Talleyrand, Thouret, Chapelier, Target, Rabaud St. Etienne und Desmeuniers. Allein Sieyes hüllte sich in sein mürrisches Schweigen, Talleyrand sah zu, die übri- gen waren entzückt von der Verfassung, mit Ausnahme von Chapelier. Mit diesem und Barnave besprach sich Ma- louet, ohne Vergleich der bewährteste Charakter in der gan- zen Versammlung, dessen treugepflegte Überzeugungen von keiner Zuthat persönlichen Ehrgeizes erstickt wurden. Sie entwarfen den Plan, eine gründliche Verbesserung der Ver- fassung im Sinne der Ordnung in der Nationalversamm- lung zu bewirken, noch während der Revisionsausschuß seine Arbeit thäte. Die Verfassungsurkunde ward der Ver- sammlung durch eine Verlesung, welche Thouret über- Aug. 5.nahm, bekannt gemacht. Nun griff Malouet ihr metaphy- sisches Princip an. "Eine Regierungsform, welche mit der Freiheit eine weise Fürsorge für ihre Dauerhaftigkeit verbindet, darf nicht auf die größte politische Freiheit be- rechnet seyn, sie muß berechnet seyn auf die größte Sicher- heit und Freiheit der Personen und des Eigenthums. Ihr habt das Gegentheil gethan; Ihr stelltet in Eurer Ver- theilung der Gewalten die politische Freiheit in der größ- ten Ausdehnung an die Spitze und möchtet nun die mög- lichst große Sicherheit der Personen und des Eigenthums daran knüpfen. Ihr stellet das Volk als den Souverän hin, der freilich seine Souveränität nicht selbst ausüben könne, Ihr lasset ihn zu dem Ende Gewalten übertragen; allein es ist gar schwer, denjenigen zum Unterthan um-
Talleyrand, Thouret, Chapelier, Target, Rabaud St. Etienne und Desmeuniers. Allein Sieyes hüllte ſich in ſein mürriſches Schweigen, Talleyrand ſah zu, die übri- gen waren entzückt von der Verfaſſung, mit Ausnahme von Chapelier. Mit dieſem und Barnave beſprach ſich Ma- louet, ohne Vergleich der bewährteſte Charakter in der gan- zen Verſammlung, deſſen treugepflegte Überzeugungen von keiner Zuthat perſönlichen Ehrgeizes erſtickt wurden. Sie entwarfen den Plan, eine gründliche Verbeſſerung der Ver- faſſung im Sinne der Ordnung in der Nationalverſamm- lung zu bewirken, noch während der Reviſionsausſchuß ſeine Arbeit thäte. Die Verfaſſungsurkunde ward der Ver- ſammlung durch eine Verleſung, welche Thouret über- Aug. 5.nahm, bekannt gemacht. Nun griff Malouet ihr metaphy- ſiſches Princip an. „Eine Regierungsform, welche mit der Freiheit eine weiſe Fürſorge für ihre Dauerhaftigkeit verbindet, darf nicht auf die größte politiſche Freiheit be- rechnet ſeyn, ſie muß berechnet ſeyn auf die größte Sicher- heit und Freiheit der Perſonen und des Eigenthums. Ihr habt das Gegentheil gethan; Ihr ſtelltet in Eurer Ver- theilung der Gewalten die politiſche Freiheit in der größ- ten Ausdehnung an die Spitze und möchtet nun die mög- lichſt große Sicherheit der Perſonen und des Eigenthums daran knüpfen. Ihr ſtellet das Volk als den Souverän hin, der freilich ſeine Souveränität nicht ſelbſt ausüben könne, Ihr laſſet ihn zu dem Ende Gewalten übertragen; allein es iſt gar ſchwer, denjenigen zum Unterthan um-
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Talleyrand, Thouret, Chapelier, Target, Rabaud St.
Etienne und Desmeuniers. Allein Sieyes hüllte ſich in
ſein mürriſches Schweigen, Talleyrand ſah zu, die übri-
gen waren entzückt von der Verfaſſung, mit Ausnahme von
Chapelier. Mit dieſem und Barnave beſprach ſich Ma-
louet, ohne Vergleich der bewährteſte Charakter in der gan-
zen Verſammlung, deſſen treugepflegte Überzeugungen von
keiner Zuthat perſönlichen Ehrgeizes erſtickt wurden. Sie
entwarfen den Plan, eine gründliche Verbeſſerung der Ver-
faſſung im Sinne der Ordnung in der Nationalverſamm-
lung zu bewirken, noch während der Reviſionsausſchuß
ſeine Arbeit thäte. Die Verfaſſungsurkunde ward der Ver-
ſammlung durch eine Verleſung, welche Thouret über-
nahm, bekannt gemacht. Nun griff Malouet ihr metaphy-
ſiſches Princip an. „Eine Regierungsform, welche mit
der Freiheit eine weiſe Fürſorge für ihre Dauerhaftigkeit
verbindet, darf nicht auf die größte politiſche Freiheit be-
rechnet ſeyn, ſie muß berechnet ſeyn auf die größte Sicher-
heit und Freiheit der Perſonen und des Eigenthums. Ihr
habt das Gegentheil gethan; Ihr ſtelltet in Eurer Ver-
theilung der Gewalten die politiſche Freiheit in der größ-
ten Ausdehnung an die Spitze und möchtet nun die mög-
lichſt große Sicherheit der Perſonen und des Eigenthums
daran knüpfen. Ihr ſtellet das Volk als den Souverän
hin, der freilich ſeine Souveränität nicht ſelbſt ausüben
könne, Ihr laſſet ihn zu dem Ende Gewalten übertragen;
allein es iſt gar ſchwer, denjenigen zum Unterthan um-
Aug. 5.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/402>, abgerufen am 23.12.2024.
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