+Nov.21.Vier Wochen vor seinem Ableben ward ein Brief geschrie- ben, der den Unwerth dieses Mannes dem Könige offen vor die Augen legt. Der Briefsteller war Graf d'Angiviller, Jugendgespiele des Königs, ein Mann, der nicht Minister Ludwigs seyn wollte, aber es sich nicht nehmen ließ ihn mit allen Kräften seines Wesens zu lieben und dann und wann die Gelegenheit ergriff ihm eine Strafpredigt zu halten. Wir haben ihn in späteren Tagen als Ausgewanderten in Holstein unter dem bescheidenen Namen Trueman gesehen, in ehrenvoller Armuth bis an seinen Tod verschmähend, die Rückkehr in sein Vaterland durch eine Anerkennung Napo- leons zu erkaufen. Seine Antwort war stets: ein altes Kleid könne man ablegen, aber nicht einen alten Eid. Er nun schrieb an den König bei Gelegenheit der Geburt und Taufe des ersten kurz vor dem Ausbruche der Revolution geb.Oct.22. 1781.wieder verstorbenen Dauphins einen Brief, welcher nach des Grafen Tode in Ludens Nemesis gedruckt ist, warnt den König vor seiner jähen Hitze, eben so sehr vor seiner gefährlichen Vertraulichkeit mit Leuten die kein Vertrauen verdienen, mahnt ihn Er selber zu seyn, von seinem Mis- trauen in sich selbst abzustehen. "Aber ich werde Thor- heiten begehen, werden Sie mir sagen. Ja, Sire, viel- leicht, aber diese Thorheiten werden die Ihren seyn und jetzt begehen Sie die von Fremden. Wenn Sie die Ihren begehen, so kann das bei dem guten Verstande, welchen Ihnen Gott verliehen hat, nicht lange dauern, und Sie lernen davon, aber die von Fremden sind und bleiben nutz-
†Nov.21.Vier Wochen vor ſeinem Ableben ward ein Brief geſchrie- ben, der den Unwerth dieſes Mannes dem Könige offen vor die Augen legt. Der Briefſteller war Graf d’Angiviller, Jugendgeſpiele des Königs, ein Mann, der nicht Miniſter Ludwigs ſeyn wollte, aber es ſich nicht nehmen ließ ihn mit allen Kräften ſeines Weſens zu lieben und dann und wann die Gelegenheit ergriff ihm eine Strafpredigt zu halten. Wir haben ihn in ſpäteren Tagen als Ausgewanderten in Holſtein unter dem beſcheidenen Namen Trueman geſehen, in ehrenvoller Armuth bis an ſeinen Tod verſchmähend, die Rückkehr in ſein Vaterland durch eine Anerkennung Napo- leons zu erkaufen. Seine Antwort war ſtets: ein altes Kleid könne man ablegen, aber nicht einen alten Eid. Er nun ſchrieb an den König bei Gelegenheit der Geburt und Taufe des erſten kurz vor dem Ausbruche der Revolution geb.Oct.22. 1781.wieder verſtorbenen Dauphins einen Brief, welcher nach des Grafen Tode in Ludens Nemeſis gedruckt iſt, warnt den König vor ſeiner jähen Hitze, eben ſo ſehr vor ſeiner gefährlichen Vertraulichkeit mit Leuten die kein Vertrauen verdienen, mahnt ihn Er ſelber zu ſeyn, von ſeinem Mis- trauen in ſich ſelbſt abzuſtehen. „Aber ich werde Thor- heiten begehen, werden Sie mir ſagen. Ja, Sire, viel- leicht, aber dieſe Thorheiten werden die Ihren ſeyn und jetzt begehen Sie die von Fremden. Wenn Sie die Ihren begehen, ſo kann das bei dem guten Verſtande, welchen Ihnen Gott verliehen hat, nicht lange dauern, und Sie lernen davon, aber die von Fremden ſind und bleiben nutz-
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Vier Wochen vor ſeinem Ableben ward ein Brief geſchrie-
ben, der den Unwerth dieſes Mannes dem Könige offen
vor die Augen legt. Der Briefſteller war Graf d’Angiviller,
Jugendgeſpiele des Königs, ein Mann, der nicht Miniſter
Ludwigs ſeyn wollte, aber es ſich nicht nehmen ließ ihn mit
allen Kräften ſeines Weſens zu lieben und dann und wann
die Gelegenheit ergriff ihm eine Strafpredigt zu halten.
Wir haben ihn in ſpäteren Tagen als Ausgewanderten in
Holſtein unter dem beſcheidenen Namen Trueman geſehen,
in ehrenvoller Armuth bis an ſeinen Tod verſchmähend, die
Rückkehr in ſein Vaterland durch eine Anerkennung Napo-
leons zu erkaufen. Seine Antwort war ſtets: ein altes
Kleid könne man ablegen, aber nicht einen alten Eid. Er
nun ſchrieb an den König bei Gelegenheit der Geburt und
Taufe des erſten kurz vor dem Ausbruche der Revolution
wieder verſtorbenen Dauphins einen Brief, welcher nach
des Grafen Tode in Ludens Nemeſis gedruckt iſt, warnt
den König vor ſeiner jähen Hitze, eben ſo ſehr vor ſeiner
gefährlichen Vertraulichkeit mit Leuten die kein Vertrauen
verdienen, mahnt ihn Er ſelber zu ſeyn, von ſeinem Mis-
trauen in ſich ſelbſt abzuſtehen. „Aber ich werde Thor-
heiten begehen, werden Sie mir ſagen. Ja, Sire, viel-
leicht, aber dieſe Thorheiten werden die Ihren ſeyn und
jetzt begehen Sie die von Fremden. Wenn Sie die Ihren
begehen, ſo kann das bei dem guten Verſtande, welchen
Ihnen Gott verliehen hat, nicht lange dauern, und Sie
lernen davon, aber die von Fremden ſind und bleiben nutz-
†Nov.21.
geb.Oct.22.
1781.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/98>, abgerufen am 24.11.2024.
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