Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht berührten, keinen Antheil ferner nehmen. Das hieß
sich selbst zur Ohnmacht verurtheilen. Verlor so die Na-
tionalversammlung während der letzten Monate ihrer Thä-
tigkeit zusehends an Kräften, so zählte dagegen der Jaco-
binerclub so viele Mitglieder als Necker jener zugewiesen
hatte, reichlich 1200, stieg auf 1800, und wenn er seine
Ableger durch ganz Frankreich überschlug, es waren ihrer
leicht drittehalbhundert, so stand ihm eine Heeresmacht
zu Gebote. Denn von der bescheidenen Zeit an, da der
Club der Bretagner Deputirten sich für 400 Franken Miethe
die Aufnahme im Jacobinerkloster der Straße St. Honore
erkaufte, welch eine Bahn hatte er durchmessen! Von dem
geräumigen Speisezimmer der Mönche ging man zu ihrem
großen Bibliotheksaale, endlich zu ihrer Kirche über, im-
mer weil es an Raum gebrach. Jetzt aber war auch Alles
in erwünschter Anordnung festgestellt: der Hochsitz des
Präsidenten, die Sessel der Secretäre, die Rednerbühne,
die Geschäftsordnung, ein eigenes Journal, welches die
Debatten und Beschlüsse des Clubs veröffentlicht, Alles
nach dem Muster der Nationalversammlung, welche man
auf jedem ihrer Schritte begleitet; auch die Sitzungen wa-
ren öffentlich, wenngleich durch Eintrittskarten bedingt.
Am bequemsten aber war es geradezu nur als thätiges
Mitglied einzutreten, denn dazu genügte letzter Zeit schon
der Vorschlag von nicht mehr als 6 Mitgliedern. Gewiß,
vom pariser Mutterclub aus ließ sich Frankreich beherr-
schen, auch wenn man nicht mehr zugleich in der National-

nicht berührten, keinen Antheil ferner nehmen. Das hieß
ſich ſelbſt zur Ohnmacht verurtheilen. Verlor ſo die Na-
tionalverſammlung während der letzten Monate ihrer Thä-
tigkeit zuſehends an Kräften, ſo zählte dagegen der Jaco-
binerclub ſo viele Mitglieder als Necker jener zugewieſen
hatte, reichlich 1200, ſtieg auf 1800, und wenn er ſeine
Ableger durch ganz Frankreich überſchlug, es waren ihrer
leicht drittehalbhundert, ſo ſtand ihm eine Heeresmacht
zu Gebote. Denn von der beſcheidenen Zeit an, da der
Club der Bretagner Deputirten ſich für 400 Franken Miethe
die Aufnahme im Jacobinerkloſter der Straße St. Honoré
erkaufte, welch eine Bahn hatte er durchmeſſen! Von dem
geräumigen Speiſezimmer der Mönche ging man zu ihrem
großen Bibliothekſaale, endlich zu ihrer Kirche über, im-
mer weil es an Raum gebrach. Jetzt aber war auch Alles
in erwünſchter Anordnung feſtgeſtellt: der Hochſitz des
Präſidenten, die Seſſel der Secretäre, die Rednerbühne,
die Geſchäftsordnung, ein eigenes Journal, welches die
Debatten und Beſchlüſſe des Clubs veröffentlicht, Alles
nach dem Muſter der Nationalverſammlung, welche man
auf jedem ihrer Schritte begleitet; auch die Sitzungen wa-
ren öffentlich, wenngleich durch Eintrittskarten bedingt.
