Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

handelt. Nach der Vernichtung der wahren Volksvertreter
haben die Könige allerdings erklärt, die Gerichtshöfe wür-
den die Vertreter des Volks seyn, allein jeder Gerichtshof
ist auf sein Gebiet beschränkt und auf die Gerichtspflege.
Dergestalt können alle möglichen Misbräuche in der Ver-
waltung begangen werden ohne daß der König etwas da-
von erfährt, weder durch die Volksvertreter, denn in den
meisten Provinzen giebt es keine, noch durch die Gerichts-
höfe, denn in Bezug auf alle Gegenstände der Verwaltung er-
klärt man sie für incompetent, noch durch Einzelne, denn sie
sind durch Beispiele der Strenge belehrt, daß es ein Verbre-
chen ist sich an die Gerechtigkeit seines Souveräns zu wenden.
So schwer lastet überall das Geheimniß der Verwaltung.
Einen Beleg dazu geben die Wegefrohnen, die kein Gesetz
des Königreiches genehmigt, und keine Last, über welche
das Volk mehr seufzt als diese. Eben so der Zwanzigste,
welcher seit 40 Jahren besteht, und kein Pflichtiger darf
die Heberollen einsehn. Das ward dem verstorbenen Kö-
nige 1756 vorgestellt und die Minister mußten es einge-
stehen, worauf der König die Niederlegung der Heberollen
zur öffentlichen Einsicht befahl; allein gleich die folgenden
Minister wußten einen Widerruf dieses Befehles zu be-
wirken. So liegt es fortwährend in der Hand der Be-
amten einen Pflichtigen, welchem sie wohlwollen, zu be-
günstigen, was natürlich auf Kosten Anderer geschieht,
deren Beitrag vermehrt wird, um den Ausfall zu decken,
und den Verletzten bleibt alle Möglichkeit der Beschwerde-

handelt. Nach der Vernichtung der wahren Volksvertreter
haben die Könige allerdings erklärt, die Gerichtshöfe wür-
den die Vertreter des Volks ſeyn, allein jeder Gerichtshof
iſt auf ſein Gebiet beſchränkt und auf die Gerichtspflege.
Dergeſtalt können alle möglichen Misbräuche in der Ver-
waltung begangen werden ohne daß der König etwas da-
von erfährt, weder durch die Volksvertreter, denn in den
meiſten Provinzen giebt es keine, noch durch die Gerichts-
höfe, denn in Bezug auf alle Gegenſtände der Verwaltung er-
klärt man ſie für incompetent, noch durch Einzelne, denn ſie
ſind durch Beiſpiele der Strenge belehrt, daß es ein Verbre-
chen iſt ſich an die Gerechtigkeit ſeines Souveräns zu wenden.
So ſchwer laſtet überall das Geheimniß der Verwaltung.
Einen Beleg dazu geben die Wegefrohnen, die kein Geſetz
des Königreiches genehmigt, und keine Laſt, über welche
das Volk mehr ſeufzt als dieſe. Eben ſo der Zwanzigſte,
welcher ſeit 40 Jahren beſteht, und kein Pflichtiger darf
die Heberollen einſehn. Das ward dem verſtorbenen Kö-
nige 1756 vorgeſtellt und die Miniſter mußten es einge-
ſtehen, worauf der König die Niederlegung der Heberollen
zur öffentlichen Einſicht befahl; allein gleich die folgenden
Miniſter wußten einen Widerruf dieſes Befehles zu be-
wirken. So liegt es fortwährend in der Hand der Be-
amten einen Pflichtigen, welchem ſie wohlwollen, zu be-
günſtigen, was natürlich auf Koſten Anderer geſchieht,
deren Beitrag vermehrt wird, um den Ausfall zu decken,
und den Verletzten bleibt alle Möglichkeit der Beſchwerde-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="41"/>
handelt. Nach der Vernichtung der wahren Volksvertreter<lb/>
haben die Könige allerdings erklärt, die Gerichtshöfe wür-<lb/>
den die Vertreter des Volks &#x017F;eyn, allein jeder Gerichtshof<lb/>
i&#x017F;t auf &#x017F;ein Gebiet be&#x017F;chränkt und auf die Gerichtspflege.<lb/>
