Aristokratieen, deren Mitglieder unter sich gleich geworden sind. Die Heimath der Demokratie ist nur da, wo unter den einfachsten Lebensgewohnheiten hergebrachte Sitte gilt was bei Andern das Gesetz, wie in den Achäischen Städ- ten vor Arat, oder etwa noch heute im Canton Uri.
21. Die Monarchie hat durch Stamm- und Fa- milien-Ordnungen vielen alten Glauben für sich, aber viele Urtheile der Menschen gegen sich, sobald man die Demokratie gekostet. Der Monarch gehorcht allein sich selber, keinem sonst, er herrscht ohne Wechsel, sein Wille ist dem größesten Staate gewachsen; kein Wunder, wenn dieser ungebrochene Wille sich jeden beherrschbaren Gegen- stand zu unterwerfen trachtet. Aber bis zur Unumschränkt- heit fortgeführt, erscheint die Monarchie als ihrer Natur nach unfreiheitlich, als ein unnatürlicher Zwang von Ei- nem gegen Viele geübt, vielleicht sogar von dem unkräftig- sten unter Allen, der den erblichen Machtgewinn durch des Zufalls Gunst dahinnimmt. Nun ist freilich durchaus un- möglich, daß der gar nicht Gehorchende auch überall regiere, allein noch viel schlimmer, wenn die mit Ausführung des allein herrschenden Willens Beauftragten ihren eigenen Wil- len an die Stelle setzen. Darum ist im Welttheile der freien Familie die Klage weit verbreitet: 1) die unumschränkte Alleinherrschaft entbehrt der sonst aus der Monarchie fließen- den Einheit und Gewißheit der Regierung; denn aus der einen Unumschränktheit gebiert sich die Vielherrschaft einer Menge kleinerer Unumschränktheiten und sacrilegii instar est dubitare, an is dignus sit, quem elegerit Imperator (l. 9. cod. t. 29, 3. de crim. sacrilegii.). 2) Wenn das Urtheil im Volk sich ausbildet, so entwickelt sich, je tiefer die Unumschränktheit eingedrungen ist, um so mehr die
Demokratie. Monarchie. Ariſtokratie.
Ariſtokratieen, deren Mitglieder unter ſich gleich geworden ſind. Die Heimath der Demokratie iſt nur da, wo unter den einfachſten Lebensgewohnheiten hergebrachte Sitte gilt was bei Andern das Geſetz, wie in den Achaͤiſchen Staͤd- ten vor Arat, oder etwa noch heute im Canton Uri.
21. Die Monarchie hat durch Stamm- und Fa- milien-Ordnungen vielen alten Glauben fuͤr ſich, aber viele Urtheile der Menſchen gegen ſich, ſobald man die Demokratie gekoſtet. Der Monarch gehorcht allein ſich ſelber, keinem ſonſt, er herrſcht ohne Wechſel, ſein Wille iſt dem groͤßeſten Staate gewachſen; kein Wunder, wenn dieſer ungebrochene Wille ſich jeden beherrſchbaren Gegen- ſtand zu unterwerfen trachtet. Aber bis zur Unumſchraͤnkt- heit fortgefuͤhrt, erſcheint die Monarchie als ihrer Natur nach unfreiheitlich, als ein unnatuͤrlicher Zwang von Ei- nem gegen Viele geuͤbt, vielleicht ſogar von dem unkraͤftig- ſten unter Allen, der den erblichen Machtgewinn durch des Zufalls Gunſt dahinnimmt. Nun iſt freilich durchaus un- moͤglich, daß der gar nicht Gehorchende auch uͤberall regiere, allein noch viel ſchlimmer, wenn die mit Ausfuͤhrung des allein herrſchenden Willens Beauftragten ihren eigenen Wil- len an die Stelle ſetzen. Darum iſt im Welttheile der freien Familie die Klage weit verbreitet: 1) die unumſchraͤnkte Alleinherrſchaft entbehrt der ſonſt aus der Monarchie fließen- den Einheit und Gewißheit der Regierung; denn aus der einen Unumſchraͤnktheit gebiert ſich die Vielherrſchaft einer Menge kleinerer Unumſchraͤnktheiten und sacrilegii instar est dubitare, an is dignus sit, quem elegerit Imperator (l. 9. cod. t. 29, 3. de crim. sacrilegii.). 2) Wenn das Urtheil im Volk ſich ausbildet, ſo entwickelt ſich, je tiefer die Unumſchraͤnktheit eingedrungen iſt, um ſo mehr die
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Demokratie. Monarchie. Ariſtokratie.
Ariſtokratieen, deren Mitglieder unter ſich gleich geworden
ſind. Die Heimath der Demokratie iſt nur da, wo unter
den einfachſten Lebensgewohnheiten hergebrachte Sitte gilt
was bei Andern das Geſetz, wie in den Achaͤiſchen Staͤd-
ten vor Arat, oder etwa noch heute im Canton Uri.
21. Die Monarchie hat durch Stamm- und Fa-
milien-Ordnungen vielen alten Glauben fuͤr ſich, aber
viele Urtheile der Menſchen gegen ſich, ſobald man die
Demokratie gekoſtet. Der Monarch gehorcht allein ſich
ſelber, keinem ſonſt, er herrſcht ohne Wechſel, ſein Wille
iſt dem groͤßeſten Staate gewachſen; kein Wunder, wenn
dieſer ungebrochene Wille ſich jeden beherrſchbaren Gegen-
ſtand zu unterwerfen trachtet. Aber bis zur Unumſchraͤnkt-
heit fortgefuͤhrt, erſcheint die Monarchie als ihrer Natur
nach unfreiheitlich, als ein unnatuͤrlicher Zwang von Ei-
nem gegen Viele geuͤbt, vielleicht ſogar von dem unkraͤftig-
ſten unter Allen, der den erblichen Machtgewinn durch des
Zufalls Gunſt dahinnimmt. Nun iſt freilich durchaus un-
moͤglich, daß der gar nicht Gehorchende auch uͤberall regiere,
allein noch viel ſchlimmer, wenn die mit Ausfuͤhrung des
allein herrſchenden Willens Beauftragten ihren eigenen Wil-
len an die Stelle ſetzen. Darum iſt im Welttheile der freien
Familie die Klage weit verbreitet: 1) die unumſchraͤnkte
Alleinherrſchaft entbehrt der ſonſt aus der Monarchie fließen-
den Einheit und Gewißheit der Regierung; denn aus der
einen Unumſchraͤnktheit gebiert ſich die Vielherrſchaft einer
Menge kleinerer Unumſchraͤnktheiten und sacrilegii instar
est dubitare, an is dignus sit, quem elegerit Imperator
(l. 9. cod. t. 29, 3. de crim. sacrilegii.). 2) Wenn das
Urtheil im Volk ſich ausbildet, ſo entwickelt ſich, je tiefer
die Unumſchraͤnktheit eingedrungen iſt, um ſo mehr die
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/27>, abgerufen am 16.02.2025.
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