Am bequemſten aber war es geradezu nur als thätiges
Mitglied einzutreten, denn dazu genügte letzter Zeit ſchon
der Vorſchlag von nicht mehr als 6 Mitgliedern. Gewiß,
vom pariſer Mutterclub aus ließ ſich Frankreich beherr-
ſchen, auch wenn man nicht mehr zugleich in der National-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0400" n="390"/>
nicht berührten, keinen Antheil ferner nehmen. Das hieß<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zur Ohnmacht verurtheilen. Verlor &#x017F;o die Na-<lb/>
tionalver&#x017F;ammlung während der letzten Monate ihrer Thä-<lb/>
tigkeit zu&#x017F;ehends an Kräften, &#x017F;o zählte dagegen der Jaco-<lb/>
binerclub &#x017F;o viele Mitglieder als Necker jener zugewie&#x017F;en<lb/>
hatte, reichlich 1200, &#x017F;tieg auf 1800, und wenn er &#x017F;eine<lb/>
Ableger durch ganz Frankreich über&#x017F;chlug, es waren ihrer<lb/>
leicht drittehalbhundert, &#x017F;o &#x017F;tand ihm eine Heeresmacht<lb/>
zu Gebote. Denn von der be&#x017F;cheidenen Zeit an, da der<lb/>
Club der Bretagner Deputirten &#x017F;ich für 400 Franken Miethe<lb/>
die Aufnahme im Jacobinerklo&#x017F;ter der Straße St. Honoré<lb/>
erkaufte, welch eine Bahn hatte er durchme&#x017F;&#x017F;en! Von dem<lb/>
geräumigen Spei&#x017F;ezimmer der Mönche ging man zu ihrem<lb/>
großen Bibliothek&#x017F;aale, endlich zu ihrer Kirche über, im-<lb/>
mer weil es an Raum gebrach. Jetzt aber war auch Alles<lb/>
in erwün&#x017F;chter Anordnung fe&#x017F;tge&#x017F;tellt: der Hoch&#x017F;itz des<lb/>
Prä&#x017F;identen, die Se&#x017F;&#x017F;el der Secretäre, die Rednerbühne,<lb/>
die Ge&#x017F;chäftsordnung, ein eigenes Journal, welches die<lb/>
Debatten und Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e des Clubs veröffentlicht, Alles<lb/>
nach dem Mu&#x017F;ter der Nationalver&#x017F;ammlung, welche man<lb/>
auf jedem ihrer Schritte begleitet; auch die Sitzungen wa-<lb/>
ren öffentlich, wenngleich durch Eintrittskarten bedingt.<lb/>
Am bequem&#x017F;ten aber war es geradezu nur als thätiges<lb/>
Mitglied einzutreten, denn dazu genügte letzter Zeit &#x017F;chon<lb/>
der Vor&#x017F;chlag von nicht mehr als 6 Mitgliedern. Gewiß,<lb/>
vom pari&#x017F;er Mutterclub aus ließ &#x017F;ich Frankreich beherr-<lb/>
&#x017F;chen, auch wenn man nicht mehr zugleich in der National-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0400] nicht berührten, keinen Antheil ferner nehmen. Das hieß ſich ſelbſt zur Ohnmacht verurtheilen. Verlor ſo die Na- tionalverſammlung während der letzten Monate ihrer Thä- tigkeit zuſehends an Kräften, ſo zählte dagegen der Jaco- binerclub ſo viele Mitglieder als Necker jener zugewieſen hatte, reichlich 1200, ſtieg auf 1800, und wenn er ſeine Ableger durch ganz Frankreich überſchlug, es waren ihrer leicht drittehalbhundert, ſo ſtand ihm eine Heeresmacht zu Gebote. Denn von der beſcheidenen Zeit an, da der Club der Bretagner Deputirten ſich für 400 Franken Miethe die Aufnahme im Jacobinerkloſter der Straße St. Honoré erkaufte, welch eine Bahn hatte er durchmeſſen! Von dem geräumigen Speiſezimmer der Mönche ging man zu ihrem großen Bibliothekſaale, endlich zu ihrer Kirche über, im- mer weil es an Raum gebrach. Jetzt aber war auch Alles in erwünſchter Anordnung feſtgeſtellt: der Hochſitz des Präſidenten, die Seſſel der Secretäre, die Rednerbühne, die Geſchäftsordnung, ein eigenes Journal, welches die Debatten und Beſchlüſſe des Clubs veröffentlicht, Alles nach dem Muſter der Nationalverſammlung, welche man auf jedem ihrer Schritte begleitet; auch die Sitzungen wa- ren öffentlich, wenngleich durch Eintrittskarten bedingt. Am bequemſten aber war es geradezu nur als thätiges Mitglied einzutreten, denn dazu genügte letzter Zeit ſchon der Vorſchlag von nicht mehr als 6 Mitgliedern. Gewiß, vom pariſer Mutterclub aus ließ ſich Frankreich beherr- ſchen, auch wenn man nicht mehr zugleich in der National-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/400
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/400>, abgerufen am 23.12.2024.