Außen und Innen handelt, da gewiß. Allein in vielen Fällen wird das königliche Ansehn nur zum Vorwand ge- nommen, unter welchem die Herrschaft des Ministers das kleinste Detail sich vorbehält, um überall Freunde fördern, Feinde verfolgen, sich an der eigenen Machtvollkommen- heit weiden zu können. Darum seine Neigung für die Heimlichkeit der Verwaltung, ganz im Widerspruch mit dem königlichen Interesse. Denn des Königs Interesse ist hell zu sehen über seine Minister, das der Minister aber nicht selten das Licht zu meiden. Das Volk hat stets das- selbe Interesse mit seinem Könige, allein die Großen und Alles was Zutritt zum Könige hat, theilt das Interesse seiner Minister, woraus folgt daß dieser Bund fast im- mer den Sieg über das vereinigte Interesse des Königs und des Volks davonträgt. Es kommt also darauf an daß König und Nation sich einander nähern, daß sie diese doppelten Schranken durchbrechen lernen. Wie aber könnte das geschehen? Das einfachste und der Verfassung dieser Monarchie gemäßeste Mittel wäre die versammelte Nation selbst zu hören oder mindestens Versammlungen in jeder Provinz zu gestatten. "Es darf Ihnen nicht verhehlt wer- den, Sire, daß der einmüthige Wunsch der Nation auf Ge- neralstaaten oder mindestens Provinzialstände gerichtet ist." Und doch hat sich seit länger als einem Jahrhundert die Eifersucht der Minister und vielleicht auch die der Hofleute den Nationalversammlungen (assemblees nationales) wi- dersetzt, "und wenn Frankreich so glücklich seyn sollte daß
Außen und Innen handelt, da gewiß. Allein in vielen Fällen wird das königliche Anſehn nur zum Vorwand ge- nommen, unter welchem die Herrſchaft des Miniſters das kleinſte Detail ſich vorbehält, um überall Freunde fördern, Feinde verfolgen, ſich an der eigenen Machtvollkommen- heit weiden zu können. Darum ſeine Neigung für die Heimlichkeit der Verwaltung, ganz im Widerſpruch mit dem königlichen Intereſſe. Denn des Königs Intereſſe iſt hell zu ſehen über ſeine Miniſter, das der Miniſter aber nicht ſelten das Licht zu meiden. Das Volk hat ſtets das- ſelbe Intereſſe mit ſeinem Könige, allein die Großen und Alles was Zutritt zum Könige hat, theilt das Intereſſe ſeiner Miniſter, woraus folgt daß dieſer Bund faſt im- mer den Sieg über das vereinigte Intereſſe des Königs und des Volks davonträgt. Es kommt alſo darauf an daß König und Nation ſich einander nähern, daß ſie dieſe doppelten Schranken durchbrechen lernen. Wie aber könnte das geſchehen? Das einfachſte und der Verfaſſung dieſer Monarchie gemäßeſte Mittel wäre die verſammelte Nation ſelbſt zu hören oder mindeſtens Verſammlungen in jeder Provinz zu geſtatten. „Es darf Ihnen nicht verhehlt wer- den, Sire, daß der einmüthige Wunſch der Nation auf Ge- neralſtaaten oder mindeſtens Provinzialſtände gerichtet iſt.“ Und doch hat ſich ſeit länger als einem Jahrhundert die Eiferſucht der Miniſter und vielleicht auch die der Hofleute den Nationalverſammlungen (assemblées nationales) wi- derſetzt, „und wenn Frankreich ſo glücklich ſeyn ſollte daß
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Außen und Innen handelt, da gewiß. Allein in vielen
Fällen wird das königliche Anſehn nur zum Vorwand ge-
nommen, unter welchem die Herrſchaft des Miniſters das
kleinſte Detail ſich vorbehält, um überall Freunde fördern,
Feinde verfolgen, ſich an der eigenen Machtvollkommen-
heit weiden zu können. Darum ſeine Neigung für die
Heimlichkeit der Verwaltung, ganz im Widerſpruch mit
dem königlichen Intereſſe. Denn des Königs Intereſſe iſt
hell zu ſehen über ſeine Miniſter, das der Miniſter aber
nicht ſelten das Licht zu meiden. Das Volk hat ſtets das-
ſelbe Intereſſe mit ſeinem Könige, allein die Großen und
Alles was Zutritt zum Könige hat, theilt das Intereſſe
ſeiner Miniſter, woraus folgt daß dieſer Bund faſt im-
mer den Sieg über das vereinigte Intereſſe des Königs
und des Volks davonträgt. Es kommt alſo darauf an
daß König und Nation ſich einander nähern, daß ſie dieſe
doppelten Schranken durchbrechen lernen. Wie aber könnte
das geſchehen? Das einfachſte und der Verfaſſung dieſer
Monarchie gemäßeſte Mittel wäre die verſammelte Nation
ſelbſt zu hören oder mindeſtens Verſammlungen in jeder
Provinz zu geſtatten. „Es darf Ihnen nicht verhehlt wer-
den, Sire, daß der einmüthige Wunſch der Nation auf Ge-
neralſtaaten oder mindeſtens Provinzialſtände gerichtet iſt.“
Und doch hat ſich ſeit länger als einem Jahrhundert die
Eiferſucht der Miniſter und vielleicht auch die der Hofleute
den Nationalverſammlungen (assemblées nationales) wi-
derſetzt, „und wenn Frankreich ſo glücklich ſeyn ſollte daß
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/55>, abgerufen am 28.11.2024.
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