Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Rechte der Stände-Versammlung.
schlüsse der Ständeversammlung den Bittstellern mitzutheilen.
Werden die in einer Bittschrift etwa vorgetragenen Be-
schwerden gegründet befunden und gehören sie für den Wir-
kungskreis der Kammern (für welchen die richterliche Ge-
setzanwendung nicht gehört, sondern allein diejenige Gesetz-
anwendung und sonstige Thätigkeit, welche auf dem Wege
der Regierung geschieht und misbräuchlich und rechtver-
letzend geschehen kann), so macht die Ständeversammlung die
höchste Stelle darauf aufmerksam und bittet um Verbesserung.

179. An Verträgen mit andern Mächten hat die
Ständeversammlung insofern Theil als Geldmittel zu deren
Erfüllung erforderlich sind oder sie in die Gesetzgebung des
Königreiches eingreifen. Sie wird darum auf unverzögerte
Mittheilung der Tractaten dringen und geheimen Artikeln
abhold seyn.

180. Die Kammern sollen mit-Gesetzgebend, Gesetz-
wahrend, aber eben darum nicht mitregierend, nicht mit-
verwaltend seyn. Damit sie das nicht werden, stehen sie
der dauernden Regierungsgewalt als eine vorübergehende,
nur durch Zuthun der Regierung wirksame Staatsgewalt
gegenüber. Der König beruft, vertagt (die Kammer sich
selber nur auf Tage), entläßt, löst auf. Der Anfang der
Französischen Revolution war der Moment, da Mirabeau
den dritten Stand beisammen bleiben hieß gegen des Kö-
nigs Befehl und damit durchdrang. Permanente Stände-
versammlungen setzen sich stets an die Stelle der Regie-
rung; auch ständische Ausschüsse, welche selbst die Auflö-
sung
der Ständeversammlung überleben wollen, führen
zur Mitregierung. Man mag den Beleg für sie aus dem
Mittelalter geben, schwere Thaten der Vergangenheit an-

Rechte der Staͤnde-Verſammlung.
ſchluͤſſe der Staͤndeverſammlung den Bittſtellern mitzutheilen.
Werden die in einer Bittſchrift etwa vorgetragenen Be-
ſchwerden gegruͤndet befunden und gehoͤren ſie fuͤr den Wir-
kungskreis der Kammern (fuͤr welchen die richterliche Ge-
ſetzanwendung nicht gehoͤrt, ſondern allein diejenige Geſetz-
anwendung und ſonſtige Thaͤtigkeit, welche auf dem Wege
der Regierung geſchieht und misbraͤuchlich und rechtver-
letzend geſchehen kann), ſo macht die Staͤndeverſammlung die
hoͤchſte Stelle darauf aufmerkſam und bittet um Verbeſſerung.

179. An Vertraͤgen mit andern Maͤchten hat die
Staͤndeverſammlung inſofern Theil als Geldmittel zu deren
Erfuͤllung erforderlich ſind oder ſie in die Geſetzgebung des
Koͤnigreiches eingreifen. Sie wird darum auf unverzoͤgerte
Mittheilung der Tractaten dringen und geheimen Artikeln
abhold ſeyn.

