen koͤnnen. Wie es nun ſtand, vermißte die
Gemeinfreiheit, angeregt, aber nicht befriedigt, fortwaͤhrend
die Staatsgewalt, welche allen Claſſen der Bevoͤlkerung
gleich nahe zu ſtehen berufen iſt. Man glaubte ſich ſchon
durch unregelmaͤßige Alleinherrſchaft gefoͤrdert. Das Haus
des Piſiſtratus wehrte den Haͤuptlingen, beſtritt den
Staatsaufwand wohlfeiler als bisher geſchehen und ver-
ruͤckte keinen Stein von der Soloniſchen Verfaſſung. Ein
gegneriſches Haus war nur dadurch im Stande, der Herr-
ſchaft der Piſiſtratiden fuͤr immer ein Ende zu machen,
daß es der perſoͤnlichen Ehrſucht das Opfer aller altariſto-
kratiſchen Vorrechte brachte. Kliſthenes, der ſich koͤnig-
licher Abkunft ruͤhmte, hob die alte ariſtokratiſche Stamm-
und Geſchlechter-Verfaſſung vollends auf. Die 10 Staͤmme,
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