Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

waren, mußten da die Noth drängte wider die Natur der
Dinge die Minister die Treiber seyn; denn das Volk durfte
nicht und war allenfalls gedurft hätte, der gefiel sich in
den Misbräuchen; der König aber war bloß wohlwollend,
und der alte selbstsüchtige Mann, welchen er seinen wei-
sen Maurepas zu nennen pflegte, war ein seichter Witz-
ling ohne Gewissen und Grundsatz. Turgots starkes Ge-
müth ließ sich inzwischen durch keine ungünstige Vorbedeu-
tung irren. Ein Diener der Wahrheit ging er seinen steti-
gen Weg, ohne sich durch die Ungewißheit, wie lange
seine Macht dauern werde, zu Übereilungen hinreißen zu
lassen. Er untersuchte und beschränkte die Ausgabeetats
sämmtlicher Ministerien, mit Ausnahme der auswärtigen
Angelegenheiten, verminderte in Einverständniß mit Ma-
lesherbes die Ausgaben des königlichen Hofhalts, nach
einem Plane, der, ohne gleich zu scharf einzuschneiden,
allmählig beschränken und binnen neun Jahren in gänz-
liche Vollziehung treten sollte, kündigte hochverzinste
Staatsschulden auf und traf Anstalt an ihre Stelle wohl-
feilere Anleihen, zu vier vom Hundert, zu setzen, zu wel-
chen Holland dem zuverlässigen Verwalter Hoffnung gab.
Wenn nun für die Zukunft die Pensionsliste, wie sich be-
rechnen ließ, durch Todesfälle jährlich um eine halbe Mil-
lion entlastet ward, wenn die von der Krone selbst erhobe-
nen Steuern durch Verminderung der Hebungsbeamten
minder kostspielig eingingen, so vermehrten sich eben da-
durch die Einnahmen ohne einen Zuwachs des Druckes,

waren, mußten da die Noth drängte wider die Natur der
Dinge die Miniſter die Treiber ſeyn; denn das Volk durfte
nicht und war allenfalls gedurft hätte, der gefiel ſich in
den Misbräuchen; der König aber war bloß wohlwollend,
und der alte ſelbſtſüchtige Mann, welchen er ſeinen wei-
ſen Maurepas zu nennen pflegte, war ein ſeichter Witz-
ling ohne Gewiſſen und Grundſatz. Turgots ſtarkes Ge-
müth ließ ſich inzwiſchen durch keine ungünſtige Vorbedeu-
tung irren. Ein Diener der Wahrheit ging er ſeinen ſteti-
gen Weg, ohne ſich durch die Ungewißheit, wie lange
ſeine Macht dauern werde, zu Übereilungen hinreißen zu
laſſen. Er unterſuchte und beſchränkte die Ausgabeetats
ſämmtlicher Miniſterien, mit Ausnahme der auswärtigen
Angelegenheiten, verminderte in Einverſtändniß mit Ma-
lesherbes die Ausgaben des königlichen Hofhalts, nach
einem Plane, der, ohne gleich zu ſcharf einzuſchneiden,
allmählig beſchränken und binnen neun Jahren in gänz-
liche Vollziehung treten ſollte, kündigte hochverzinste
Staatsſchulden auf und traf Anſtalt an ihre Stelle wohl-
feilere Anleihen, zu vier vom Hundert, zu ſetzen, zu wel-
chen Holland dem zuverläſſigen Verwalter Hoffnung gab.
