Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

ein, welche der Anfang der französischen Revolution über
den schwindsüchtig alternden Welttheil ausströmte, und die
Schwingen seiner warmen, naturgewaltigen Rede entfal-
teten sich prächtig in diesem Element. Wie innig hätte er
gewünscht an der Seite seines älteren Freundes, dessen
Genie Chatham zuerst erkannte als er die Rechte der Nord-
amerikaner vertrat, nun an der Verjüngung des eigenen
Vaterlandes arbeiten zu können! Denn er ahnte in dem
was in Frankreich geschah ein zum Durchbruche ringendes
allgemeingültiges Bildungsgesetz. Allein je mehr sich Fox
für die Menschenrechte erwärmte, um so kälter fand er
seinen Freund, der sittlich verletzt durch so viele Gräuel
der Unordnung, staatsmännisch überzeugt von der Unhalt-
barkeit dieser Schöpfungen, jede Nachahmung dieses Trei-
bens ablehnte. Das Ende einer Freundschaft, die fast ein
Vierteljahrhundert bestanden hatte, kündigte sich 1790 zu-
erst durch einen Bruch zwischen Burke und Sheridan an,
die sich einander im Grunde nie leiden konnten. Aber seit
dem Februar 1791 trafen die Männer, die sich liebten,
ernstlicher auf einander, und die Frage, ob die neue Ver-
fassung für Canada aristokratische Bestandtheile und von
welcher Beschaffenheit erhalten solle, führte die Krise her-
bei. Noch besuchten sie sich gegen Ende April, man sah
sie zu Zeiten in ernstem Gespräch mit einander gehen und
zugleich in das Unterhaus treten. Aber am 6ten Mai ent-
faltete Burke die Nothwendigkeit, das Recht sowohl als
die Pflicht des Parlaments, jenem Lande eine Verfassung

ein, welche der Anfang der franzöſiſchen Revolution über
den ſchwindſüchtig alternden Welttheil ausſtrömte, und die
Schwingen ſeiner warmen, naturgewaltigen Rede entfal-
teten ſich prächtig in dieſem Element. Wie innig hätte er
gewünſcht an der Seite ſeines älteren Freundes, deſſen
Genie Chatham zuerſt erkannte als er die Rechte der Nord-
amerikaner vertrat, nun an der Verjüngung des eigenen
Vaterlandes arbeiten zu können! Denn er ahnte in dem
was in Frankreich geſchah ein zum Durchbruche ringendes
allgemeingültiges Bildungsgeſetz. Allein je mehr ſich Fox
für die Menſchenrechte erwärmte, um ſo kälter fand er
ſeinen Freund, der ſittlich verletzt durch ſo viele Gräuel
der Unordnung, ſtaatsmänniſch überzeugt von der Unhalt-
barkeit dieſer Schöpfungen, jede Nachahmung dieſes Trei-
bens ablehnte. Das Ende einer Freundſchaft, die faſt ein
Vierteljahrhundert beſtanden hatte, kündigte ſich 1790 zu-
erſt durch einen Bruch zwiſchen Burke und Sheridan an,
die ſich einander im Grunde nie leiden konnten. Aber ſeit
dem Februar 1791 trafen die Männer, die ſich liebten,
ernſtlicher auf einander, und die Frage, ob die neue Ver-
faſſung für Canada ariſtokratiſche Beſtandtheile und von
welcher Beſchaffenheit erhalten ſolle, führte die Kriſe her-
bei. Noch beſuchten ſie ſich gegen Ende April, man ſah
ſie zu Zeiten in ernſtem Geſpräch mit einander gehen und
zugleich in das Unterhaus treten. Aber am 6ten Mai ent-
faltete Burke die Nothwendigkeit, das Recht ſowohl als
die Pflicht des Parlaments, jenem Lande eine Verfaſſung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0437" n="427"/>
ein, welche der Anfang der franzö&#x017F;i&#x017F;chen Revolution über<lb/>
den &#x017F;chwind&#x017F;üchtig alternden Welttheil aus&#x017F;trömte, und die<lb/>
Schwingen &#x017F;einer warmen, naturgewaltigen Rede entfal-<lb/>
teten &#x017F;ich prächtig in die&#x017F;em Element. Wie innig hätte er<lb/>
