Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

gehalten wird, liegt zwischen Ordnung und Freiheit mit-
ten inne. Ohne Ordnung keine Sicherheit, ohne Sicher-
heit keine Freiheit, und Eure Ordnung sie liegt am Tode."

Es war nicht schwer Friedrich dem Zweiten zu folgen.
Niemand in der Welt ist verpflichtet ein großer Mann zu
seyn, und eine gewisse Freudenlosigkeit, welche in den
letzten Jahrzehnten an diesem vereinsamten Throne haftete,
erleichterte den Wechsel ungemein. Ein Volk sieht gern
einem frischen Prinzengeschlechte ins Auge, und seit der
Alte Polen theilen half und sich zu vieler Unterwürfigkeit
gegen Rußland bequemte, war es Einsichtigen klar daß
der auf dem Einzigen ruhende Staat für dasmal nicht
weiter zum Ziele schreiten werde. Friedrich hinterließ ein-
geschulte Arbeiter, keinen Mann von Charakter. Wenn
sein Nachfolger einige schreiende Härten der Verwaltung
entfernte, womit sogleich ein kleiner Anfang gemacht ward;
wenn er zugleich seine religiösen Neigungen mild walten
ließ, manche im Übermuth der Größe zerrissenen Fäden
menschlich wieder anknüpfte, so war ihm die Liebe des
Volks gewiß; wichtige Bedürfnisse des Zeitalters lagen
am Tage, man konnte zu ihrer Befriedigung weite Wege
gehen, fremde Erfahrungen benutzend, ohne daß von ei-
ner Veränderung in der Staatsverfassung für jetzt die
Rede zu seyn brauchte; für jetzt, wiederhole ich. Denn
arglistiger ist kein Satz erfunden und einfältiger nachge-
sprochen als die Behauptung, es könne der Segen einer
freien Verwaltung auch ohne eine gewisse Summe politi-

gehalten wird, liegt zwiſchen Ordnung und Freiheit mit-
ten inne. Ohne Ordnung keine Sicherheit, ohne Sicher-
heit keine Freiheit, und Eure Ordnung ſie liegt am Tode.“

