Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Fünftes Capitel. Ständen können Beschwerdeführungen über die Ministeran den Thron bringen. Durch das Alles knüpft sich an das Amt der höchsten Unterthanen-Macht Mühsal und mannigfacher Wechsel; Mistrauen im Volk, Misfallen des Königs, innere Uneinigkeit können ein Ministerium stürzen, ohne daß von einer peinlichen Anklage derselben durch Unterthanen und ihrer Verurtheilung die Rede ist. Sollen die Minister als solche angeklagt werden dürfen, so darf doch weder jeder aus dem Volk Ankläger seyn, noch jedes Gericht die Anklage annehmen. Dreierlei ist noth: ein Gerichtshof, eine Vorschrift über die Procedur, und die allgemeine Verzichtleistung des Königs auf Begnadi- gung, und wo Abolition stattfindet, auch auf Abolition für diesen Fall. 133. Die Amtsthätigkeit der Minister geht den gan- Fuͤnftes Capitel. Staͤnden koͤnnen Beſchwerdefuͤhrungen uͤber die Miniſteran den Thron bringen. Durch das Alles knuͤpft ſich an das Amt der hoͤchſten Unterthanen-Macht Muͤhſal und mannigfacher Wechſel; Mistrauen im Volk, Misfallen des Koͤnigs, innere Uneinigkeit koͤnnen ein Miniſterium ſtuͤrzen, ohne daß von einer peinlichen Anklage derſelben durch Unterthanen und ihrer Verurtheilung die Rede iſt. Sollen die Miniſter als ſolche angeklagt werden duͤrfen, ſo darf doch weder jeder aus dem Volk Anklaͤger ſeyn, noch jedes Gericht die Anklage annehmen. Dreierlei iſt noth: ein Gerichtshof, eine Vorſchrift uͤber die Procedur, und die allgemeine Verzichtleiſtung des Koͤnigs auf Begnadi- gung, und wo Abolition ſtattfindet, auch auf Abolition fuͤr dieſen Fall. 133. Die Amtsthaͤtigkeit der Miniſter geht den gan- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0112" n="100"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> Staͤnden koͤnnen Beſchwerdefuͤhrungen uͤber die Miniſter<lb/> an den Thron bringen. Durch das Alles knuͤpft ſich an<lb/> das Amt der hoͤchſten Unterthanen-Macht Muͤhſal und<lb/> mannigfacher Wechſel; Mistrauen im Volk, Misfallen des<lb/> Koͤnigs, innere Uneinigkeit koͤnnen ein Miniſterium ſtuͤrzen,<lb/> ohne daß von einer peinlichen Anklage derſelben durch<lb/> Unterthanen und ihrer Verurtheilung die Rede iſt. Sollen<lb/> die Miniſter als ſolche angeklagt werden duͤrfen, ſo darf<lb/> doch weder jeder aus dem Volk Anklaͤger ſeyn, noch<lb/> jedes Gericht die Anklage annehmen. Dreierlei iſt noth:<lb/> ein Gerichtshof, eine Vorſchrift uͤber die Procedur, und<lb/> die allgemeine Verzichtleiſtung des Koͤnigs auf Begnadi-<lb/> gung, und wo Abolition ſtattfindet, auch auf Abolition<lb/> fuͤr dieſen Fall.</p><lb/> <p>133. Die Amtsthaͤtigkeit der Miniſter geht den gan-<lb/> zen Staat an; waͤhrend untergeordnete Beamte nur ein-<lb/> zelne Theile ergreifen und verletzen koͤnnen, und in der<lb/> Hauptrichtung Diener eines fremden Willens ſind. Kein<lb/> Wunder daher, daß man die Miniſter als in hoͤherem<lb/> Grade juriſtiſch verantwortlich betrachtet; verantwortlich<lb/> nicht bloß fuͤr die Geſetzlichkeit, ſondern auch fuͤr die<lb/> Zweckmaͤßigkeit ihrer Handlungen. Dennoch hat es lange<lb/> gedauert, ehe man ſelbſt in England den rechten Weg zur<lb/> Ausfuͤhrung fand. Als Koͤnig Eduard <hi rendition="#aq">III.</hi> ſeine eigenen<lb/> Miniſter durch Anklage vor dem Schatzkammergericht ver-<lb/> derben wollte (1341.), brachte ihn der Widerſtand des<lb/> Parlaments zu dem Zugeſtaͤndniß, daß ein Paͤr, auch<lb/> wenn er Miniſter, nicht anders als im vollen Parlament<lb/> und von ſeinen Standesgenoſſen, gerichtet werden duͤrfe <hi rendition="#sup">1</hi>).<lb/> Das Haus der Gemeinen gewann mit der Zeit das Recht<lb/> der Miniſter-Anklage, das Haus der Paͤrs, als hoͤchſter<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0112]
Fuͤnftes Capitel.
Staͤnden koͤnnen Beſchwerdefuͤhrungen uͤber die Miniſter
an den Thron bringen. Durch das Alles knuͤpft ſich an
das Amt der hoͤchſten Unterthanen-Macht Muͤhſal und
mannigfacher Wechſel; Mistrauen im Volk, Misfallen des
Koͤnigs, innere Uneinigkeit koͤnnen ein Miniſterium ſtuͤrzen,
ohne daß von einer peinlichen Anklage derſelben durch
Unterthanen und ihrer Verurtheilung die Rede iſt. Sollen
die Miniſter als ſolche angeklagt werden duͤrfen, ſo darf
doch weder jeder aus dem Volk Anklaͤger ſeyn, noch
jedes Gericht die Anklage annehmen. Dreierlei iſt noth:
ein Gerichtshof, eine Vorſchrift uͤber die Procedur, und
die allgemeine Verzichtleiſtung des Koͤnigs auf Begnadi-
gung, und wo Abolition ſtattfindet, auch auf Abolition
fuͤr dieſen Fall.
133. Die Amtsthaͤtigkeit der Miniſter geht den gan-
zen Staat an; waͤhrend untergeordnete Beamte nur ein-
zelne Theile ergreifen und verletzen koͤnnen, und in der
Hauptrichtung Diener eines fremden Willens ſind. Kein
Wunder daher, daß man die Miniſter als in hoͤherem
Grade juriſtiſch verantwortlich betrachtet; verantwortlich
nicht bloß fuͤr die Geſetzlichkeit, ſondern auch fuͤr die
Zweckmaͤßigkeit ihrer Handlungen. Dennoch hat es lange
gedauert, ehe man ſelbſt in England den rechten Weg zur
Ausfuͤhrung fand. Als Koͤnig Eduard III. ſeine eigenen
Miniſter durch Anklage vor dem Schatzkammergericht ver-
derben wollte (1341.), brachte ihn der Widerſtand des
Parlaments zu dem Zugeſtaͤndniß, daß ein Paͤr, auch
wenn er Miniſter, nicht anders als im vollen Parlament
und von ſeinen Standesgenoſſen, gerichtet werden duͤrfe 1).
Das Haus der Gemeinen gewann mit der Zeit das Recht
der Miniſter-Anklage, das Haus der Paͤrs, als hoͤchſter
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