gewün&#x017F;cht an der Seite &#x017F;eines älteren Freundes, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Genie Chatham zuer&#x017F;t erkannte als er die Rechte der Nord-<lb/>
amerikaner vertrat, nun an der Verjüngung des eigenen<lb/>
Vaterlandes arbeiten zu können! Denn er ahnte in dem<lb/>
was in Frankreich ge&#x017F;chah ein zum Durchbruche ringendes<lb/>
allgemeingültiges Bildungsge&#x017F;etz. Allein je mehr &#x017F;ich Fox<lb/>
für die Men&#x017F;chenrechte erwärmte, um &#x017F;o kälter fand er<lb/>
&#x017F;einen Freund, der &#x017F;ittlich verletzt durch &#x017F;o viele Gräuel<lb/>
der Unordnung, &#x017F;taatsmänni&#x017F;ch überzeugt von der Unhalt-<lb/>
barkeit die&#x017F;er Schöpfungen, jede Nachahmung die&#x017F;es Trei-<lb/>
bens ablehnte. Das Ende einer Freund&#x017F;chaft, die fa&#x017F;t ein<lb/>
Vierteljahrhundert be&#x017F;tanden hatte, kündigte &#x017F;ich 1790 zu-<lb/>
er&#x017F;t durch einen Bruch zwi&#x017F;chen Burke und Sheridan an,<lb/>
die &#x017F;ich einander im Grunde nie leiden konnten. Aber &#x017F;eit<lb/>
dem Februar 1791 trafen die Männer, die &#x017F;ich liebten,<lb/>
ern&#x017F;tlicher auf einander, und die Frage, ob die neue Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung für Canada ari&#x017F;tokrati&#x017F;che Be&#x017F;tandtheile und von<lb/>
welcher Be&#x017F;chaffenheit erhalten &#x017F;olle, führte die Kri&#x017F;e her-<lb/>
bei. Noch be&#x017F;uchten &#x017F;ie &#x017F;ich gegen Ende April, man &#x017F;ah<lb/>
&#x017F;ie zu Zeiten in ern&#x017F;tem Ge&#x017F;präch mit einander gehen und<lb/>
zugleich in das Unterhaus treten. Aber am 6ten Mai ent-<lb/>
faltete Burke die Nothwendigkeit, das Recht &#x017F;owohl als<lb/>
die Pflicht des Parlaments, jenem Lande eine Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[427/0437] ein, welche der Anfang der franzöſiſchen Revolution über den ſchwindſüchtig alternden Welttheil ausſtrömte, und die Schwingen ſeiner warmen, naturgewaltigen Rede entfal- teten ſich prächtig in dieſem Element. Wie innig hätte er gewünſcht an der Seite ſeines älteren Freundes, deſſen Genie Chatham zuerſt erkannte als er die Rechte der Nord- amerikaner vertrat, nun an der Verjüngung des eigenen Vaterlandes arbeiten zu können! Denn er ahnte in dem was in Frankreich geſchah ein zum Durchbruche ringendes allgemeingültiges Bildungsgeſetz. Allein je mehr ſich Fox für die Menſchenrechte erwärmte, um ſo kälter fand er ſeinen Freund, der ſittlich verletzt durch ſo viele Gräuel der Unordnung, ſtaatsmänniſch überzeugt von der Unhalt- barkeit dieſer Schöpfungen, jede Nachahmung dieſes Trei- bens ablehnte. Das Ende einer Freundſchaft, die faſt ein Vierteljahrhundert beſtanden hatte, kündigte ſich 1790 zu- erſt durch einen Bruch zwiſchen Burke und Sheridan an, die ſich einander im Grunde nie leiden konnten. Aber ſeit dem Februar 1791 trafen die Männer, die ſich liebten, ernſtlicher auf einander, und die Frage, ob die neue Ver- faſſung für Canada ariſtokratiſche Beſtandtheile und von welcher Beſchaffenheit erhalten ſolle, führte die Kriſe her- bei. Noch beſuchten ſie ſich gegen Ende April, man ſah ſie zu Zeiten in ernſtem Geſpräch mit einander gehen und zugleich in das Unterhaus treten. Aber am 6ten Mai ent- faltete Burke die Nothwendigkeit, das Recht ſowohl als die Pflicht des Parlaments, jenem Lande eine Verfaſſung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/437
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/437>, abgerufen am 23.12.2024.