Wenn nun für die Zukunft die Penſionsliſte, wie ſich be-
rechnen ließ, durch Todesfälle jährlich um eine halbe Mil-
lion entlaſtet ward, wenn die von der Krone ſelbſt erhobe-
nen Steuern durch Verminderung der Hebungsbeamten
minder koſtſpielig eingingen, ſo vermehrten ſich eben da-
durch die Einnahmen ohne einen Zuwachs des Druckes,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="50"/>
waren, mußten da die Noth drängte wider die Natur der<lb/>
Dinge die Mini&#x017F;ter die Treiber &#x017F;eyn; denn das Volk durfte<lb/>
nicht und war allenfalls gedurft hätte, der gefiel &#x017F;ich in<lb/>
den Misbräuchen; der König aber war bloß wohlwollend,<lb/>
und der alte &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;üchtige Mann, welchen er &#x017F;einen wei-<lb/>
&#x017F;en Maurepas zu nennen pflegte, war ein &#x017F;eichter Witz-<lb/>
ling ohne Gewi&#x017F;&#x017F;en und Grund&#x017F;atz. Turgots &#x017F;tarkes Ge-<lb/>
müth ließ &#x017F;ich inzwi&#x017F;chen durch keine ungün&#x017F;tige Vorbedeu-<lb/>
tung irren. Ein Diener der Wahrheit ging er &#x017F;einen &#x017F;teti-<lb/>
gen Weg, ohne &#x017F;ich durch die Ungewißheit, wie lange<lb/>
&#x017F;eine Macht dauern werde, zu Übereilungen hinreißen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Er unter&#x017F;uchte und be&#x017F;chränkte die Ausgabeetats<lb/>
&#x017F;ämmtlicher Mini&#x017F;terien, mit Ausnahme der auswärtigen<lb/>
Angelegenheiten, verminderte in Einver&#x017F;tändniß mit Ma-<lb/>
lesherbes die Ausgaben des königlichen Hofhalts, nach<lb/>
einem Plane, der, ohne gleich zu &#x017F;charf einzu&#x017F;chneiden,<lb/>
allmählig be&#x017F;chränken und binnen neun Jahren in gänz-<lb/>
liche Vollziehung treten &#x017F;ollte, kündigte hochverzinste<lb/>
Staats&#x017F;chulden auf und traf An&#x017F;talt an ihre Stelle wohl-<lb/>
feilere Anleihen, zu vier vom Hundert, zu &#x017F;etzen, zu wel-<lb/>
chen Holland dem zuverlä&#x017F;&#x017F;igen Verwalter Hoffnung gab.<lb/>
Wenn nun für die Zukunft die Pen&#x017F;ionsli&#x017F;te, wie &#x017F;ich be-<lb/>
rechnen ließ, durch Todesfälle jährlich um eine halbe Mil-<lb/>
lion entla&#x017F;tet ward, wenn die von der Krone &#x017F;elb&#x017F;t erhobe-<lb/>
nen Steuern durch Verminderung der Hebungsbeamten<lb/>
minder ko&#x017F;t&#x017F;pielig eingingen, &#x017F;o vermehrten &#x017F;ich eben da-<lb/>
durch die Einnahmen ohne einen Zuwachs des Druckes,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0060] waren, mußten da die Noth drängte wider die Natur der Dinge die Miniſter die Treiber ſeyn; denn das Volk durfte nicht und war allenfalls gedurft hätte, der gefiel ſich in den Misbräuchen; der König aber war bloß wohlwollend, und der alte ſelbſtſüchtige Mann, welchen er ſeinen wei- ſen Maurepas zu nennen pflegte, war ein ſeichter Witz- ling ohne Gewiſſen und Grundſatz. Turgots ſtarkes Ge- müth ließ ſich inzwiſchen durch keine ungünſtige Vorbedeu- tung irren. Ein Diener der Wahrheit ging er ſeinen ſteti- gen Weg, ohne ſich durch die Ungewißheit, wie lange ſeine Macht dauern werde, zu Übereilungen hinreißen zu laſſen. Er unterſuchte und beſchränkte die Ausgabeetats ſämmtlicher Miniſterien, mit Ausnahme der auswärtigen Angelegenheiten, verminderte in Einverſtändniß mit Ma- lesherbes die Ausgaben des königlichen Hofhalts, nach einem Plane, der, ohne gleich zu ſcharf einzuſchneiden, allmählig beſchränken und binnen neun Jahren in gänz- liche Vollziehung treten ſollte, kündigte hochverzinste Staatsſchulden auf und traf Anſtalt an ihre Stelle wohl- feilere Anleihen, zu vier vom Hundert, zu ſetzen, zu wel- chen Holland dem zuverläſſigen Verwalter Hoffnung gab. Wenn nun für die Zukunft die Penſionsliſte, wie ſich be- rechnen ließ, durch Todesfälle jährlich um eine halbe Mil- lion entlaſtet ward, wenn die von der Krone ſelbſt erhobe- nen Steuern durch Verminderung der Hebungsbeamten minder koſtſpielig eingingen, ſo vermehrten ſich eben da- durch die Einnahmen ohne einen Zuwachs des Druckes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/60
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/60>, abgerufen am 27.11.2024.