Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Blick auf d. Systematik d. Staatswissensch.
Körper ein Hinderniß zu finden, weist er ihnen männliche
Leibesübungen und männliche Erziehung an und die
Kriegs- und Friedens-Ämter sind Frauen und Männern
gemeinsam, nur nach Unterschied der persönlichen Fähig-
keit. Da ihm nun der Antrieb zur Vereinigung der Ge-
schlechter bloß in dem sinnlichen Reize der Körper besteht,
so macht es keine Schwierigkeit auch dadurch die Staats-
Oberen über jede Beengung durch Familien-Rücksichten
zu erheben, daß in Hinsicht auf sie eine Gemeinschaft der
Älterlichkeit gegründet wird, vermöge welcher weder die
Ältern ihr Kind kennen, noch das Kind seine Ältern.

Dieses darf darum keine regellose Vermischung seyn.
Die Oberen sollen die Zahl der Heurathen bestimmen, mit
Rücksicht auf Kriege und Krankheiten, nach dem Grund-
satze, daß der Staat so viel möglich niemahls kleiner oder
größer an Männern werde. Die Hochzeiten werden an
gewissen Festen feierlich unter weihenden Gesängen began-
gen und zwar so, daß die Ehegenossen sich einander erlo-
sen, obwohl nur dem Scheine nach, denn die Herrscher
lenken so die Loose, daß die gleich Trefflichen sich einander
zu Theil werden, sehr geheim indeß, damit ein jeder sein
schlechteres Glück dem Loose beimesse, nicht den Oberen.
Und die Tapfersten dürfen sich mit mehreren Frauen ver-
binden, damit recht viele Tapfere erzeugt werden. Die
Kinder dieser Ehen aber werden gleich nach der Geburt in
ein besonderes Stadt-Viertel, in das Kinderhaus gebracht,
wo alle Mütter sich beistehen sie aufzusäugen, so daß we-
der Vater noch Mutter ihr Kind herauszuerkennen vermö-
gen. Kinder schlechter Ältern aber, oder in vorgerückten,
nicht mehr für die Zeugung erlaubten Jahren erzeugte,
oder gebrechliche, werden gar nicht auferzogen, sondern aus-
gesetzt. Alle Kinder, die zwischen dem siebenten und dem

Blick auf d. Syſtematik d. Staatswiſſenſch.
Koͤrper ein Hinderniß zu finden, weist er ihnen maͤnnliche
Leibesuͤbungen und maͤnnliche Erziehung an und die
Kriegs- und Friedens-Ämter ſind Frauen und Maͤnnern
gemeinſam, nur nach Unterſchied der perſoͤnlichen Faͤhig-
keit. Da ihm nun der Antrieb zur Vereinigung der Ge-
ſchlechter bloß in dem ſinnlichen Reize der Koͤrper beſteht,
ſo macht es keine Schwierigkeit auch dadurch die Staats-
Oberen uͤber jede Beengung durch Familien-Ruͤckſichten
zu erheben, daß in Hinſicht auf ſie eine Gemeinſchaft der
Älterlichkeit gegruͤndet wird, vermoͤge welcher weder die
Ältern ihr Kind kennen, noch das Kind ſeine Ältern.

