Widerstand erfahren würden; er bereitete den König auf die Nothwendigkeit eines abermaligen lit de justice vor. Ludwig gab seine Einwilligung, und als das Parlament eine Gegenvorstellung nach der anderen machte, sogar eine Schrift verbrennen ließ, welche der Ablösung der Frohnen das Wort redete, erzwang der Spruch vom Throne die 1776. März 12.Einzeichnung der Edicte. Das war aber auch die letzte Kraftanstrengung des Königs; nur zwei Monate ver- gingen und Turgot war nicht mehr im Amte. Denn als nun die Königin, verdrießlich über diese langweilige Spar- samkeit, in den Chorus der schwelgerischen Hofleute ein- stimmte; als der Klerus, zwar noch unverletzt, aber klug voraussehend, welch ein Sturm seine 130 Millionen Livres jährlicher Einkünfte bedrohe, alle Minen springen ließ gegen den Mann, der an Gott glaubte und nicht in die Messe ging; als sogar in Leichenreden sich Verwünschungen gegen die Ökonomie und ihr System einmischten und man mit heller Stimme öffentlich fang:
Der König ist bereits belehrt Daß er selbst zu den Misbräuchen gehört;
als endlich alle Minister, außer den beiden Verbündeten, die Neuerungen mit kalten Blicken maßen, da war es kin- derleicht für den Grafen Maurepas die letzte Arbeit zu thun. Denn diesem schwoll längst die Brust vor Unwillen gegen den Verwegenen, der ihn behandelte als ob er gar nicht da wäre, der, wenn Alles aufs Beste ging, ihn entbehr- lich machen mußte. Und schwindelte nicht ohnedieß dem
Widerſtand erfahren würden; er bereitete den König auf die Nothwendigkeit eines abermaligen lit de justice vor. Ludwig gab ſeine Einwilligung, und als das Parlament eine Gegenvorſtellung nach der anderen machte, ſogar eine Schrift verbrennen ließ, welche der Ablöſung der Frohnen das Wort redete, erzwang der Spruch vom Throne die 1776. März 12.Einzeichnung der Edicte. Das war aber auch die letzte Kraftanſtrengung des Königs; nur zwei Monate ver- gingen und Turgot war nicht mehr im Amte. Denn als nun die Königin, verdrießlich über dieſe langweilige Spar- ſamkeit, in den Chorus der ſchwelgeriſchen Hofleute ein- ſtimmte; als der Klerus, zwar noch unverletzt, aber klug vorausſehend, welch ein Sturm ſeine 130 Millionen Livres jährlicher Einkünfte bedrohe, alle Minen ſpringen ließ gegen den Mann, der an Gott glaubte und nicht in die Meſſe ging; als ſogar in Leichenreden ſich Verwünſchungen gegen die Ökonomie und ihr Syſtem einmiſchten und man mit heller Stimme öffentlich fang:
Der König iſt bereits belehrt Daß er ſelbſt zu den Misbräuchen gehört;
als endlich alle Miniſter, außer den beiden Verbündeten, die Neuerungen mit kalten Blicken maßen, da war es kin- derleicht für den Grafen Maurepas die letzte Arbeit zu thun. Denn dieſem ſchwoll längſt die Bruſt vor Unwillen gegen den Verwegenen, der ihn behandelte als ob er gar nicht da wäre, der, wenn Alles aufs Beſte ging, ihn entbehr- lich machen mußte. Und ſchwindelte nicht ohnedieß dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0066"n="56"/>
Widerſtand erfahren würden; er bereitete den König auf<lb/>
die Nothwendigkeit eines abermaligen <hirendition="#aq">lit de justice</hi> vor.<lb/>
Ludwig gab ſeine Einwilligung, und als das Parlament<lb/>
eine Gegenvorſtellung nach der anderen machte, ſogar eine<lb/>
Schrift verbrennen ließ, welche der Ablöſung der Frohnen<lb/>
das Wort redete, erzwang der Spruch vom Throne die<lb/><noteplace="left">1776.<lb/>
März 12.</note>Einzeichnung der Edicte. Das war aber auch die letzte<lb/>
Kraftanſtrengung des Königs; nur zwei Monate ver-<lb/>
gingen und Turgot war nicht mehr im Amte. Denn als<lb/>
nun die Königin, verdrießlich über dieſe langweilige Spar-<lb/>ſamkeit, in den Chorus der ſchwelgeriſchen Hofleute ein-<lb/>ſtimmte; als der Klerus, zwar noch unverletzt, aber klug<lb/>
vorausſehend, welch ein Sturm ſeine 130 Millionen Livres<lb/>
jährlicher Einkünfte bedrohe, alle Minen ſpringen ließ<lb/>
gegen den Mann, der an Gott glaubte und nicht in die<lb/>
Meſſe ging; als ſogar in Leichenreden ſich Verwünſchungen<lb/>
gegen die Ökonomie und ihr Syſtem einmiſchten und man<lb/>
mit heller Stimme öffentlich fang:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Der König iſt bereits belehrt</l><lb/><l>Daß er ſelbſt zu den Misbräuchen gehört;</l></lg><lb/><p>als endlich alle Miniſter, außer den beiden Verbündeten,<lb/>
die Neuerungen mit kalten Blicken maßen, da war es kin-<lb/>
derleicht für den Grafen Maurepas die letzte Arbeit zu thun.<lb/>
Denn dieſem ſchwoll längſt die Bruſt vor Unwillen gegen<lb/>
den Verwegenen, der ihn behandelte als ob er gar nicht<lb/>
da wäre, der, wenn Alles aufs Beſte ging, ihn entbehr-<lb/>
lich machen mußte. Und ſchwindelte nicht ohnedieß dem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[56/0066]
Widerſtand erfahren würden; er bereitete den König auf
die Nothwendigkeit eines abermaligen lit de justice vor.
Ludwig gab ſeine Einwilligung, und als das Parlament
eine Gegenvorſtellung nach der anderen machte, ſogar eine
Schrift verbrennen ließ, welche der Ablöſung der Frohnen
das Wort redete, erzwang der Spruch vom Throne die
Einzeichnung der Edicte. Das war aber auch die letzte
Kraftanſtrengung des Königs; nur zwei Monate ver-
gingen und Turgot war nicht mehr im Amte. Denn als
nun die Königin, verdrießlich über dieſe langweilige Spar-
ſamkeit, in den Chorus der ſchwelgeriſchen Hofleute ein-
ſtimmte; als der Klerus, zwar noch unverletzt, aber klug
vorausſehend, welch ein Sturm ſeine 130 Millionen Livres
jährlicher Einkünfte bedrohe, alle Minen ſpringen ließ
gegen den Mann, der an Gott glaubte und nicht in die
Meſſe ging; als ſogar in Leichenreden ſich Verwünſchungen
gegen die Ökonomie und ihr Syſtem einmiſchten und man
mit heller Stimme öffentlich fang:
1776.
März 12.
Der König iſt bereits belehrt
Daß er ſelbſt zu den Misbräuchen gehört;
als endlich alle Miniſter, außer den beiden Verbündeten,
die Neuerungen mit kalten Blicken maßen, da war es kin-
derleicht für den Grafen Maurepas die letzte Arbeit zu thun.
Denn dieſem ſchwoll längſt die Bruſt vor Unwillen gegen
den Verwegenen, der ihn behandelte als ob er gar nicht
da wäre, der, wenn Alles aufs Beſte ging, ihn entbehr-
lich machen mußte. Und ſchwindelte nicht ohnedieß dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/66>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.