Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Nassau, Würtemberg, Zweibrück, ein Theil der Reichs-
ritterschaft, und es ging diese Frage keineswegs bloß die
späteren Einbußen des deutschen Reiches, sondern außer
Lothringen und Elsaß, auch die Freigrafschaft und Henne-
gauische und Luxemburgische Gebiete an. Nun hätte sich
zwar eine Ausgleichung auf dem Wege der Entschädigung
finden lassen, und die Nationalversammlung erklärte sich
dazu geneigt, aber sie that das lediglich in Bezug auf das
Elsaß, und ohne der Ausführung ihrer Beschlüsse Anstand
zu geben. Von deutscher Seite schlug man die zu vergü-
tenden Verluste auf mindestens 100 Millionen Livres an,
wollte aber der Mehrzahl nach überhaupt von Entschädi-
gung nichts wissen, Kurmaynz trat mit Anträgen hervor,
hinter welchen der Krieg lauerte, Kurtrier wollte seine
Suffraganen, die Bischöfe von Metz, Toul und Verdun
durchaus nicht fahren lassen. Die meisten geistlichen Her-
ren, deren politischer und kirchlicher Glaube zugleich ver-
letzt war, verwarfen beharrlich jede Entschädigung. Ver-
geblich sprach Kurhannover auf dem Reichstag dawider
die Sache auf eine gefährliche Spitze zu stellen; es zeigte
sich bei der Mehrzahl der Gekränkten wenig Neigung zu
bedenken daß Österreich und Preußen vor nur wenig Mona-
ten mit gezücktem Schwert gegen einander gestanden, und
wie so gar nichts ohne die Einigkeit dieser das an allen
Gliedern gebrochene Heiligthum des deutschen Reiches ver-
möge. Der neue Kaiser Leopold II. billigte die Rüstungs-
plätze der Emigranten auf deutschem Reichsboden nicht,

Naſſau, Würtemberg, Zweibrück, ein Theil der Reichs-
ritterſchaft, und es ging dieſe Frage keineswegs bloß die
ſpäteren Einbußen des deutſchen Reiches, ſondern außer
Lothringen und Elſaß, auch die Freigrafſchaft und Henne-
gauiſche und Luxemburgiſche Gebiete an. Nun hätte ſich
zwar eine Ausgleichung auf dem Wege der Entſchädigung
finden laſſen, und die Nationalverſammlung erklärte ſich
dazu geneigt, aber ſie that das lediglich in Bezug auf das
Elſaß, und ohne der Ausführung ihrer Beſchlüſſe Anſtand
zu geben. Von deutſcher Seite ſchlug man die zu vergü-
tenden Verluſte auf mindeſtens 100 Millionen Livres an,
wollte aber der Mehrzahl nach überhaupt von Entſchädi-
gung nichts wiſſen, Kurmaynz trat mit Anträgen hervor,
hinter welchen der Krieg lauerte, Kurtrier wollte ſeine
Suffraganen, die Biſchöfe von Metz, Toul und Verdun
durchaus nicht fahren laſſen. Die meiſten geiſtlichen Her-
ren, deren politiſcher und kirchlicher Glaube zugleich ver-
letzt war, verwarfen beharrlich jede Entſchädigung. Ver-
geblich ſprach Kurhannover auf dem Reichstag dawider
die Sache auf eine gefährliche Spitze zu ſtellen; es zeigte
ſich bei der Mehrzahl der Gekränkten wenig Neigung zu
bedenken daß Öſterreich und Preußen vor nur wenig Mona-
ten mit gezücktem Schwert gegen einander geſtanden, und
wie ſo gar nichts ohne die Einigkeit dieſer das an allen
Gliedern gebrochene Heiligthum des deutſchen Reiches ver-
möge. Der neue Kaiſer Leopold II. billigte die Rüſtungs-
plätze der Emigranten auf deutſchem Reichsboden nicht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0426" n="416"/>
Na&#x017F;&#x017F;au, Würtemberg, Zweibrück, ein Theil der Reichs-<lb/>
ritter&#x017F;chaft, und es ging die&#x017F;e Frage keineswegs bloß die<lb/>
&#x017F;päteren Einbußen des deut&#x017F;chen Reiches, &#x017F;ondern außer<lb/>
Lothringen und El&#x017F;aß, auch die Freigraf&#x017F;chaft und Henne-<lb/>