Es war nicht ſchwer Friedrich dem Zweiten zu folgen.
Niemand in der Welt iſt verpflichtet ein großer Mann zu
ſeyn, und eine gewiſſe Freudenloſigkeit, welche in den
letzten Jahrzehnten an dieſem vereinſamten Throne haftete,
erleichterte den Wechſel ungemein. Ein Volk ſieht gern
einem friſchen Prinzengeſchlechte ins Auge, und ſeit der
Alte Polen theilen half und ſich zu vieler Unterwürfigkeit
gegen Rußland bequemte, war es Einſichtigen klar daß
der auf dem Einzigen ruhende Staat für dasmal nicht
weiter zum Ziele ſchreiten werde. Friedrich hinterließ ein-
geſchulte Arbeiter, keinen Mann von Charakter. Wenn
ſein Nachfolger einige ſchreiende Härten der Verwaltung
entfernte, womit ſogleich ein kleiner Anfang gemacht ward;
wenn er zugleich ſeine religiöſen Neigungen mild walten
ließ, manche im Übermuth der Größe zerriſſenen Fäden
menſchlich wieder anknüpfte, ſo war ihm die Liebe des
Volks gewiß; wichtige Bedürfniſſe des Zeitalters lagen
am Tage, man konnte zu ihrer Befriedigung weite Wege
gehen, fremde Erfahrungen benutzend, ohne daß von ei-
ner Veränderung in der Staatsverfaſſung für jetzt die
Rede zu ſeyn brauchte; für jetzt, wiederhole ich. Denn
argliſtiger iſt kein Satz erfunden und einfältiger nachge-
ſprochen als die Behauptung, es könne der Segen einer
freien Verwaltung auch ohne eine gewiſſe Summe politi-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0432" n="422"/>
gehalten wird, liegt zwi&#x017F;chen Ordnung und Freiheit mit-<lb/>
ten inne. Ohne Ordnung keine Sicherheit, ohne Sicher-<lb/>
heit keine Freiheit, und Eure Ordnung &#x017F;ie liegt am Tode.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Es war nicht &#x017F;chwer Friedrich dem Zweiten zu folgen.<lb/>
Niemand in der Welt i&#x017F;t verpflichtet ein großer Mann zu<lb/>
&#x017F;eyn, und eine gewi&#x017F;&#x017F;e Freudenlo&#x017F;igkeit, welche in den<lb/>
letzten Jahrzehnten an die&#x017F;em verein&#x017F;amten Throne haftete,<lb/>
erleichterte den Wech&#x017F;el ungemein. Ein Volk &#x017F;ieht gern<lb/>
einem fri&#x017F;chen Prinzenge&#x017F;chlechte ins Auge, und &#x017F;eit der<lb/>
Alte Polen theilen half und &#x017F;ich zu vieler Unterwürfigkeit<lb/>
gegen Rußland bequemte, war es Ein&#x017F;ichtigen klar daß<lb/>
der auf dem Einzigen ruhende Staat für dasmal nicht<lb/>
weiter zum Ziele &#x017F;chreiten werde. Friedrich hinterließ ein-<lb/>
ge&#x017F;chulte Arbeiter, keinen Mann von Charakter. Wenn<lb/>
&#x017F;ein Nachfolger einige &#x017F;chreiende Härten der Verwaltung<lb/>
entfernte, womit &#x017F;ogleich ein kleiner Anfang gemacht ward;<lb/>
wenn er zugleich &#x017F;eine religiö&#x017F;en Neigungen mild walten<lb/>
ließ, manche im Übermuth der Größe zerri&#x017F;&#x017F;enen Fäden<lb/>
men&#x017F;chlich wieder anknüpfte, &#x017F;o war ihm die Liebe des<lb/>
Volks gewiß; wichtige Bedürfni&#x017F;&#x017F;e des Zeitalters lagen<lb/>
am Tage, man konnte zu ihrer Befriedigung weite Wege<lb/>
gehen, fremde Erfahrungen benutzend, ohne daß von ei-<lb/>
ner Veränderung in der Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ung für jetzt die<lb/>
Rede zu &#x017F;eyn brauchte; für jetzt, wiederhole ich. Denn<lb/>
argli&#x017F;tiger i&#x017F;t kein Satz erfunden und einfältiger nachge-<lb/>
&#x017F;prochen als die Behauptung, es könne der Segen einer<lb/>
freien Verwaltung auch ohne eine gewi&#x017F;&#x017F;e Summe politi-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0432] gehalten wird, liegt zwiſchen Ordnung und Freiheit mit- ten inne. Ohne Ordnung keine Sicherheit, ohne Sicher- heit keine Freiheit, und Eure Ordnung ſie liegt am Tode.“ Es war nicht ſchwer Friedrich dem Zweiten zu folgen. Niemand in der Welt iſt verpflichtet ein großer Mann zu ſeyn, und eine gewiſſe Freudenloſigkeit, welche in den letzten Jahrzehnten an dieſem vereinſamten Throne haftete, erleichterte den Wechſel ungemein. Ein Volk ſieht gern einem friſchen Prinzengeſchlechte ins Auge, und ſeit der Alte Polen theilen half und ſich zu vieler Unterwürfigkeit gegen Rußland bequemte, war es Einſichtigen klar daß der auf dem Einzigen ruhende Staat für dasmal nicht weiter zum Ziele ſchreiten werde. Friedrich hinterließ ein- geſchulte Arbeiter, keinen Mann von Charakter. Wenn ſein Nachfolger einige ſchreiende Härten der Verwaltung entfernte, womit ſogleich ein kleiner Anfang gemacht ward; wenn er zugleich ſeine religiöſen Neigungen mild walten ließ, manche im Übermuth der Größe zerriſſenen Fäden menſchlich wieder anknüpfte, ſo war ihm die Liebe des Volks gewiß; wichtige Bedürfniſſe des Zeitalters lagen am Tage, man konnte zu ihrer Befriedigung weite Wege gehen, fremde Erfahrungen benutzend, ohne daß von ei- ner Veränderung in der Staatsverfaſſung für jetzt die Rede zu ſeyn brauchte; für jetzt, wiederhole ich. Denn argliſtiger iſt kein Satz erfunden und einfältiger nachge- ſprochen als die Behauptung, es könne der Segen einer freien Verwaltung auch ohne eine gewiſſe Summe politi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/432
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/432>, abgerufen am 23.12.2024.