Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Neuntes Capitel. gen Schriften fest und sie lag in den Händen der Geist-lichkeit. Was der Staat einheitlich vollbrachte, schien im Fürsten enthalten. 226. Von äußeren Erfolgen solcher stillen Bemühun- 227. Den unfruchtbarsten Pfad schlugen wohl dieje- Neuntes Capitel. gen Schriften feſt und ſie lag in den Haͤnden der Geiſt-lichkeit. Was der Staat einheitlich vollbrachte, ſchien im Fuͤrſten enthalten. 226. Von aͤußeren Erfolgen ſolcher ſtillen Bemuͤhun- 227. Den unfruchtbarſten Pfad ſchlugen wohl dieje- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0208" n="196"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Capitel</hi>.</fw><lb/> gen Schriften feſt und ſie lag in den Haͤnden der Geiſt-<lb/> lichkeit. Was der Staat einheitlich vollbrachte, ſchien im<lb/> Fuͤrſten enthalten.</p><lb/> <p>226. Von aͤußeren Erfolgen ſolcher ſtillen Bemuͤhun-<lb/> gen um den Staat im Sinne ſeines Standes zur Menſch-<lb/> heit bemerkte ſich freilich auf der Oberflaͤche des Lebens<lb/> wenig. Die Stimme des Tags, der den Staat, wie er<lb/> vorliegt, thaͤtig zu behandeln und ſeine Zwecke zu foͤrdern<lb/> hat, toͤnt zu laut in der Geſchichte. Seit indeß die Re-<lb/> formation die feinſten Fragen praktiſch gemacht hatte, ſo<lb/> entſcheidend daß ſeitdem vergeblich alles Bemuͤhn iſt ſie<lb/> ins Myſterium zuruͤckzuſpinnen, ſtellte ſich neben den Schrift-<lb/> ſtellern, welche den Staat der aͤußeren Erfolge, der Staͤrke<lb/> der Herrſchaft, daher des Reichthums wollten, die lange<lb/> Reihe derjenigen auf, die nicht muͤde wurden das in chriſtli-<lb/> cher Zeit doppelt ſchwierige Verhaͤltniß des Individuums zum<lb/> Staate zu eroͤrtern, welches ſich in der Frage ausſpricht:<lb/> Wie ſoll Sittlichkeit mit dem Recht, das innere Geſetz der<lb/> Freiheit mit dem aͤußeren des Zwangs beſtehen? wer von<lb/> beiden ſoll nachgeben ohne doch ſich aufzugeben? iſt in die-<lb/> ſer Gebrechlichkeit der menſchlichen Dinge eine Verſoͤhnung<lb/> uͤberhaupt nur moͤglich?</p><lb/> <p>227. Den unfruchtbarſten Pfad ſchlugen wohl dieje-<lb/> nigen ein, welche in Form der Alten ohne den Boden der<lb/> Alten ein Ideal des Staats in die Luft zu malen ſuch-<lb/> ten, mochte es nun Utopia oder Oceana heißen. Die wilden<lb/> Monarchomachen aber durchſchnitten mit Schwert und Dolch<lb/> den Knoten, den ſie nicht zu loͤſen wußten. Beſonders<lb/> unhold ſteht Mariana’s Jeſuitiſche Volks-Souveraͤnitaͤt da,<lb/> die den tyranniſchen Koͤnig zu Gericht und Hinrichtung<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0208]
Neuntes Capitel.
gen Schriften feſt und ſie lag in den Haͤnden der Geiſt-
lichkeit. Was der Staat einheitlich vollbrachte, ſchien im
Fuͤrſten enthalten.
226. Von aͤußeren Erfolgen ſolcher ſtillen Bemuͤhun-
gen um den Staat im Sinne ſeines Standes zur Menſch-
heit bemerkte ſich freilich auf der Oberflaͤche des Lebens
wenig. Die Stimme des Tags, der den Staat, wie er
vorliegt, thaͤtig zu behandeln und ſeine Zwecke zu foͤrdern
hat, toͤnt zu laut in der Geſchichte. Seit indeß die Re-
formation die feinſten Fragen praktiſch gemacht hatte, ſo
entſcheidend daß ſeitdem vergeblich alles Bemuͤhn iſt ſie
ins Myſterium zuruͤckzuſpinnen, ſtellte ſich neben den Schrift-
ſtellern, welche den Staat der aͤußeren Erfolge, der Staͤrke
der Herrſchaft, daher des Reichthums wollten, die lange
Reihe derjenigen auf, die nicht muͤde wurden das in chriſtli-
cher Zeit doppelt ſchwierige Verhaͤltniß des Individuums zum
Staate zu eroͤrtern, welches ſich in der Frage ausſpricht:
Wie ſoll Sittlichkeit mit dem Recht, das innere Geſetz der
Freiheit mit dem aͤußeren des Zwangs beſtehen? wer von
beiden ſoll nachgeben ohne doch ſich aufzugeben? iſt in die-
ſer Gebrechlichkeit der menſchlichen Dinge eine Verſoͤhnung
uͤberhaupt nur moͤglich?
227. Den unfruchtbarſten Pfad ſchlugen wohl dieje-
nigen ein, welche in Form der Alten ohne den Boden der
Alten ein Ideal des Staats in die Luft zu malen ſuch-
ten, mochte es nun Utopia oder Oceana heißen. Die wilden
Monarchomachen aber durchſchnitten mit Schwert und Dolch
den Knoten, den ſie nicht zu loͤſen wußten. Beſonders
unhold ſteht Mariana’s Jeſuitiſche Volks-Souveraͤnitaͤt da,
die den tyranniſchen Koͤnig zu Gericht und Hinrichtung
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