der Platz des Kriegsministers war gerade durch einen To- desfall erledigt, auf den Betrieb von Malesherbes trat St. Germain an die Stelle. Was dem alten Herrn be- sonders misfiel war das sogenannte königliche Haus im Heere; denn diese königlichen Haustruppen oder Garden bedeuteten in der Armee ungefähr das was die Parlamente in der bürgerlichen Ordnung, eine Art Staat im Staate, bei welchem an die gewöhnliche Disciplin gar nicht zu denken war. Das war nun zwar im geringeren Grade bei dem Fußvolk der Fall, welches aus sechs Bataillons fran- zösischer Garden und vier Bataillons Schweizergarden be- stand, im höchsten Grad aber bei der Reiterei, deren Kern acht Escadrons Gardes du Corps bildeten. Denn alle Gemeinen der berittenen Haustruppen waren Edelleute mit Lieutenants-Rang. An diese am meisten bevorrechte- ten Haustruppen schlossen sich dann wieder andere Truppen- abtheilungen an, als Grenadiere zu Pferde, Gensdarmen, Carabiniers, deren Officiere höheren Rang hatten als die übrigen des Heeres. Durch das ganze Heer ging aber ein tief greifender Misbrauch: die Officierstellen waren der großen Mehrzahl nach käuflich und wurden eben darum ohne Maß vervielfältigt; man konnte auf drei Gemeine einen Officier zählen, die Unterofficiere mitgerechnet. Man hatte 60,000 Officiere im Heere. Diese üble Weise stammte von den letzten unglücklichen Kriegsjahren Lud- wigs XIV. her, da jede Hülfsquelle benutzt ward, die der erschöpften Staatscasse aufhelfen konnte. Denn nun machte
der Platz des Kriegsminiſters war gerade durch einen To- desfall erledigt, auf den Betrieb von Malesherbes trat St. Germain an die Stelle. Was dem alten Herrn be- ſonders misfiel war das ſogenannte königliche Haus im Heere; denn dieſe königlichen Haustruppen oder Garden bedeuteten in der Armee ungefähr das was die Parlamente in der bürgerlichen Ordnung, eine Art Staat im Staate, bei welchem an die gewöhnliche Disciplin gar nicht zu denken war. Das war nun zwar im geringeren Grade bei dem Fußvolk der Fall, welches aus ſechs Bataillons fran- zöſiſcher Garden und vier Bataillons Schweizergarden be- ſtand, im höchſten Grad aber bei der Reiterei, deren Kern acht Escadrons Gardes du Corps bildeten. Denn alle Gemeinen der berittenen Haustruppen waren Edelleute mit Lieutenants-Rang. An dieſe am meiſten bevorrechte- ten Haustruppen ſchloſſen ſich dann wieder andere Truppen- abtheilungen an, als Grenadiere zu Pferde, Gensdarmen, Carabiniers, deren Officiere höheren Rang hatten als die übrigen des Heeres. Durch das ganze Heer ging aber ein tief greifender Misbrauch: die Officierſtellen waren der großen Mehrzahl nach käuflich und wurden eben darum ohne Maß vervielfältigt; man konnte auf drei Gemeine einen Officier zählen, die Unterofficiere mitgerechnet. Man hatte 60,000 Officiere im Heere. Dieſe üble Weiſe ſtammte von den letzten unglücklichen Kriegsjahren Lud- wigs XIV. her, da jede Hülfsquelle benutzt ward, die der erſchöpften Staatscaſſe aufhelfen konnte. Denn nun machte
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der Platz des Kriegsminiſters war gerade durch einen To-
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St. Germain an die Stelle. Was dem alten Herrn be-
ſonders misfiel war das ſogenannte königliche Haus im
Heere; denn dieſe königlichen Haustruppen oder Garden
bedeuteten in der Armee ungefähr das was die Parlamente
in der bürgerlichen Ordnung, eine Art Staat im Staate,
bei welchem an die gewöhnliche Disciplin gar nicht zu
denken war. Das war nun zwar im geringeren Grade bei
dem Fußvolk der Fall, welches aus ſechs Bataillons fran-
zöſiſcher Garden und vier Bataillons Schweizergarden be-
ſtand, im höchſten Grad aber bei der Reiterei, deren Kern
acht Escadrons Gardes du Corps bildeten. Denn alle
Gemeinen der berittenen Haustruppen waren Edelleute
mit Lieutenants-Rang. An dieſe am meiſten bevorrechte-
ten Haustruppen ſchloſſen ſich dann wieder andere Truppen-
abtheilungen an, als Grenadiere zu Pferde, Gensdarmen,
Carabiniers, deren Officiere höheren Rang hatten als die
übrigen des Heeres. Durch das ganze Heer ging aber ein
tief greifender Misbrauch: die Officierſtellen waren der
großen Mehrzahl nach käuflich und wurden eben darum
ohne Maß vervielfältigt; man konnte auf drei Gemeine
einen Officier zählen, die Unterofficiere mitgerechnet.
Man hatte 60,000 Officiere im Heere. Dieſe üble Weiſe
ſtammte von den letzten unglücklichen Kriegsjahren Lud-
wigs XIV. her, da jede Hülfsquelle benutzt ward, die der
erſchöpften Staatscaſſe aufhelfen konnte. Denn nun machte
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/70>, abgerufen am 27.11.2024.
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