180. Die Kammern ſollen mit-Geſetzgebend, Geſetz-
wahrend, aber eben darum nicht mitregierend, nicht mit-
verwaltend ſeyn. Damit ſie das nicht werden, ſtehen ſie
der dauernden Regierungsgewalt als eine voruͤbergehende,
nur durch Zuthun der Regierung wirkſame Staatsgewalt
gegenuͤber. Der Koͤnig beruft, vertagt (die Kammer ſich
ſelber nur auf Tage), entlaͤßt, loͤst auf. Der Anfang der
Franzoͤſiſchen Revolution war der Moment, da Mirabeau
den dritten Stand beiſammen bleiben hieß gegen des Koͤ-
nigs Befehl und damit durchdrang. Permanente Staͤnde-
verſammlungen ſetzen ſich ſtets an die Stelle der Regie-
rung; auch ſtaͤndiſche Ausſchuͤſſe, welche ſelbſt die Aufloͤ-
ſung
der Staͤndeverſammlung uͤberleben wollen, fuͤhren
zur Mitregierung. Man mag den Beleg fuͤr ſie aus dem
Mittelalter geben, ſchwere Thaten der Vergangenheit an-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0163" n="151"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Rechte der Sta&#x0364;nde-Ver&#x017F;ammlung</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Sta&#x0364;ndever&#x017F;ammlung den Bitt&#x017F;tellern mitzutheilen.<lb/>
Werden die in einer Bitt&#x017F;chrift etwa vorgetragenen Be-<lb/>
&#x017F;chwerden gegru&#x0364;ndet befunden und geho&#x0364;ren &#x017F;ie fu&#x0364;r den Wir-<lb/>
kungskreis der Kammern (fu&#x0364;r welchen die richterliche Ge-<lb/>
&#x017F;etzanwendung nicht geho&#x0364;rt, &#x017F;ondern allein diejenige Ge&#x017F;etz-<lb/>
anwendung und &#x017F;on&#x017F;tige Tha&#x0364;tigkeit, welche auf dem Wege<lb/>
der Regierung ge&#x017F;chieht und misbra&#x0364;uchlich und rechtver-<lb/>
letzend ge&#x017F;chehen kann), &#x017F;o macht die Sta&#x0364;ndever&#x017F;ammlung die<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te Stelle darauf aufmerk&#x017F;am und bittet um Verbe&#x017F;&#x017F;erung.</p><lb/>
              <p>179. An Vertra&#x0364;gen mit andern Ma&#x0364;chten hat die<lb/>
Sta&#x0364;ndever&#x017F;ammlung in&#x017F;ofern Theil als Geldmittel zu deren<lb/>
Erfu&#x0364;llung erforderlich &#x017F;ind oder &#x017F;ie in die Ge&#x017F;etzgebung des<lb/>
Ko&#x0364;nigreiches eingreifen. Sie wird darum auf unverzo&#x0364;gerte<lb/>
Mittheilung der Tractaten dringen und geheimen Artikeln<lb/>
abhold &#x017F;eyn.</p><lb/>
              <p>180. Die Kammern &#x017F;ollen mit-Ge&#x017F;etzgebend, Ge&#x017F;etz-<lb/>
wahrend, aber eben darum nicht mitregierend, nicht mit-<lb/>
verwaltend &#x017F;eyn. Damit &#x017F;ie das nicht werden, &#x017F;tehen &#x017F;ie<lb/>
der dauernden Regierungsgewalt als eine voru&#x0364;bergehende,<lb/>
nur durch Zuthun der Regierung wirk&#x017F;ame Staatsgewalt<lb/>
gegenu&#x0364;ber. Der Ko&#x0364;nig beruft, vertagt (die Kammer &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elber nur auf Tage), entla&#x0364;ßt, lo&#x0364;st auf. Der Anfang der<lb/>
Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Revolution war der Moment, da Mirabeau<lb/>
den dritten Stand bei&#x017F;ammen bleiben hieß gegen des Ko&#x0364;-<lb/>
nigs Befehl und damit durchdrang. Permanente Sta&#x0364;nde-<lb/>
ver&#x017F;ammlungen &#x017F;etzen &#x017F;ich &#x017F;tets an die Stelle der Regie-<lb/>
rung; auch &#x017F;ta&#x0364;ndi&#x017F;che Aus&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, welche &#x017F;elb&#x017F;t die <hi rendition="#g">Auflo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ung</hi> der Sta&#x0364;ndever&#x017F;ammlung u&#x0364;berleben wollen, fu&#x0364;hren<lb/>
zur Mitregierung. Man mag den Beleg fu&#x0364;r &#x017F;ie aus dem<lb/>
Mittelalter geben, &#x017F;chwere Thaten der Vergangenheit an-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0163] Rechte der Staͤnde-Verſammlung. ſchluͤſſe der Staͤndeverſammlung den Bittſtellern mitzutheilen. Werden die in einer Bittſchrift etwa vorgetragenen Be- ſchwerden gegruͤndet befunden und gehoͤren ſie fuͤr den Wir- kungskreis der Kammern (fuͤr welchen die richterliche Ge- ſetzanwendung nicht gehoͤrt, ſondern allein diejenige Geſetz- anwendung und ſonſtige Thaͤtigkeit, welche auf dem Wege der Regierung geſchieht und misbraͤuchlich und rechtver- letzend geſchehen kann), ſo macht die Staͤndeverſammlung die hoͤchſte Stelle darauf aufmerkſam und bittet um Verbeſſerung. 179. An Vertraͤgen mit andern Maͤchten hat die Staͤndeverſammlung inſofern Theil als Geldmittel zu deren Erfuͤllung erforderlich ſind oder ſie in die Geſetzgebung des Koͤnigreiches eingreifen. Sie wird darum auf unverzoͤgerte Mittheilung der Tractaten dringen und geheimen Artikeln abhold ſeyn. 180. Die Kammern ſollen mit-Geſetzgebend, Geſetz- wahrend, aber eben darum nicht mitregierend, nicht mit- verwaltend ſeyn. Damit ſie das nicht werden, ſtehen ſie der dauernden Regierungsgewalt als eine voruͤbergehende, nur durch Zuthun der Regierung wirkſame Staatsgewalt gegenuͤber. Der Koͤnig beruft, vertagt (die Kammer ſich ſelber nur auf Tage), entlaͤßt, loͤst auf. Der Anfang der Franzoͤſiſchen Revolution war der Moment, da Mirabeau den dritten Stand beiſammen bleiben hieß gegen des Koͤ- nigs Befehl und damit durchdrang. Permanente Staͤnde- verſammlungen ſetzen ſich ſtets an die Stelle der Regie- rung; auch ſtaͤndiſche Ausſchuͤſſe, welche ſelbſt die Aufloͤ- ſung der Staͤndeverſammlung uͤberleben wollen, fuͤhren zur Mitregierung. Man mag den Beleg fuͤr ſie aus dem Mittelalter geben, ſchwere Thaten der Vergangenheit an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/163
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/163>, abgerufen am 24.11.2024.