im Grunde länger, denn erst 1679 wird das alte Verbot ganz aufgehoben. v. Savigny, Gesch. d. R. R. im M. III, 343. 349 f. Im Allgem. vgl. Eichhorn, Kirchenrecht II, 628 ff.
275. Um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts be- ginnen unsere vaterländischen Universitäten einen eigenthüm- lichen Charakter zu entwickeln. Die Druckerkunst fängt an, und die Reformation vollendet. Zwar kann man auch das schon eigenthümlich heißen, daß in dem politisch zerstückelten Deutschland von Anfang her mindere Unterstützung, aber mehr Freiheit der Studirenden stattfand. Keine Spur frei- lich von jener stolzen Autonomie der Bologneser Rechts- schule, wo die Lehrer unter der Gerichtsbarkeit ihrer Schü- ler standen, nur daß allenfalls auch einen Professor die Wahl zum Rector durch der Schüler Stimmen treffen konnte; die Zeiten waren überhaupt nicht mehr, da Män- ner von vorgerücktem Alter und höchstem Range von allen Enden herbeiströmten, um Schüler der Römischen Rechts- weisheit zu werden. Das Deutsche Universitätswesen hatte die Pariser hohe theologische Schule zum Vorbilde; hier galt der Grundsatz geistlicher Disciplin von Anfang her und die großen Unterstützungen, welche die ärmeren, in weitläuftigen Gebäuden zusammenwohnenden Studirenden genossen, stellten gerade diese Collegien, mit aller der Auf- sicht über Leben und Studium, die an ihnen haftete, in den Mittelpunkt der Pariser Universität. Wer nicht in einem Collegium lebte, unterstüzt oder in den Mitgenuß der Stiftung eingekauft, gehörte nicht zur eigentlichen Universität, er lebte in communi. In Deutschland nun war die Unterstützung geringer und schwieriger zu er- langen; aber die bursae der Deutschen waren dafür meist freie Pensionsanstalten, die ihre Mitglieder ge- gen Zahlung aufnahmen. Man wählte seine Vorträge
Vom Univerſitaͤtsweſen.
im Grunde laͤnger, denn erſt 1679 wird das alte Verbot ganz aufgehoben. v. Savigny, Geſch. d. R. R. im M. III, 343. 349 f. Im Allgem. vgl. Eichhorn, Kirchenrecht II, 628 ff.
275. Um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts be- ginnen unſere vaterlaͤndiſchen Univerſitaͤten einen eigenthuͤm- lichen Charakter zu entwickeln. Die Druckerkunſt faͤngt an, und die Reformation vollendet. Zwar kann man auch das ſchon eigenthuͤmlich heißen, daß in dem politiſch zerſtuͤckelten Deutſchland von Anfang her mindere Unterſtuͤtzung, aber mehr Freiheit der Studirenden ſtattfand. Keine Spur frei- lich von jener ſtolzen Autonomie der Bologneſer Rechts- ſchule, wo die Lehrer unter der Gerichtsbarkeit ihrer Schuͤ- ler ſtanden, nur daß allenfalls auch einen Profeſſor die Wahl zum Rector durch der Schuͤler Stimmen treffen konnte; die Zeiten waren uͤberhaupt nicht mehr, da Maͤn- ner von vorgeruͤcktem Alter und hoͤchſtem Range von allen Enden herbeiſtroͤmten, um Schuͤler der Roͤmiſchen Rechts- weisheit zu werden. Das Deutſche Univerſitaͤtsweſen hatte die Pariſer hohe theologiſche Schule zum Vorbilde; hier galt der Grundſatz geiſtlicher Disciplin von Anfang her und die großen Unterſtuͤtzungen, welche die aͤrmeren, in weitlaͤuftigen Gebaͤuden zuſammenwohnenden Studirenden genoſſen, ſtellten gerade dieſe Collegien, mit aller der Auf- ſicht uͤber Leben und Studium, die an ihnen haftete, in den Mittelpunkt der Pariſer Univerſitaͤt. Wer nicht in einem Collegium lebte, unterſtuͤzt oder in den Mitgenuß der Stiftung eingekauft, gehoͤrte nicht zur eigentlichen Univerſitaͤt, er lebte in communi. In Deutſchland nun war die Unterſtuͤtzung geringer und ſchwieriger zu er- langen; aber die bursae der Deutſchen waren dafuͤr meiſt freie Penſionsanſtalten, die ihre Mitglieder ge- gen Zahlung aufnahmen. Man waͤhlte ſeine Vortraͤge
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Vom Univerſitaͤtsweſen.
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im Grunde laͤnger, denn erſt 1679 wird das alte Verbot ganz
aufgehoben. v. Savigny, Geſch. d. R. R. im M. III, 343. 349 f.
Im Allgem. vgl. Eichhorn, Kirchenrecht II, 628 ff.
275. Um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts be-
ginnen unſere vaterlaͤndiſchen Univerſitaͤten einen eigenthuͤm-
lichen Charakter zu entwickeln. Die Druckerkunſt faͤngt an,
und die Reformation vollendet. Zwar kann man auch das
ſchon eigenthuͤmlich heißen, daß in dem politiſch zerſtuͤckelten
Deutſchland von Anfang her mindere Unterſtuͤtzung, aber
mehr Freiheit der Studirenden ſtattfand. Keine Spur frei-
lich von jener ſtolzen Autonomie der Bologneſer Rechts-
ſchule, wo die Lehrer unter der Gerichtsbarkeit ihrer Schuͤ-
ler ſtanden, nur daß allenfalls auch einen Profeſſor die
Wahl zum Rector durch der Schuͤler Stimmen treffen
konnte; die Zeiten waren uͤberhaupt nicht mehr, da Maͤn-
ner von vorgeruͤcktem Alter und hoͤchſtem Range von allen
Enden herbeiſtroͤmten, um Schuͤler der Roͤmiſchen Rechts-
weisheit zu werden. Das Deutſche Univerſitaͤtsweſen hatte
die Pariſer hohe theologiſche Schule zum Vorbilde; hier
galt der Grundſatz geiſtlicher Disciplin von Anfang her
und die großen Unterſtuͤtzungen, welche die aͤrmeren, in
weitlaͤuftigen Gebaͤuden zuſammenwohnenden Studirenden
genoſſen, ſtellten gerade dieſe Collegien, mit aller der Auf-
ſicht uͤber Leben und Studium, die an ihnen haftete, in
den Mittelpunkt der Pariſer Univerſitaͤt. Wer nicht in
einem Collegium lebte, unterſtuͤzt oder in den Mitgenuß
der Stiftung eingekauft, gehoͤrte nicht zur eigentlichen
Univerſitaͤt, er lebte in communi. In Deutſchland nun
war die Unterſtuͤtzung geringer und ſchwieriger zu er-
langen; aber die bursae der Deutſchen waren dafuͤr
meiſt freie Penſionsanſtalten, die ihre Mitglieder ge-
gen Zahlung aufnahmen. Man waͤhlte ſeine Vortraͤge
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/291>, abgerufen am 16.07.2024.
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