Derge&#x017F;talt können alle möglichen Misbräuche in der Ver-<lb/>
waltung begangen werden ohne daß der König etwas da-<lb/>
von erfährt, weder durch die Volksvertreter, denn in den<lb/>
mei&#x017F;ten Provinzen giebt es keine, noch durch die Gerichts-<lb/>
höfe, denn in Bezug auf alle Gegen&#x017F;tände der Verwaltung er-<lb/>
klärt man &#x017F;ie für incompetent, noch durch Einzelne, denn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind durch Bei&#x017F;piele der Strenge belehrt, daß es ein Verbre-<lb/>
chen i&#x017F;t &#x017F;ich an die Gerechtigkeit &#x017F;eines Souveräns zu wenden.<lb/>
So &#x017F;chwer la&#x017F;tet überall das Geheimniß der Verwaltung.<lb/>
Einen Beleg dazu geben die Wegefrohnen, die kein Ge&#x017F;etz<lb/>
des Königreiches genehmigt, und keine La&#x017F;t, über welche<lb/>
das Volk mehr &#x017F;eufzt als die&#x017F;e. Eben &#x017F;o der Zwanzig&#x017F;te,<lb/>
welcher &#x017F;eit 40 Jahren be&#x017F;teht, und kein Pflichtiger darf<lb/>
die Heberollen ein&#x017F;ehn. Das ward dem ver&#x017F;torbenen Kö-<lb/>
nige 1756 vorge&#x017F;tellt und die Mini&#x017F;ter mußten es einge-<lb/>
&#x017F;tehen, worauf der König die Niederlegung der Heberollen<lb/>
zur öffentlichen Ein&#x017F;icht befahl; allein gleich die folgenden<lb/>
Mini&#x017F;ter wußten einen Widerruf die&#x017F;es Befehles zu be-<lb/>
wirken. So liegt es fortwährend in der Hand der Be-<lb/>
amten einen Pflichtigen, welchem &#x017F;ie wohlwollen, zu be-<lb/>
gün&#x017F;tigen, was natürlich auf Ko&#x017F;ten Anderer ge&#x017F;chieht,<lb/>
deren Beitrag vermehrt wird, um den Ausfall zu decken,<lb/>
und den Verletzten bleibt alle Möglichkeit der Be&#x017F;chwerde-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0051] handelt. Nach der Vernichtung der wahren Volksvertreter haben die Könige allerdings erklärt, die Gerichtshöfe wür- den die Vertreter des Volks ſeyn, allein jeder Gerichtshof iſt auf ſein Gebiet beſchränkt und auf die Gerichtspflege. Dergeſtalt können alle möglichen Misbräuche in der Ver- waltung begangen werden ohne daß der König etwas da- von erfährt, weder durch die Volksvertreter, denn in den meiſten Provinzen giebt es keine, noch durch die Gerichts- höfe, denn in Bezug auf alle Gegenſtände der Verwaltung er- klärt man ſie für incompetent, noch durch Einzelne, denn ſie ſind durch Beiſpiele der Strenge belehrt, daß es ein Verbre- chen iſt ſich an die Gerechtigkeit ſeines Souveräns zu wenden. So ſchwer laſtet überall das Geheimniß der Verwaltung. Einen Beleg dazu geben die Wegefrohnen, die kein Geſetz des Königreiches genehmigt, und keine Laſt, über welche das Volk mehr ſeufzt als dieſe. Eben ſo der Zwanzigſte, welcher ſeit 40 Jahren beſteht, und kein Pflichtiger darf die Heberollen einſehn. Das ward dem verſtorbenen Kö- nige 1756 vorgeſtellt und die Miniſter mußten es einge- ſtehen, worauf der König die Niederlegung der Heberollen zur öffentlichen Einſicht befahl; allein gleich die folgenden Miniſter wußten einen Widerruf dieſes Befehles zu be- wirken. So liegt es fortwährend in der Hand der Be- amten einen Pflichtigen, welchem ſie wohlwollen, zu be- günſtigen, was natürlich auf Koſten Anderer geſchieht, deren Beitrag vermehrt wird, um den Ausfall zu decken, und den Verletzten bleibt alle Möglichkeit der Beſchwerde-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/51
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/51>, abgerufen am 28.11.2024.