Dieſes darf darum keine regelloſe Vermiſchung ſeyn.
Die Oberen ſollen die Zahl der Heurathen beſtimmen, mit
Ruͤckſicht auf Kriege und Krankheiten, nach dem Grund-
ſatze, daß der Staat ſo viel moͤglich niemahls kleiner oder
groͤßer an Maͤnnern werde. Die Hochzeiten werden an
gewiſſen Feſten feierlich unter weihenden Geſaͤngen began-
gen und zwar ſo, daß die Ehegenoſſen ſich einander erlo-
ſen, obwohl nur dem Scheine nach, denn die Herrſcher
lenken ſo die Looſe, daß die gleich Trefflichen ſich einander
zu Theil werden, ſehr geheim indeß, damit ein jeder ſein
ſchlechteres Gluͤck dem Looſe beimeſſe, nicht den Oberen.
Und die Tapferſten duͤrfen ſich mit mehreren Frauen ver-
binden, damit recht viele Tapfere erzeugt werden. Die
Kinder dieſer Ehen aber werden gleich nach der Geburt in
ein beſonderes Stadt-Viertel, in das Kinderhaus gebracht,
wo alle Muͤtter ſich beiſtehen ſie aufzuſaͤugen, ſo daß we-
der Vater noch Mutter ihr Kind herauszuerkennen vermoͤ-
gen. Kinder ſchlechter Ältern aber, oder in vorgeruͤckten,
nicht mehr fuͤr die Zeugung erlaubten Jahren erzeugte,
oder gebrechliche, werden gar nicht auferzogen, ſondern aus-
geſetzt. Alle Kinder, die zwiſchen dem ſiebenten und dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0199" n="187"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Blick auf d. Sy&#x017F;tematik d. Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;ch</hi>.</fw><lb/>
Ko&#x0364;rper ein Hinderniß zu finden, weist er ihnen ma&#x0364;nnliche<lb/>
Leibesu&#x0364;bungen und ma&#x0364;nnliche Erziehung an und die<lb/>
Kriegs- und Friedens-Ämter &#x017F;ind Frauen und Ma&#x0364;nnern<lb/>
gemein&#x017F;am, nur nach Unter&#x017F;chied der per&#x017F;o&#x0364;nlichen Fa&#x0364;hig-<lb/>
keit. Da ihm nun der Antrieb zur Vereinigung der Ge-<lb/>
&#x017F;chlechter bloß in dem &#x017F;innlichen Reize der Ko&#x0364;rper be&#x017F;teht,<lb/>
&#x017F;o macht es keine Schwierigkeit auch dadurch die Staats-<lb/>
Oberen u&#x0364;ber jede Beengung durch Familien-Ru&#x0364;ck&#x017F;ichten<lb/>
zu erheben, daß in Hin&#x017F;icht auf &#x017F;ie eine Gemein&#x017F;chaft der<lb/>
Älterlichkeit gegru&#x0364;ndet wird, vermo&#x0364;ge welcher weder die<lb/>
Ältern ihr Kind kennen, noch das Kind &#x017F;eine Ältern.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;es darf darum keine regello&#x017F;e Vermi&#x017F;chung &#x017F;eyn.<lb/>
Die Oberen &#x017F;ollen die Zahl der Heurathen be&#x017F;timmen, mit<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf Kriege und Krankheiten, nach dem Grund-<lb/>
&#x017F;atze, daß der Staat &#x017F;o viel mo&#x0364;glich niemahls kleiner oder<lb/>
gro&#x0364;ßer an Ma&#x0364;nnern werde. Die Hochzeiten werden an<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Fe&#x017F;ten feierlich unter weihenden Ge&#x017F;a&#x0364;ngen began-<lb/>
gen und zwar &#x017F;o, daß die Ehegeno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich einander erlo-<lb/>
&#x017F;en, obwohl nur dem Scheine nach, denn die Herr&#x017F;cher<lb/>
lenken &#x017F;o die Loo&#x017F;e, daß die gleich Trefflichen &#x017F;ich einander<lb/>
zu Theil werden, &#x017F;ehr geheim indeß, damit ein jeder &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;chlechteres Glu&#x0364;ck dem Loo&#x017F;e beime&#x017F;&#x017F;e, nicht den Oberen.<lb/>
Und die Tapfer&#x017F;ten du&#x0364;rfen &#x017F;ich mit mehreren Frauen ver-<lb/>
binden, damit recht viele Tapfere erzeugt werden. Die<lb/>
Kinder die&#x017F;er Ehen aber werden gleich nach der Geburt in<lb/>
ein be&#x017F;onderes Stadt-Viertel, in das Kinderhaus gebracht,<lb/>
wo alle Mu&#x0364;tter &#x017F;ich bei&#x017F;tehen &#x017F;ie aufzu&#x017F;a&#x0364;ugen, &#x017F;o daß we-<lb/>
der Vater noch Mutter ihr Kind herauszuerkennen vermo&#x0364;-<lb/>
gen. Kinder &#x017F;chlechter Ältern aber, oder in vorgeru&#x0364;ckten,<lb/>
nicht mehr fu&#x0364;r die Zeugung erlaubten Jahren erzeugte,<lb/>
oder gebrechliche, werden gar nicht auferzogen, &#x017F;ondern aus-<lb/>
ge&#x017F;etzt. Alle Kinder, die zwi&#x017F;chen dem &#x017F;iebenten und dem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0199] Blick auf d. Syſtematik d. Staatswiſſenſch. Koͤrper ein Hinderniß zu finden, weist er ihnen maͤnnliche Leibesuͤbungen und maͤnnliche Erziehung an und die Kriegs- und Friedens-Ämter ſind Frauen und Maͤnnern gemeinſam, nur nach Unterſchied der perſoͤnlichen Faͤhig- keit. Da ihm nun der Antrieb zur Vereinigung der Ge- ſchlechter bloß in dem ſinnlichen Reize der Koͤrper beſteht, ſo macht es keine Schwierigkeit auch dadurch die Staats- Oberen uͤber jede Beengung durch Familien-Ruͤckſichten zu erheben, daß in Hinſicht auf ſie eine Gemeinſchaft der Älterlichkeit gegruͤndet wird, vermoͤge welcher weder die Ältern ihr Kind kennen, noch das Kind ſeine Ältern. Dieſes darf darum keine regelloſe Vermiſchung ſeyn. Die Oberen ſollen die Zahl der Heurathen beſtimmen, mit Ruͤckſicht auf Kriege und Krankheiten, nach dem Grund- ſatze, daß der Staat ſo viel moͤglich niemahls kleiner oder groͤßer an Maͤnnern werde. Die Hochzeiten werden an gewiſſen Feſten feierlich unter weihenden Geſaͤngen began- gen und zwar ſo, daß die Ehegenoſſen ſich einander erlo- ſen, obwohl nur dem Scheine nach, denn die Herrſcher lenken ſo die Looſe, daß die gleich Trefflichen ſich einander zu Theil werden, ſehr geheim indeß, damit ein jeder ſein ſchlechteres Gluͤck dem Looſe beimeſſe, nicht den Oberen. Und die Tapferſten duͤrfen ſich mit mehreren Frauen ver- binden, damit recht viele Tapfere erzeugt werden. Die Kinder dieſer Ehen aber werden gleich nach der Geburt in ein beſonderes Stadt-Viertel, in das Kinderhaus gebracht, wo alle Muͤtter ſich beiſtehen ſie aufzuſaͤugen, ſo daß we- der Vater noch Mutter ihr Kind herauszuerkennen vermoͤ- gen. Kinder ſchlechter Ältern aber, oder in vorgeruͤckten, nicht mehr fuͤr die Zeugung erlaubten Jahren erzeugte, oder gebrechliche, werden gar nicht auferzogen, ſondern aus- geſetzt. Alle Kinder, die zwiſchen dem ſiebenten und dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/199
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/199>, abgerufen am 25.11.2024.