gaui&#x017F;che und Luxemburgi&#x017F;che Gebiete an. Nun hätte &#x017F;ich<lb/>
zwar eine Ausgleichung auf dem Wege der Ent&#x017F;chädigung<lb/>
finden la&#x017F;&#x017F;en, und die Nationalver&#x017F;ammlung erklärte &#x017F;ich<lb/>
dazu geneigt, aber &#x017F;ie that das lediglich in Bezug auf das<lb/>
El&#x017F;aß, und ohne der Ausführung ihrer Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e An&#x017F;tand<lb/>
zu geben. Von deut&#x017F;cher Seite &#x017F;chlug man die zu vergü-<lb/>
tenden Verlu&#x017F;te auf minde&#x017F;tens 100 Millionen Livres an,<lb/>
wollte aber der Mehrzahl nach überhaupt von Ent&#x017F;chädi-<lb/>
gung nichts wi&#x017F;&#x017F;en, Kurmaynz trat mit Anträgen hervor,<lb/>
hinter welchen der Krieg lauerte, Kurtrier wollte &#x017F;eine<lb/>
Suffraganen, die Bi&#x017F;chöfe von Metz, Toul und Verdun<lb/>
durchaus nicht fahren la&#x017F;&#x017F;en. Die mei&#x017F;ten gei&#x017F;tlichen Her-<lb/>
ren, deren politi&#x017F;cher und kirchlicher Glaube zugleich ver-<lb/>
letzt war, verwarfen beharrlich jede Ent&#x017F;chädigung. Ver-<lb/>
geblich &#x017F;prach Kurhannover auf dem Reichstag dawider<lb/>
die Sache auf eine gefährliche Spitze zu &#x017F;tellen; es zeigte<lb/>
&#x017F;ich bei der Mehrzahl der Gekränkten wenig Neigung zu<lb/>
bedenken daß Ö&#x017F;terreich und Preußen vor nur wenig Mona-<lb/>
ten mit gezücktem Schwert gegen einander ge&#x017F;tanden, und<lb/>
wie &#x017F;o gar nichts ohne die Einigkeit die&#x017F;er das an allen<lb/>
Gliedern gebrochene Heiligthum des deut&#x017F;chen Reiches ver-<lb/>
möge. Der neue Kai&#x017F;er Leopold <hi rendition="#aq">II.</hi> billigte die Rü&#x017F;tungs-<lb/>
plätze der Emigranten auf deut&#x017F;chem Reichsboden nicht,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0426] Naſſau, Würtemberg, Zweibrück, ein Theil der Reichs- ritterſchaft, und es ging dieſe Frage keineswegs bloß die ſpäteren Einbußen des deutſchen Reiches, ſondern außer Lothringen und Elſaß, auch die Freigrafſchaft und Henne- gauiſche und Luxemburgiſche Gebiete an. Nun hätte ſich zwar eine Ausgleichung auf dem Wege der Entſchädigung finden laſſen, und die Nationalverſammlung erklärte ſich dazu geneigt, aber ſie that das lediglich in Bezug auf das Elſaß, und ohne der Ausführung ihrer Beſchlüſſe Anſtand zu geben. Von deutſcher Seite ſchlug man die zu vergü- tenden Verluſte auf mindeſtens 100 Millionen Livres an, wollte aber der Mehrzahl nach überhaupt von Entſchädi- gung nichts wiſſen, Kurmaynz trat mit Anträgen hervor, hinter welchen der Krieg lauerte, Kurtrier wollte ſeine Suffraganen, die Biſchöfe von Metz, Toul und Verdun durchaus nicht fahren laſſen. Die meiſten geiſtlichen Her- ren, deren politiſcher und kirchlicher Glaube zugleich ver- letzt war, verwarfen beharrlich jede Entſchädigung. Ver- geblich ſprach Kurhannover auf dem Reichstag dawider die Sache auf eine gefährliche Spitze zu ſtellen; es zeigte ſich bei der Mehrzahl der Gekränkten wenig Neigung zu bedenken daß Öſterreich und Preußen vor nur wenig Mona- ten mit gezücktem Schwert gegen einander geſtanden, und wie ſo gar nichts ohne die Einigkeit dieſer das an allen Gliedern gebrochene Heiligthum des deutſchen Reiches ver- möge. Der neue Kaiſer Leopold II. billigte die Rüſtungs- plätze der Emigranten auf deutſchem Reichsboden nicht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/426
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/426>, abgerufen am 23.12.2024.